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Die 4-Tage-Arbeitswoche: Steigert sie die Produktivität um 40 Prozent?

Lesezeit: 2 min
01.03.2024 15:04  Aktualisiert: 01.03.2024 16:03
Der allgemein verbreitete Wunsch deutscher Arbeitnehmer könnte zur Realität werden: Viele mittelständische Unternehmen testen schon jetzt die 4-Tage-Woche. In diesem Artikel beleuchten wir die Machbarkeit, präsentieren Erfolgsgeschichten und analysieren die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Ansatzes.
Die 4-Tage-Arbeitswoche: Steigert sie die Produktivität um 40 Prozent?
4-Tage-Arbeitswoche: Steigert sie die Produktivität um 40 Prozent? (Foto: dpa)

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Die Vision einer verkürzten Arbeitswoche begeistert Deutschland: Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass eine beeindruckende Mehrheit von 81-Prozent der Vollzeitbeschäftigten eine 4-Tage-Woche bevorzugen würde - ein globaler Trend, den auch die Beobachtungen des World Economic Forums (WEF) widerspiegeln.

Pionierarbeit leisten bereits über 150 Unternehmen in Deutschland, darunter namenhafte wie die Wenzel Group, und die Goekeler Messtechnik GmbH, die eine 4-Tage-Woche bei unverändertem Gehalt eingeführt haben. Ein aktuelles Pilotprojekt, ins Leben gerufen von 4 Day Week Global und der Universität Münster, untersucht nun, ob dieser Ansatz tatsächlich die Formel für gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität darstellt.

Flächendeckend vier Tage - ist das landesweit realistisch? Die Meinungen sind geteilt. Während viele die Veränderung begrüßen, zeigte sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kritisch: Nicht für jede Branche machbar, so seine Einschätzung.

Arbeitszeitdebatte: Führen viele Stunden auch zu mehr Produktivität?

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit. Mehr arbeiten, nicht weniger, lautet der Vorschlag der Experten. Im Jahr 2019 schlug es vor, in die Fußstapfen der Schweiz zu treten und die Arbeitszeiten zu verlängern – ein Vorschlag, der Deutschland 7,5 Milliarden zusätzliche Arbeitsstunden und einen Produktivitätssprung bescheren könnte.

Dagegen warnt Arbeitsrechtsexperte Guido Zander: Längere Arbeitszeiten sind kein Garant für mehr Leistung. Insbesondere in Schichtarbeit könnten sie sogar schädlich sein, die Krankheitsraten in die Höhe treiben und so paradoxerweise die Gesundheitskosten erhöhen, wie er in einem Interview mit dem SWR verdeutlichte.

Die Deutschen arbeiten kürzer als ihre Nachbarn!

Neue Statistiken zeigen: Deutsche Arbeitnehmer verbringen tatsächlich weniger Zeit am Arbeitsplatz als viele europäische Kollegen. Laut Statistischem Bundesamt liegt die Wochenarbeitszeit hierzulande durchschnittlich bei 34,7 Stunden – und der Trend zeigt nach unten. Nur Dänemark mit 34,1 Stunden, Norwegen mit 34,2 Stunden und die Niederlande mit 31,2 Stunden weisen noch kürzere Arbeitswochen auf.

Doch selbst mit kürzeren Arbeitszeiten steht Deutschland in Sachen Produktivität weit vorne, ein Beweis dafür, dass Arbeitsstunden nicht der alleinige Indikator für die ökonomische Leistungsfähigkeit eines Landes sind.

Beispiele aus der Praxis stärken das Argument für die 4-Tage-Woche: Sie verbessert nicht nur die Work-Life-Balance, sondern kurbelt auch die Effizienz an. Trotz anfänglicher Herausforderungen, etwa Rückgängen in der Produktivität und notwendigen Investitionen, zeigt sich langfristig oft ein Aufwärtstrend in der Firmenbilanz.

Eine Reihe von Studien belegen die Vorteile des 4-Tage-Modells

Bei Goekeler Messtechnik, wo seit 2020 in 34 Stunden vier Tage gearbeitet wird, beeindruckt eine Krankenstandsquote von nur 0,5-Prozent. Ein Spitzenwert in der Branche. Ähnlich sieht es bei der Wenzel Group aus: Dort hat sich seit der Umstellung auf die 4-Tage-Woche die Krankheitsrate halbiert.

Globale Erfolge sprechen ebenfalls Bände: Microsoft Japan meldet nach der Umstellung auf die 4-Tage-Woche einen Produktivitätssprung von nahezu 40-Prozent. Dieser Erfolg hat eine Welle von Nachahmern ausgelöst; bereits 8,5-Prozent der japanischen Unternehmen folgen diesem Beispiel, einige mit modifizierten Gehaltsstrukturen.

Islands vierjährige Studie untermauert die Vorteile: Eine verkürzte Arbeitswoche steigert Produktivität und Wohlergehen der Belegschaft, ohne Gehaltseinbußen. Jetzt genießen rund 86-Prozent der Isländer diese Vorteile und auch in anderen Ländern wird das 4-Tage-Konzept als Erfolgsrezept gefeiert.

Kein Allheilmittel: Schlüsselstrategien für die Einführung einer 4-Tage-Arbeitswoche

Dennoch, trotz der Vorteile, die von verschiedenen Seiten berichtet werden, ist eine individuelle Betrachtung der Branchenbedingungen unerlässlich. So lässt sich die 4-Tage-Woche nicht in allen Sektoren problemlos realisieren. Während ständige Präsenz in Sektoren wie dem Gesundheitswesen oder der kontinuierlichen Produktion das Modell eher schwierig gestaltet, bieten flexible Bereiche wie die IT und Wissensarbeit fruchtbaren Boden für Veränderungen.

Die Einführung einer 4-Tage-Woche verlangt daher nach maßgeschneiderten Strategien, die interne Unternehmensstrukturen, Marktbedingungen und gesellschaftliche Trends berücksichtigt. Die Experten der Hans-Böckler-Stiftung betonen, wie wichtig eine wohlüberlegte Verteilung der Arbeitsaufgaben und der Optimierung von Arbeitsprozessen ist, um die Produktivität zu gewährleisten und effektiv auf Marktanforderungen zu reagieren. Fortschrittliche Methoden wie die Automatisierung und intelligente Vertretungsregelungen sind dabei unverzichtbare Säulen für den Erfolg.

Richtig genutzt könnte das Arbeitszeitmodell für einige Mittelständler eine wertvolle Innovation darstellen, um ihr Unternehmen zu stärken. Betriebe, die sich für Arbeitszeitinnovationen öffnen, positionieren sich zudem als Vorreiter auf dem Arbeitsmarkt. Insofern fördert eine 4-Tage-Woche weit mehr als nur Effizienz und Kosteneinsparungen; sie kann auch zur Talentgewinnung beitragen und das Engagement der Mitarbeiter nachhaltig stärken – ein entscheidender Faktor in der heutigen Arbeitswelt.

 



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