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ADRs: Wie Anleger das Risiko mit China-Aktien minimieren

Lesezeit: 4 min
10.03.2024 11:00  Aktualisiert: 10.03.2024 16:11
Inhabern von russischen ADRs droht ein Totalverlust aufgrund von Sanktionen. Bei chinesischen Aktien gibt es ähnliche Risiken.
ADRs: Wie Anleger das Risiko mit China-Aktien minimieren
Das Gebäude der Alibaba-Zentrale - die Aktie chinesischen Onlinehandels-Riesen ist zuletzt ziemlich unter die Räder gekommen. (Foto: dpa).
Foto: Sheldonâ cooper

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China-Aktien haben seit Beginn der Corona-Krise und insbesondere seit dem Ukraine-Krieg deutlich an Wert eingebüßt. Etwa verlor der Index MSCI China, der 85 Prozent des chinesischen Aktienmarkts abbildet, in den vergangenen drei Jahren 18,3 Prozent pro Jahr. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei gerade einmal 9,1 (zum 29. Dezember 2023).

Schwellenländer-Aktien aus anderen Ländern sind deutlich höher bewertet und rentieren besser. Das KGV des MSCI Emerging Markets ex China lag Ende 2023 bei 16,0 und der Index stieg um 2,2 Prozent pro Jahr in den vergangenen drei Jahren.

Ausländische Anleger sehen chinesische Wertpapiere zunehmend kritisch. Laut einer aktuellen Handelsblatt-Analyse zogen sie in den vergangenen sechs Monaten so hohe Milliardensummen ab wie seit 2014 nicht. Das Säbelrasseln zwischen China und den USA, aber auch die Erfahrungen mit russischen Wertpapieren im Zuge des Ukraine-Kriegs verunsichern offenbar die Investoren.

Anlegerschützer mahnen zur Vorsicht

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) mahnt zur Vorsicht. „Sollte der Konflikt zwischen China und den USA eskalieren, könnte den chinesischen ADRs dasselbe Schicksal drohen wie den russischen ADRs“, heißt es im „Schwarzbuch Börse 2023“ vom Dezember.

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags zitiert in einem aktuellen Gutachten eine Analystenwarnung. Aufgrund der Gefahr eines Verbots oder von Handelseinschränkungen sollten ADR-Anleger erwägen, „ihr Engagement in Ländern im Krieg oder instabilen Regierungen zu eliminieren oder zu reduzieren“, heißt es in dem Gutachten vom 31. Januar 2024, das die aktuellen Entwicklungen um russische ADRs beleuchtet.

ADRs (American Depositary Receipts) sind Hinterlegungsscheine. Es handelt sich um eine Eintrittskarte für ausländische Unternehmen an die US-Kapitalmärkte, erklärt der Anlegerschutzverein im Schwarzbuch.

ADR-Zertifikate repräsentieren eine bestimmte Zahl an Aktien an einem ausländischen Unternehmen und werden von einer US-Bank herausgegeben. Die Bank erwirbt die Aktien als Treuhänderin an der Börse im Ausland, etwa in Russland, und lässt diese bei einer russischen Bank verwahren. Dadurch umgehen Auslandsfirmen die strikten Zulassungsvoraussetzungen der US-Börse und profitieren von ausländischem Kapital.

Das Problem: Im Zuge der Sanktionen kündigten die Banken ihre ADR-Programme auf. Inhaber der Hinterlegungsscheine mussten die ADRs selbst in russische Stammaktien umtauschen. „Dieser Umtausch wird jedoch größtenteils blockiert“, berichtet der SdK im Schwarzbuch. Die Lage sei äußerst komplex und es sei umstritten, inwiefern russische oder europäische Sanktionen ursächlich seien, heißt es weiter.

Auch zahlreiche chinesische Aktien werden im Westen über ADRs gehandelt, etwa Alibaba und Tencent. Diese sogenannten N-Chips können in Schwellenländerfonds und -ETFs einen beträchtlichen Anteil ausmachen.

Aktie verbrieft bloß Anteil an einer Briefkastenfirma

Dazu kommt ein weiteres Risiko: Manche chinesischen Firmen sind zwar an der Hongkonger Börse notiert, aber haben ihren Unternehmenssitz außerhalb Chinas. Viele dieser sogenannten P-Chips sind auf den Kaimaninseln ansässig und als sogenannte VIE-Struktur aufgesetzt (Variable Interest Entity). Hierbei handelt es sich um eine Briefkastenfirma und nicht um die eigentliche Muttergesellschaft aus China.

Konkret läuft das folgendermaßen ab: Ein chinesisches Unternehmen wie Alibaba gründet auf den Kaimaninseln eine Alibaba Holding. Diese verfügt über kein eigenes Geschäft oder Produktion, sondern erhält vertraglich eine Beteiligung an den Gewinnen der Muttergesellschaft Alibaba zugesichert.

