Die Gespräche auf der Münchener Sicherheits-Konferenz vor wenigen Tagen förderten die Info eher beiläufig zutage. Bei Lichte betrachtet, gäbe es sehr wohl hinreichend Artilleriemunition für die Ukraine. Man muss sie nur einsammeln und an die Front im Oblast Donezk schaffen. Vor allem in den USA scheint Joe Biden mal wieder seinem Ruf als Schlafmütze „Sleepy Joe" alle Ehre zu machen. Er könnte helfen, tut es aber nicht.
Was ist da nur los in Washington, D.C.? Nach Informationen des US-amerikanischen Wirtschaftsmagazins „Forbes" würden in Waffendepots der US-Streitkräfte gut und gerne 4,6 Millionen Schuss Artillerie ungenutzt herumliegen - manche meinen sogar völlig unnütz. Es handelt sich keineswegs um eine eiserne Reserve der USA, sondern um 155-Millimeter-Mehrzweck-Streumunition, die in den 1970er- bis 1990er-Jahren produziert wurde, aber vom Pentagon aussortiert worden ist. Die Munition sei eher unzuverlässig, heißt es in dem Bericht, gut 14 Prozent der Shells, also Artillerie-Hülsen, seien Blindgänger.
In Awdijiwka könnten die Blindgänger aus US-Beständen Zeit kaufen
Für die verwöhnte US-Armee sicherlich eine völlig inakzeptable Fehlerquote. In Awdijiwka oder jetzt ganz aktuell in Saporischschja könnte sie dringend benötigte Zeit erkaufen, bis endlich die von europäischen Ländern versprochene Hilfe in der Ukraine eintrifft.
Vor allem die deutsche Rüstungsfirma Rheinmetall lässt keinen Zweifel aufkommen, dass sie gerne liefern möchte und ihre Kapazitäten ausweiten möchte. Das dauert leider nur, beteuert Firmenchef Armin Papperger. Er war früher mal zuständig für die Munitionsabteilung im Konzern, deshalb fühlt er sich sich wohl an der Ehre gepackt. „Pappesatt" könnte man meinen ist Papperger, dass so viel taktiert und auf Lücke gespielt wird in Europa. Beim Besuch von Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) im niedersächsischen Unterlüß beteuerte er, dass Rheinmetall „Tag für Tag in die Ukraine liefert" und die Produktion hochfährt.
Die Lücken wird Rheinmetall sicherlich nicht allein füllen können, aber Pappergers Beispiel könnte Schule machen. In Skandinavien etwa gibt es den norwegisch-finnischen Munitionsspezialisten Nammo, der nun auch den Turbo zündet, um möglichst bald in die Bresche zu springen. Von einer Verfünffachung des Ausstoßes ist dort die Rede, allerdings über die kommenden vier Jahre gestreckt. Was das für das entscheidende Jahr 2024 bedeutet, lässt keiner der Rüstungshersteller so präzise durchblicken. Schlechte Nachrichten brauchen sie nun nicht auch noch zu allem Überfluss an traurigen Frontberichten.
Bis 2025 müssen es die ukrainischen Truppen irgendwie schaffen, dann könnten die Nachschubprobleme allmählich nachlassen. Europa braucht die Zeit, ihr Committment für die Ukraine real zu untermauern. Zum Beispiel, indem erst einmal die Bestände gesichtet und gezählt werden. Anscheinend weiß niemand in den EU-Ländern so genau, was da in den Depots noch schlummert.
Wie Tschechiens Ministerpräsident 800.000 Schuss auftreiben will
So hat Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Fredriksen in München versprochen, dass das kleine Nachbarland im Norden all ihre verfügbare Munition der Ukraine bereitstellen werde. „Es gibt noch Munition in europäischen Beständen", sagte sie. Man müsse sie nur schnell auffinden.
In Tschechien womöglich. Dort oder woanders glaubt Ministerpräsident Petr Pavel noch 800.000 Schuss ausfindig gemacht zu haben - 300.000 vom Kaliber 122 sowie 500.000 des benötigten Kalibers 155 Millimeter. Deutlicher wurde er nicht. Gesprächiger war er nur bei der offenen Frage, wer die Geschosse finanzieren oder zumindest kofinanzieren könnte.
Ab 2025 könnten dann endlich die EU-Kapazitäten von zwei Millionen Schuss bereitstehen, heißt es im Hause von EU-Finanzkommissar Johannes Hahn. Durchhalten heißt die Parole.