Finanzen

Hohe Bewertung der US-Aktien: Sollten Anleger in andere Weltregionen umschichten?

Lesezeit: 3 min
18.02.2024 08:43
US-Aktien sind relativ teuer im Vergleich zu Aktien aus anderen Weltregionen. Was bedeutet das für Anleger?
Hohe Bewertung der US-Aktien: Sollten Anleger in andere Weltregionen umschichten?
US-Aktien: Sollten Anleger in andere Weltregionen umschichten? (Foto: dpa)
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Die US-Aktienkurse stehen derzeit absolut gesehen hoch. Etwa legte der S&P 500 2023 um annähernd 20 Prozent zu und notiert Mitte Februar 2024 nahe am Allzeithoch. Auch im Vergleich zu globalen Aktien sind US-Titel teuer. Etwa liegen das Kurs-Gewinn- und das Kurs-Buchwert-Verhältnis des MSCI USA zu Beginn des Jahres 2024 21 bzw. 38 Prozent über dem Niveau des MSCI ACWI. Die Indizes bilden 85 Prozent der jeweiligen Aktienmärkte ab.

Experten rechnen mit geringeren Zugewinnen bei US-Aktien

Laut Reinhard Panse vom Family Office Finvia sind die US-Bewertungen fast auf demselben Niveau wie zur Jahrtausendwende, als alle Aktienmärkte aufgrund der Interneteuphorie stark überbewertet gewesen seien. Panse sieht als Ursache „die Fantasie an die Künstliche Intelligenz“, wie er schriftlich gegenüber DWN erklärt. Europäische und vor allem deutsche Aktien seien hingegen deutlich geringer bewertet. Panse rechnet mit einem Ende der hohen Wertzuwächse. Die Ertragserwartungen von Prognosemodellen, die auf der Bewertung von US-Aktien im Verhältnis zu den Gewinnen, Dividenden und dem Buchwert beruhten, würden „leicht unter 0 Prozent per annum“ liegen. „Die Anleger übersehen zurzeit, dass die US-Konjunktur hauptsächlich durch die hohe Neuverschuldung von durchschnittlich über 9 Prozent des Volkseinkommens per annum in den letzten fünf Jahren hochgehalten wird (höchster Wert seit dem Zweiten Weltkrieg, zum Vergleich: Eurozone 3,4 Prozent per annum seit 2019)“, schreibt Panse.

Gleichzeitig seien die US-Unternehmenssteuern rekordniedrig. Weitere Senkungen würden die Bonität der USA infrage stellen. „Eher muss mittelfristig mit Steuererhöhungen gerechnet werden, was dem Aktienmarkt nicht gut bekommen würde“, erklärt Panse. Auch eine aktuelle Studie eines Fed-Mitarbeiters rechnet mit geringeren Zuwächsen bei US-Aktien: Demzufolge liegt die inflationsbereinigte, langfristige Rendite in einem optimistischen Szenario bei maximal 2 Prozent pro Jahr. Die hohe Wertentwicklung der vergangenen 30 Jahre sei hauptsächlich auf sinkende Zinsen und Unternehmenssteuern zurückzuführen, heißt es in dem Fachaufsatz „End of an era: The coming long-run slowdown in corporate profit growth and stock returns“. Hier sei aber der Spielraum für weitere Senkungen größtenteils ausgereizt, etwa aufgrund der enormen Staatsverschuldung der USA.

Reinhard Panse sieht zudem die hohen Erwartungen an KI-Unternehmen skeptisch. Viele dieser Unternehmen sind US-Tech-Konzerne, die derzeit besonders hoch bewertet sind. „Ebenso wie während der Internetblase vor 23 Jahren wird auch übersehen, dass KI nicht nur den Produzenten solcher Modelle – meistens US-Firmen – nützt, sondern auch den Anwendern, die damit möglicherweise ihre Kosten stark senken können“, erklärt Panse.

Was sollten Anleger tun?

Gleichwohl gehen die Meinungen darüber auseinander, wie mit der hohen Bewertung von US-Aktien umzugehen ist. Reinhard Panse rät Anlegern mit einem weltweiten Aktienportfolio, US-Aktien „deutlich“ unterzugewichten. Ein Portfolio nach Marktkapitalisierung – etwa ein ETF auf den Weltaktien-Index MSCI ACWI – besteht derzeit aus 63 Prozent US-Aktien. Andere Stimmen betonen hingegen, dass sogenanntes Market-Timing meistens schief gehe, also das gezielte Übergewichten bestimmter Einzeltitel oder Anlageklassen im Zeitablauf. Sie empfehlen, eine feste Aufteilung nach ETFs und Anlageklassen beizubehalten, etwa der Finanzprofessor Hartmut Walz der Hochschule Ludwigshafen. Langfristig nähere sich die Rendite eines Aktienportfolios dem historischen Marktdurchschnitt an, schreibt Walz in einem Blogbeitrag. Nach schwachen Börsenjahren kommen demnach eher wieder gute Jahre, was schwache Anfangsrenditen auf lange Sicht kompensiert.

Etwa hat das Verbrauchermedium Finanzfluss für den Weltaktienindex MSCI World berechnet, wie sehr die Anlegerrenditen je nach Anlagezeitraum schwanken können. Wer etwa 15 Jahre lang in den MSCI World investiert hätte, der hätte von 1969 bis 2018 im schlimmsten Zeitraum eine Rendite von 1,2 Prozent pro Jahr erzielt. Im besten Fall hätten die Zugewinne bei 14,5 Prozent pro Jahr gelegen. Je länger die Haltedauer, desto näher liegt die Anlegerrendite am historischen Durchschnitt von 6,9 Prozent. Etwa hätte der Anleger nach 25 Jahren Haltedauer schlimmstenfalls 4,5 Prozent und bestenfalls 12,3 Prozent pro Jahr erhalten. Nach 35 Jahren liegt er zwischen 6,3 und 8,0 Prozent. Neueinsteiger in den Markt könnten einen Mittelweg einschlagen und sich ein Portfolio bauen, in dem die USA geringer gewichtet sind. So reduzieren sie auch Klumpenrisiken durch den hohen Anteil der USA, der Tech-Branche und einzelner Unternehmen wie Apple und Microsoft. Letztere haben einen Anteil von 7,5 bis 9,3 Prozent an kapitalisierungsgewichteten Weltaktienindizes wie dem MSCI World oder dem MSCI ACWI IMI.

Etwa schlägt Stiftung Warentest eine Gewichtung nach Wirtschaftskraft vor. Dabei liegen die Regionen- Gewichtungen bei 34 Prozent USA, 30 Prozent Schwellenländern, 29 Prozent Europa und 7 Prozent Japan. Ein solches Portfolio ließe sich näherungsweise über je einen ETF auf den MSCI World (50 Prozent Portfolioanteil), den MSCI Europe (20 Prozent) und den MSCI Emerging Markets (30 Prozent) bauen.

Eine Alternative könnte ein Portfolio aus einem ETF auf einen Weltaktienindex wie den MSCI ACWI, MSCI ACWI IMI oder den FTSE All-World sein, die rund 10 Prozent Schwellenländer-Aktien enthalten. Diesem mischt man einen Europa-ETF oder einen europäischen Smallcap-ETF bei (etwa auf den MSCI Europe oder den MSCI Europe Small Cap).

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Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 


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