Politik

Der Berliner „Tiergartenmörder“ rückt ins Zentrum eines internationalen Gefangenenaustauschs

Bei dem Interview mit dem US-Journalisten Tucker Carlson hatte Russlands Präsident Wladimir Putin eine Andeutung gemacht, die das politische Berlin aufhorchen ließ. Es geht dabei um einen möglichen Gefangenenaustausch. Im Zentrum dieses Austauschs könnte der in deutscher Haft befindliche sogenannte „Tiergarten-Mörder“ sein
11.02.2024 10:57
Lesezeit: 2 min
Der Berliner „Tiergartenmörder“ rückt ins Zentrum eines internationalen Gefangenenaustauschs
Polizeibeamte sichern Spuren am Tatort im Berliner Tiergarten. Dort hatte ein mutmaßlicher russischer Agent einen Georgier ermordet. Offenkundig hat nun der Kreml erhebliches Interesse an der Auslieferung des Mörders. (Foto: dpa) Foto: Paul Zinken

In dem Interview hatte der Journalist Tucker Carlson den Kremlchef auf den in russischer Untersuchungshaft einsitzenden US-Journalisten Evan Gershkovich angesprochen. Der Reporter des Wall Street Journals sitzt wegen eines Spionagevorwurfs seit einem Jahr in Haft. Der Vorwurf der Spionage wird von seinem Arbeitgeber wie von ihm selbst vehement bestritten. Putin zeigte sich nun gesprächsbereit: Solche Deals über einen möglichen Austausch habe es in der Vergangenheit gegeben „und wahrscheinlich wird auch dieser von Erfolg gekrönt sein“. Weitere Aussagen Putins wurden von Beobachtern so interpretiert, dass er im Gegenzug die Herausgabe von Wadim Krassikow durch Deutschland erwarten könnte.

Putin und der Tiergartenmord

Eine solche Forderung würde die Bundesregierung in eine schwere Bredouille bringen. Der 58-jährige mutmaßliche russische Geheimdienstmitarbeiter war wegen des sogenannten Tiergartenmords am 15. Dezember 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, zudem hatte das Berliner Kammergericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt, eine Freilassung wäre demnach auch nach 15 Jahren eigentlich nicht möglich.

Krassikow, der 2019 unter dem Decknamen Wadim Sokolow nach Berlin gereist war, hatte nach Überzeugung des Gerichts am 23. August 2019 den georgischen Offizier Selimchan Changoschwili mit zwei Schüssen in Kopf und Rücken im Tiergarten niedergestreckt. Es wird davon ausgegangen, dass er dazu vom russischen Staat ausgesandt wurde, also von Putin. Jedenfalls trug Russland auffallend wenig zur Aufklärung des Falles bei.

Im Gespräch mit Carlson machte der mächtige Mann aus Moskau nun scheinbar Hoffnung auf eine Freilassung des US-Journalisten mit russischen Wurzeln. „Ich schließe nicht aus, dass Herr Gershkovich in sein Heimatland zurückkehren wird“, öffnete Putin die Tür und ließ sich sogar zur Feststellung hinreißen: „Es hat keinen Sinn, ihn im Gefängnis zu halten.“ Zuletzt wurde Gershkovichs U-Haft bis zum 30 März verlängert. Dann hätte der 32-Jährige ein Jahr hinter Gittern verbracht. Als Reaktion auf die Putin-Aussagen erklärte das Wall Street Journal: „Wir fühlen uns von dem Wunsch Russlands nach einem Deal ermutigt, der Evan nach Hause bringt. Und wir hoffen, dass dies zu seiner schnellen Freilassung und seiner Rückkehr zu seiner Familie und unserer Nachrichtenredaktion führt.“ Auch in dem Artikel werden die Sätze des russischen Herrschers aber so interpretiert, dass im Gegenzug wohl Krassikow freikommen müsste.

Scholz lässt Raum für Spekulationen

Die USA gingen bereits vor dem Putin-Interview davon aus, dass der Reporter als Verhandlungsmasse zur Freipressung russischer Spione im Ausland benutzt werden soll. Ist am Ende also die Bundesregierung Gershkovichs größte Hoffnung? Bundeskanzler Scholz hatte gerade erst bei seinem Besuch in Washington erleben müssen, dass er sich nun mit mutmaßlichen Gedankenspielen um einen Gefangenenaustausch zwischen einem verhafteten Journalisten und einem verurteilten Mörder auseinandersetzen muss. Seine Antwort: „Ich glaube, dass solche delikaten Fragen sehr vertraulich an vielen Stellen erörtert werden müssen.“ Ein Satz, der jedenfalls Raum für Spekulationen lässt.

Austausch zwischen Berlin und Moskau?

Etwas Licht ins Dunkel hätte Putins Sprachrohr bringen können. Doch auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wollte nicht damit rausrücken, ob sein Chef über Krassikow sprach, ohne diesen namentlich zu nennen: „Ich werde diese Frage ohne Antwort lassen.“

So bleibt also jedem selbst überlassen, wie Putins Einlassungen zu interpretieren sind. Der russische Präsident hatte lediglich betont, dass es jemanden gebe, der in einem mit den USA verbündeten Land eine Strafe absitze. „Diese Person hat aus patriotischen Gefühlen heraus einen Banditen in einer europäischen Hauptstadt beseitigt“, lobte er. Und: „Ob er es aus eigenem Antrieb getan hat oder nicht, ist eine andere Frage.“ Der von Krassikow erschossene Changoschwili hatte in verschiedenen militärischen Konflikten gegen Russland gekämpft, georgische und ukrainische Antiterrorbehörden sowie US-Geheimdienste unterstützt. Putin unterstellte ihm eine Beteiligung an den Anschlägen auf die Metro Moskau und nannte ihn einen „Verbrecher und Mörder“.

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