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Investieren in Qualitätsaktien: Aktiv, passiv oder gar nicht?

Lesezeit: 4 min
02.03.2024 13:50  Aktualisiert: 02.03.2024 15:30
Quality Investing war in den letzten Jahrzehnten eine sehr erfolgreiche Anlagestrategie. Wir vergleichen einen aktiven und passiven Ansatz, mit dem jeder interessierte Anleger die Vorteile dieser Strategie ganz einfach umsetzen kann. Wir erläutern aber auch die Schattenseiten und Grenzen dieses Investment-Ansatzes.
Investieren in Qualitätsaktien: Aktiv, passiv oder gar nicht?
Um Qualitätsaktien zu identifizieren, muss man genauer in die Bilanz schauen. (Bild: iStock.com\Lemon_tm)
Foto: Lemon_tm

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Kürzlich haben wir uns im Artikel „Kommt die Rezession oder nicht? Mit Qualitätsaktien ist es Anlegern egal“ mit den Grundlagen des „Quality Investing“ beschäftigt. Aufgrund der Eigenschaften, die sogenannte Qualitätsunternehmen auszeichnen, ist ein überdurchschnittliches organisches Wachstum wahrscheinlicher. Gleichzeitig wird das Risiko eines Kapitalverlusts durch einen niedrigen Verschuldungsgrad und stabile Erträge reduziert. Bei einem langfristigen Anlagehorizont kann dies in zu einer Outperformance gegenüber dem breiten Markt führen.

Die Kriterien für Qualitätsaktien lauten: Stabile planbare Erträge (positive Cashflows), eine gesunde Bilanz (nicht überschuldet, Zinskosten sind gut abgedeckt) und eine Branche, die vielleicht nicht zweistellig pro Jahr wächst, aber zumindest nicht schrumpft. Man kann sagen: So gut wie jede Value-Aktie ist auch eine Qualitäts-Aktie, aber nicht umgekehrt.

Qualitäts-Investieren ist eine Faktor-Strategie, die starke Überschneidungen zum „Value-Investieren“ hat. Während man aber bei letzterem explizit nach unterbewerteten Aktien filtert, fokussiert sich der Faktor Qualität in erster Linie nur auf die Bilanz und nicht auf den Preis.

Wir betrachten heute einen aktiv gemanagten Fonds und einen ETF, der einen Index von Qualitätsaktien passiv abbildet. Beide Produkte interpretieren den Qualitätsansatz etwas unterschiedlich. Was beide Strategien jedoch als Treiber der Wertentwicklung verbindet, ist die Tatsache, dass Branchen mit schwierigen Rahmenbedingungen und Unternehmen mit schwachen Fundamentaldaten in beiden Anlagestrategien gezielt herausgefiltert werden.

Seilern World Growth: Quality Investing in Reinform

Der "Seilern World Growth Fund" (ISIN: IE00B2NXKW18) ist ein aktiv gemanagter Fonds, der in wachstumsorientierte Qualitätsunternehmen aus OECD-Ländern investiert. Der Fonds verwendet einen Bottom-up-Ansatz, um Unternehmen mit starken Fundamentaldaten, Wettbewerbsvorteilen und einer nachgewiesenen Wachstumsgeschichte zu identifizieren. Das Ergebnis ist ein stark konzentriertes Portfolio mit derzeit nur 21 Beteiligungen, in dem die Sektoren Gesundheit und Informationstechnologie mit einer Gewichtung von zusammen 74,4 Prozent eine besonders wichtige Rolle einnehmen.

Die drei größten Positionen sind Microsoft, Mastercard und Dassault Systemes. Die ersten beiden Unternehmen sind bekannte Marken und sind wohl jedem Anleger bekannt. Aber auch Dassault Systemes steht für Qualität. Das Unternehmen ist der führende Anbieter von Software, mit der Unternehmen den gesamten Lebenszyklus von Entwurf, Konstruktion bis zur Fertigung ihrer Produkte verwalten können. Alle Flugzeuge und 90 Prozent aller Autos weltweit werden mit Software von Dassault entwickelt und/oder hergestellt. Ein Austausch dieser Software ist mit hohem Aufwand und Kosten verbunden, da sie tief in allen Unternehmensprozessen verankert ist. Kaum ein Unternehmen geht hier ohne Not ein Risiko ein. Das Ergebnis sind starke Fundamentaldaten und eine Erfolgsgeschichte an der Börse.