Die Holding lässt sich nun an der New Yorker Börse eintragen und Anleger können sich an dem Briefkastenunternehmen beteiligen. „Faktisch besitzen sie danach weder einen Anteil an einem chinesischen Unternehmen, noch haben sie ein durchsetzbares Anrecht auf dessen Gewinne oder die tatsächliche Kontrolle über dessen Vermögenswerte“, warnte die NZZ bereits im Jahr 2021.

Manche VIE-Aktien kommen zudem als ADRs an die Börse. Das heißt, es gibt zwei Verpackungen um die eigentliche chinesische Aktie: Die VIE-Struktur und das ADR. Hintergrund ist, dass Ausländer bloß eingeschränkt Anteile an chinesischen Firmen halten dürfen. Der chinesische Staat möchte verhindern, dass ausländische Aktionäre zu großen Einfluss auf die chinesische Wirtschaft ausüben können.

Anleger erkennen eine Aktie an einem VIE-Unternehmen an der Wertpapierkennnummer ISIN. Beginnt diese mit dem Kürzel KY, sitzt das Unternehmen auf den Kaimaninseln. Etwa gilt das für die Aktie von Tencent Holdings (KYG875721634), Alibaba Group Holdings (KYG017191142) und Meituan (KYG596691041). ADRs führen wiederum das Länderkürzel US und häufig steht „ADR“ hinter dem Wertpapiernamen.

Anleger können im Jahresbericht eines Fonds prüfen, wie hoch der Anteil der Unternehmen mit Sitz auf den Kaimaninseln ist. So lässt sich abschätzen, wie hoch der Anteil von China-ADRs ist. Etwa veröffentlichen zwei der drei größten ETFs auf den MSCI Emerging Markets, die in Deutschland verfügbar sind, entsprechende Angaben im Jahres- und Halbjahresbericht.

Der Anteil von chinesischen ADRs dürfte bei kapitalisierungsgewichteten Schwellenländerfonds wie einem MSCI Emerging Markets hoch sein. Diese enthalten rund 30 Prozent chinesische Aktien. Rund 18 Prozent der ETF-Vermögen machen Firmen mit Sitz auf den Kaimaninseln aus. Details lassen sich beim Kundenservice der Fondsgesellschaft erfragen.

Wie begrenzen Anleger das China-Risiko?

Matthias Krapp von Abatus Vermögensmanagement rät gegenüber DWN zu einem kapitalisierungsgewichteten Weltaktien-Portfolio. Hier betrage der Anteil der Schwellenländer rund 10 Prozent. Chinesische Aktien machten weniger als 3 Prozent aus. Etwa können Anleger in ETFs auf den MSCI ACWI, den MSCI ACWI IMI oder den FTSE All-World investieren.

Wer indes mehr Schwellenländer im Depot möchte, könnte einen ETF auf den MSCI Emerging Markets ex China beimischen. Hier sind keine chinesischen Aktien enthalten. In Deutschland ist ein physischer ETF auf den Index verfügbar, der mehr als 100 Millionen Euro Anlegergelder verwaltet (Thesaurierer, TER von 0,18%, ISIN: IE00BMG6Z448).

Eine weitere Alternative ist ein ETF auf den MSCI Emerging Markets Small Cap. Dieser investiert bloß in Aktien von kleinen Unternehmen (auch Small Caps genannt) und gewichtet chinesischen Firmen zu 7 Prozent. Allerdings gelten kleine Firmen als riskanter: Die Kurse sind volatiler und brechen in Krisen kräftiger ein. Dafür dürfte aufgrund des höheren Risikos eine Überrendite auf sehr lange Sicht drin sein.

In Deutschland sind zwei physische ETFs auf den MSCI EM Small Cap zugelassen, die über 100 Millionen Euro Fondsvermögen aufweisen. Es handelt sich um einen Ausschütter (TER von 0,74%, ISIN: IE00B3F81G20) und einen Thesaurierer (TER von 0,55%, ISIN: IE00B48X4842).

Anleger können über Fonds und ETFs auch in chinesische A-Aktien investieren, um ADRs und VIE-Aktien zu vermeiden. Etwa gibt es ETFs auf den MSCI China A (497 A-Aktien) und den CSI 300 (die 300 größten A-Aktien). Konkret gibt es je einen ETF, der die Aktien des Index tatsächlich kauft (physische Replikation) und mehr als 100 Millionen Euro Fondsvermögen aufweist (ISIN: FR0011720911, LU0875160326).

Zwar sind weniger Aktien enthalten als beim MSCI China (766 Aktien). Dafür ist das Gewicht der Top 10 beim MSCI China A (17 Prozent) und dem CSI 300 (18 Prozent) geringer als beim Tech-lastigen MSCI China (41 Prozent). Beide Indizes können Anleger mit einem MSCI Emerging Markets ex China ETF kombinieren.

***

Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und schreibt vor allem über Konjunktur, Edelmetalle und ETFs sowie die ökonomische Lehre der Österreichischen Schule. 


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