Aktuelle Zahlen untermauern die trübe Wirtschaftslage in Deutschland. Heute wurde unter anderem das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlicht. Das Ergebnis liegt mit 88 Punten weiter deutlich unter der neutralen 100-Punkte-Marke, die laut DIW einem durchschnittlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von etwa einem Drittel Prozent entspricht.
Institute revidieren laufend ihre Prognosen nach unten
Die 88 Punkte deuten maximal auf eine stagnierende Wirtschaftsleistung hin, in den kommenden Monaten könnte es auch zu bösen Überraschungen kommen. Es ist durchaus auffällig, wie häufig die großen Wirtschaftsforschungs-Institute in den letzten Monaten ihre Prognosen mitunter drastisch nach unten korrigieren mussten.
Die Gemeinschaftsdiagnose von fünf großen Instituten erwarten für das laufende Jahr nur noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent. Für 2025 wird ein im Vergleich fast schon fulminantes Wachstum von 1,2 bis 1,5 Prozent vorhergesagt. Woher die Institute diesen Optimismus hernehmen, ist etwas schleierhaft. Wahrscheinlich werden auch diese Prognosen bald nach unten revidiert. Einziger Hoffnungsschimmer sind momentan die Exporte, die zu Jahresanfang überraschend stark um 6,3 Prozent zum Vormonat anzogen. Die Gemeinschaftsdiagnose ist Basis für die Wachstumsprognose und damit die Steuerschätzung der Bundesregierung.
Industrie ist das große Sorgenkind
Trotz leicht verbesserter Geschäftserwartungen bleibt die Industriebranche aus Sicht des DIW das größte Sorgenkind der Wirtschaft. „Die Auftragslage ist nach wie vor angespannt und der Auftragsbestand ging in den vergangenen Monaten nahezu kontinuierlich zurück“, teilte das Institut am Donnerstag mit. Die Industrieproduktion ist im Januar um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken und befindet sich schon seit geraumer Zeit auf einem ähnlichen Niveau wie vor grob 15 Jahren. Am meisten belasten den Sektor die hohen Energiekosten und bürokratische Hürden.
„Nach wie vor dämpfen die hohen Zinsen, der stotternde Welthandel und die erst allmählich zurückkehrenden Kaufkraftgewinne der privaten Haushalte die deutsche Konjunktur“, heißt es vom DIW. Zwar zeichne sich eine leichte Aufhellung der Lage ab. Insbesondere im Dienstleistungssektor hätten sich die Umsatz- und Geschäftserwartungen laut aktueller Umfragen verbessert. Doch eine bessere Stimmung dürfte sich erst in den kommenden Quartalen bemerkbar machen.
Verwirrender Arbeitsmarkt
Unterdessen ist die Arbeitslosigkeit im Februar minimal von 6,1 Prozent auf 6,0 Prozent gesunken, wie die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag mitteilte. Im Vergleich zum März des Vorjahres gab es allerdings 176.000 mehr Arbeitslose. Mit dem Beginn des Frühjahrs sinkt die Arbeitslosen-Quote fast immer, weil Unternehmen nach dem Ende des Winters wieder mehr Arbeitskräfte suchen.
„Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung nehmen im März zwar ab, allerdings weniger als sonst in diesem Monat. Der sehnlich erwartete Frühjahrsaufschwung ist im März nur verhalten ausgefallen. „Die Richtung stimmt seit einer ganzen Weile nicht mehr“, sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles. „Die konjunkturelle Flaute macht sich also nach wie vor am Arbeitsmarkt bemerkbar“, kommentierte Nahles die Zahlen.
Die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sieht im Vergleich zum Vorjahr auch schlechter aus. 707.000 offene Stellen waren bei der Bundesagentur im März gemeldet, das sind 70.000 weniger als vor einem Jahr. „Mit der lahmenden Konjunktur hat auch die Fachkräfteknappheit etwas nachgelassen“, konstatiert Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW.
Das Ausmaß des Fachkräftemangels zeige sich an den Vakanzzeiten für offene Stellen, erläuterte die Expertin. Im Schnitt dauere es 170 Tage, bis eine bei den Jobcentern gemeldete offene Stelle besetzt werden könne - viermal so lange wie noch vor 20 Jahren. „Fachkräfte werden weiter händeringend gesucht, aber oftmals scheint ein Mismatch zwischen den Qualifikationsniveaus potenzieller Arbeitskräfte und den Anforderungen der offenen Stellen zu bestehen“, erklärt Deutsche-Bank-Analyst Marc Schattenberg die widersprüchliche Lage am Arbeitsmarkt.
Dass der Arbeitsmarkt kein einheitliches Bild abgibt, ist auch der Arbeitsagentur aufgefallen. Es gebe Firmen, die massiv Stellen abbauen - und zugleich welche, die dringend neue Mitarbeiter brauchen. Nahles wirbt jetzt für mehr berufliche Weiterbildung. Zum 1. April tritt die gesetzliche Regelung zum Qualifizierungsgeld in Kraft, das sich vor allem an Betriebe im Strukturwandel richtet. Ziel ist es, Beschäftigte besser zu qualifizieren und Fachkräfte zu sichern.
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McKinsey: Deutschland braucht Investitionsoffensive
Unterm Strich bleiben die Wachstumaussichten trübe. Wie könnte sich Deutschland aus dieser misslichen Lage befreien? Eine neue Studie von McKinsey gibt dazu eine simple Antwort: Mehr Investitionen.
Höhere (staatliche) Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur und industriellen Wandel könnten laut der Beratungsfirma einen neuen Produktivitätsschub auslösen. Das durchschnittliche Produktivitätswachstum habe sich in der letzten Dekade auf 0,8 Prozent halbiert. Deutschland habe das Potential für Produktivitätsfortschritte bei Dienstleistungen und im Einzelhandel kaum ausgeschöpft.
Ähnlich wie in anderen Industrieländern seien die Netto-Investitionen in Deutschland im internationalen Vergleich seit langem niedrig. Im Gegensatz zu anderen Industrieländern sei die Investitionsquote jedoch nicht erst nach der globalen Finanzkrise, sondern bereits in den frühen 2000ern auf unter zwei Prozent (aktuell 1,6 Prozent) des BIP eingebrochen. Trotz des teils starken Beschäftigungswachstums ist die Investitionstätigkeit seit mehr als 20 Jahren schwach.
„Wichtig ist es, da anzusetzen, wo der Schuh derzeit drückt: Bei der Investitionstätigkeit und der digitalen Transformation. Dabei gibt viele Ansatzpunkte, um Investitionen zu stimulieren, aber einer sticht besonders hervor: Eine starke Konjunktur und Nachfrage bringen Unternehmen am besten dazu, in Automatisierung und Kapazitätserweiterungen zu investieren. Das ist in den USA bereits sichtbar, Europa kann noch mehr tun“ sagt Co-Autor Jan Mischke. Zugleich müsse massiv in den industriellen Wandel investiert werden.