Die hohe Qualität des Portfolios spiegelt sich auch in den Median-Kennzahlen des Portfolios für 2022 wider. Die Nettoverschuldung im Verhältnis zum EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) ist negativ. Das bedeutet, dass die Unternehmen nach Abzug der liquiden Mittel schuldenfrei sind. Die Rendite auf das eingesetzte Kapital liegt bei 23 Prozent, während der Durchschnitt der S&P 500-Unternehmen nur rund 10 Prozent beträgt. Mit jedem investierten Euro verdienen die Quality Investing-Firmen mehr als doppelt so viel wie ein durchschnittliches Unternehmen. Gleichzeitig sollen die Unternehmen zwischen 2022 und 2024 jährlich um 13,2 Prozent wachsen. Die jährlichen Kosten für den Fonds liegen für Retail-Anleger bei 1,5 Prozent.

Günstige Variante: Ein breit gestreuter Qualitäts-ETF

Man kann auch breiter streuen und auf einen Quality-ETF setzen. Der "iShares Edge MSCI World Quality Factor UCITS ETF" (ISIN: IE00BP3QZ601) punktet mit jährlichen Kosten von 0,3 Prozent. Mit 301 Positionen ist dieser ETF deutlich breiter diversifiziert als der Fonds von Seilern. Zwar ist auch in dem passiven Produkt der Sektor Informationstechnologie mit einem Anteil von 24,7 Prozent am stärksten gewichtet, ansonsten ist der ETF aber deutlich breiter über die Branchen diversifiziert. Die größten Positionen im ETF sind derzeit Nvidia, Apple und Microsoft.

Die Auswahl der Unternehmen für den Index erfolgt basierend auf drei Kriterien.

  • Hohe Eigenkapitalrendite (ROE),

  • niedriger Verschuldungsgrad

  • und geringe Ertragsschwankungen.

Diese Kennzahlen sind durchaus sinnvoll gewählt. So schließt der niedrige Verschuldungsgrad eine Optimierung der Eigenkapitalrendite durch eine hohe Verschuldung aus. Allerdings handelt es sich natürlich um eine starre, vergangenheitsorientierte Betrachtung. Unternehmensbezogene Nachrichten und Entwicklungen, die für Quality Investing relevant sind, werden nicht berücksichtigt. Die Historie zeigt jedoch, dass die meisten Fondsmanager trotz und wegen des aufwendigen und teuren Researchs nicht in der Lage sind, ihre Benchmarks zu schlagen.

Qualität lohnt sich langfristig, aber wichtig sind vor allem Streuung und ein langfristiger Anlagehorizont

Im Vergleich zum MSCI World schneiden die beiden Qualitätsprodukte laut dem Fachportal „Fondsweb“ gut ab. Der Seilern-Fonds konnte seit September 2014 um 234 Prozent zulegen. Der Quality-ETF schaffte immerhin noch 178 Prozent, während ein ETF auf den MSCI World nur 156 Prozent zulegen konnte. Beide Produkte hatten in diesem Zeitraum Phasen, in denen sie zeitweise schlechter abschnitten als der breite Markt. Solche Phasen gibt es bei jeder Anlagestrategie, langfristig betrachtet sind sie aber Einstiegschancen in das Quality Investing.

Die Gewinner von heute sind meist auch die Gewinner von morgen. Mit Produkten, die eine Quality Investing-Strategie verfolgen, können sich Anlegerinnen und Anleger entspannt zurücklehnen und dem Treiben an der Börse zuschauen.

Das kann man aber auch zu noch niedrigeren Kosten mit einem extra stark diversifizierten Weltaktien-ETF tun. Für „Quality“ gilt dasselbe wie für alle Faktor-Strategien: In manchen Zeiträumen bringt es eine Überrendite zum breiten Markt und manchmal eben das Gegenteil. Qualitätsaktien sind im Schnitt teurer als der Rest. Funadamentale Qualität ist auch für Laien schnell sichtbar.

In einem Crash fallen Qualitätswerte zwar meist weniger stark als der Gesamtmarkt, jedoch ist der Unterschied nicht riesig. Mit Qualitätsaktien geht man keine großen Risiken ein, aber Anleger sollten sich konkret fragen, ob solche Werte im aktuellen Börsenumfeld eher über- oder unterperformen werden.


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