Mit einem gemeinsamen Zehn-Punkte-Programm fordern die vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft die Bundesregierung zu raschen finanziellen Entlastungen und weiteren Reformen auf. Dies alles sei nötig, "um Vertrauen zurückzugewinnen und den Standort Deutschland zu stärken", heißt es in dem Forderungskatalog des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Die vier Spitzenverbände legten das Papier am Freitag zu ihrem alljährlichen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande der Handwerksmesse in München vor.
Spitzenverbände mit umfangreichen Forderungen
Konkret fordert die deutsche Wirtschaft unter anderem: International konkurrenzfähige Strompreise, eine grundlegende Steuerreform mit niedrigeren Unternehmensteuern, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie, Investitionen in die Infrastruktur, eine ausreichende Fachkräftesicherung sowie Strukturreformen in allen Bereichen der Sozialversicherung, um Unternehmen zusätzlich finanziell zu entlasten. Zudem warnen die Spitzenverbände davor, langfristig ein Mindestrentenniveau von 48 Prozent festzuschreiben, weil dies die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung weiter verschärfen würde.
Innerhalb einer großen Steuerreform fordern die vier Spitzenverbände die Einführung einer dauerhaften Investitionsprämie, verbesserte Abschreibungsbedingungen und die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Ziel müsse eine Senkung der Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland auf maximal 25 Prozent sein, heißt es in dem Papier. Hierzu müsse unter anderem der Solidaritätszuschlag aus Sicht der Unternehmen vollständig abgeschafft werden. Ein weitere Kernpunkt im Forderungskatalog ist die Senkung von Strom- und Energiesteuern für alle Unternehme auf das europäische Mindestmaß.
"Uns läuft die Zeit davon"
Angesichts der schwachen Konjunktur und der schlechten Stimmung in vielen Unternehmen fordert die deutsche Wirtschaft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu raschem Handeln und finanziellen Entlastungen auf. "Uns läuft die Zeit davon. Wir stehen im Wettbewerb global. Wir sind auf allen volkswirtschaftlichen Statistiken jetzt auf den letzten Plätzen", warnte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Freitag vor Beginn des Spitzentreffens im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Es brauche dringend Entlastungen für die Wirtschaft - und zwar schnell. "Jetzt geht es darum, Aktion zu zeigen, also nicht mehr nur zu reden, sondern wirklich kurzfristig Dinge zu verändern und die Möglichkeit für die Wirtschaft zu schaffen, wieder zu wachsen", sagte Russwurm. "Wir müssen schnell für Verbesserungen sorgen", mahnte Russwurm. "Auch eine andere Steuergesetzgebung könnte man, wie wir meinen, zügig umsetzen. Aber es zieht sich alles in Deutschland."
Leider würde es bei viele angekündigte Maßnahmen zu lange bis zur Umsetzung dauern. Das Wachstumschancengesetz zum Beispiel sei eine Schlussfolgerung aus der Kabinettsklausur im August letzten Jahres - jetzt hänge es wieder in der Diskussion zwischen Bundestag und Bundesrat. "Und dann reden wir über neun Monate verbesserte Abschreibung auf geringwertige Güter vom 1. April bis zum 31. Dezember - das ist ja eigentlich lächerlich und zeigt, dass wir viel zu viel Zeit verlieren in der Diskussion."
Scholz weicht Forderungen aus
Das Treffen ging letztendlich ohne neue Ankündigungen oder konkrete Annäherungen zu Ende. Bundeskanzler Scholz betonte anschließend zwar, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit seien zentral für die Bundesregierung und deren Handeln. Er verteidigte deshalb das geplante Wachstumschancengesetz, das "sehr relevante, wachstumsfördernde Maßnahmen" enthalte. Weitergehende finanzielle Zusagen an die deutsche Wirtschaft, die seit langem umfassendere Steuer- und Abgabensenkungen fordert, vermied er aber. Laut Aussagen von Teilnehmern sorgte es für Verärgerung in der Runde, dass Scholz nicht auf die konkreten Forderungen der Wirtschaftsverbände in deren Zehn-Punkte-Papier eingegangen sei.
BDI-Präsident Russwurm sagte nach dem Gespräch, man habe vom Kanzler wenig Neues erfahren. "Das kannten wir alles schon." Angesichts der trüben Wachstumsprognosen brauche es eigentlich einen "echten Kraftakt", um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, fordert er. "Die Unternehmen wünschen sich von der Bundesregierung eine klare Wachstumsagenda, und zwar eine, die über eine Legislaturperiode hinaus trägt." (dpa)