Entgegen der weit verbreiteten Meinung, Deutschlands Wirtschaft würde von Großkonzernen beherrscht, zeigt die Realität ein differenzierteres Bild: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das robuste Fundament der Volkswirtschaft. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (DeStatis) machen KMU mit rund 3,2 Millionen Betrieben beeindruckende 99,3-Prozent der privatwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland aus!
Diese Unternehmen leisten einen entscheidenden Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt und sind tragende Säulen im Exportgeschäft. KMU erzielen 78-Prozent des Gesamtumsatzes im Bau- und Gaststättengewerbe und sind für etwa 20-Prozent der gesamten deutschen Exporterlöse verantwortlich, was ihre Bedeutung als essenzielle Zulieferer untermauert. Die sogenannten „Hidden Champions“ – circa 2700 Nischen-Weltmarktführer, von denen etwa die Hälfte ihren Ursprung in Deutschland hat – gelten als Aushängeschild des deutschen Mittelstands.
KMU: Unentbehrliche Akteure im globalen Markt
Dass zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland in KMU arbeiten, ist ein deutliches Zeichen für ihre Rolle als Arbeitsplatzbeschaffer und Einkommensgeneratoren. Doch die Bedeutung der KMU geht weit darüber hinaus: Sie sind fest in den lokalen Gemeinschaften verankert und fungieren als Motoren der Innovation sowie als Zentren des ökonomischen Fortschritts.
Die Europäische Kommission definiert KMU präzise: Unternehmen fallen unter diese Kategorie, wenn sie bestimmte Grenzen bei Mitarbeiterzahl und Umsatz nicht überschreiten. Bis zu 9 Angestellte charakterisieren Kleinstunternehmen, bis zu 49 bei kleinen und bis zu 249 bei mittleren Betrieben. Ihr Jahresumsatz variiert von maximal 2 Millionen Euro bei den kleinsten bis zu 50 Millionen Euro bei den mittleren Unternehmen. In der Regel beträgt der Jahresumsatz aber weniger als eine Millionen Euro, wie das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM Bonn) ermittelte.
Doch wie robust ist der Mittelstand? Das Mittelstandspanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) basiert auf jährlichen Daten von bis zu 15.000 Unternehmen und ist die wichtigste Erhebung für Analysen im Mittelstand.
Die Ergebnisse des Jahres 2023 zeichnen ein zunächst positives Bild: Trotz der globalen Unsicherheit und lokaler Herausforderungen legten sie eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit an den Tag Das Jahr 2022 sah ein Wachstum in Umsatz und Investitionen, begleitet von einem leichten Beschäftigungszuwachs. Die Eigenkapitalquote und Kreditwürdigkeit blieben weitgehend stabil. Allerdings wurde ein Rückgang der Umsatzrendite verzeichnet, der niedrigste seit 2015.
Krisenfestigkeit auch in stürmischen Zeiten: Steht der deutsche Mittelstand an einem Wendepunkt?
Könnte die bisherige Stabilität auf dem Prüfstand stehen? Zumindest deuten die aktuellen Entwicklungen auf eine mögliche Eintrübung der Erfolgskurve hin. So sehen sich KMU enormen Herausforderungen gegenüber: Globaler Konkurrenzdruck, fortschreitende Digitalisierung und demografische Veränderungen sind nur einige Hürden. Besonders wenn Geschäftsmodelle eng mit regionalen Faktoren verwoben sind, verschlimmern lokale Bedingungen wie hohe Energiepreise, steuerliche Lasten und infrastrukturelle Defizite die Lage. Administrative Barrieren und anspruchsvolle EU-Richtlinien, wie das Lieferkettengesetz, erschweren die Situation zusätzlich.
Unternehmer und Führungskräfte identifizieren insbesondere drei Bereiche, die vorrangig angegangen werden müssen: An erster Stelle die digitale Transformation, die 36 Prozent betonen, dicht gefolgt von der Notwendigkeit einer nachhaltigen Transformation und der Verbesserung der Cybersicherheit, beide mit einer Gewichtung von 28 Prozent. Darüber hinaus ist die Regelung der Unternehmensnachfolge ein drängendes Thema, das bis 2026 potenziell 190.000 deutsche Firmen betreffen könnte, wie das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn aufzeigt. Ein weiterwachsendes Problem ist die zunehmend schwierigere Finanzierung von Investitionen.
Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten wächst im Mittelstand die Verunsicherung und mehr als die Hälfte der Unternehmen sind skeptisch, was ihre Zukunftsfähigkeit angeht. Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, bringt es auf den Punkt: „Die Unternehmen blicken aktuell eher mit Skepsis auf ihre Geschäftsaussichten. Und obwohl der Kreditkanal weiter funktioniert, nehmen die Schwierigkeiten bei Kreditverhandlungen zu.“
Konjunkturausblick: Zwischen Sorge und Hoffnung
Doch wie ernst ist es wirklich? Die wirtschaftliche Lage für 2024 ist zwar noch unsicher, doch aktuelle Prognosen der KfW im Januar signalisieren keine Krise, wie sie in vergangenen Zeiten erlebt wurde. Ein Vergleich mit den tiefen Einbrüchen der Corona-Pandemie oder der Finanzkrise, als die Wirtschaft um bis zu 6 Prozent schrumpfte, erscheint Experten zufolge nicht angemessen. Jedoch führt die momentane Wirtschaftsschwäche, verstärkt durch eine weitverbreitete Unsicherheit, zu einer gedämpften Stimmungslage.
KfW- und Ifo-Experten erkennen dennoch positive Anzeichen: Sie prognostizieren, dass abnehmender Inflationsdruck und steigende Reallöhne die finanzielle Belastung der Verbraucher verringern könnten, was die Kaufkraft stärken und zu einem konsumgetriebenen Aufschwung beitragen würde – eine Entwicklung, die dem Mittelstand 2024 moderates Wachstum bringen könnte. Aktuelle Daten belegen bereits einen Aufwärtstrend in der Kaufkraft, was Grund zur Hoffnung gibt.
Insgesamt erweist sich der Mittelstand als robustes Konstrukt, das Krisenzeiten standhält. Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft sind nun gefordert, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Mittelstand nicht nur überlebt, sondern floriert. Die nächsten Monate werden aufzeigen, ob die erhoffte Erholung einsetzt und der Mittelstand seine Widerstandsfähigkeit erneut demonstrieren kann.