Finanzen

DAX-Allzeithoch - und kein Ende: Geht die Rekordjagd weiter?

Ein DAX-Allzeithoch nach dem anderen - der deutsche Leitindex kennt schon seit Wochen kein Halten mehr. Auch in dieser kurzen Handelswoche stehen die Zeichen gut, dass sich die Rekordjagd an der Frankfurter Börse fortsetzt. Trotz der schwachen Wirtschaftslage in Deutschland gibt es weiterhin einen wichtigen Grund, der die Hoffnung der Anleger beflügelt.
02.04.2024 07:02
Aktualisiert: 02.04.2024 07:02
Lesezeit: 3 min

Die Aussicht auf wohl schon bald wieder niedrigere Leitzinsen der Europäischen Zentralbank treibt den Leitindex DAX von einem Rekord zum nächsten. Die Hoffnung ist groß, dass günstigere Kredite letztlich die Wirtschaft und den Konsum beleben. Jens Ehrhardt vom Vermögensverwalter DJE Kapital zeigt sich überzeugt: „Der erwartete Beginn von Zinssenkungen gibt zweifellos eine gute Perspektive für dieses Jahr.“ Gleichwohl mahnen Experten auch zur Vorsicht. Unternehmen müssten den Vorschusslorbeer der Börse erst noch rechtfertigen, zumal die deutsche Wirtschaft immer noch lahmt.

Bis Ende März war der Frankfurter Börsenindex auf über 18.500 Punkte gestiegen: Das aktuelle DAX-Allzeithoch liegt bei 18.513,83 Punkten - aufgestellt am 28. März. Allein im ersten Quartal dieses Jahres steht ein sattes Plus von rund zehn Prozent zu Buche. Das ist im Grunde mehr, als sich viele Anleger, die mit Fonds breit gestreut am Aktienmarkt investieren, als Durchschnittsrendite für ein Jahr erhoffen.

Anleger hoffen auf Zinssenkung

Die Europäische Zentralbank scheint auf eine erste Lockerung im Juni zuzusteuern. Außerhalb der Eurozone bietet sich ein ähnliches Bild: Für die US-Notenbank wird gegenwärtig eine erste Zinsreduzierung zur Jahresmitte erwartet. Auch andere größere Zentralbanken wie die Bank of England dürften bald den Abstieg vom Zinsplateau wagen. Die Schweizer Notenbank SNB ist schon vorgeprescht, sie hat ihren Leitzins bereits in der vergangenen Woche reduziert.

Die zuletzt stark gesunkene Inflation erlaubt den Währungshütern, die geldpolitischen Zügel zu lockern. Insofern verwundert es nicht, dass sich die Börsen in den USA und in Europa in immer neue Höhen aufschwingen. Schließlich werden mit sinkenden Zinsen Aktien gegenüber festverzinslichen Wertpapieren wie Anleihen attraktiver.

Warnung vor hohen Lohnkosten

Aber die mahnenden Stimmen werden lauter. So wird befürchtet, dass die jüngsten Kursanstiege der wirtschaftlichen Realität zu weit vorausgeeilt sind. Die US-Bank JPMorgan etwa sieht die Rally an den Aktienmärkten nur in geringem Maße durch die Gewinnentwicklung der Unternehmen untermauert. Die Zentralbanken dürften zwar in der zweiten Jahreshälfte einige Leitzinssenkungen vornehmen und so die Börsen stützen, bemerken die Experten um den Strategen Mislav Matejka. Aber „um die aktuellen Aktienbewertungen zu rechtfertigen, muss es auch zumindest gewisse Gewinnsteigerungen geben“.

Noch skeptischer ist Felix Hüfner, Chefvolkswirt für Deutschland und Europaökonom bei der UBS Investment Bank. Er rechnet damit, dass der breit gestreute europäische Aktienindex Stoxx Europe 600 zum Ende des Jahres hin etwa zehn Prozent an Wert verlieren könnte.

Zwar sei die Inflation inzwischen deutlich zurückgegangen, doch der Lohndruck sei in dem gemeinsamen Währungsraum immer noch relativ hoch, so der Experte. „Die Löhne sind für die Unternehmen der Eurozone ein wichtiger Kostenfaktor.“ Bei gleichzeitig nur moderater Nachfrage könnte das die Gewinnmargen belasten.

In Deutschland herrscht Hüfner zufolge vor allem Unsicherheit darüber, inwieweit sich das Tariflohnwachstum von zuletzt rund 4,5 Prozent abschwächt. Zwar gebe es wegen der stark gesunken Teuerung weniger Gründe für ein weiterhin hohes Lohnwachstum. Andererseits sei der Arbeitsmarkt weiter eng und es gebe kaum Kurzarbeit. Daher „sind die Arbeitskräfte auch wegen des aktuellen Fachkräftemangels in einer guten Verhandlungsposition“.

Konjunktur und Börse driften auseinander

Hierzulande ist die Abweichung zwischen der Rekordjagd am Aktienmarkt und der aktuellen Wirtschaftslage besonders frappierend. So kommt die deutsche Konjunktur im internationalen Vergleich nur langsam wieder in Schwung. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute schraubten ihre Wachstumserwartungen zuletzt deutlich herunter. Sie erwarten für dieses Jahr nur noch ein Wachstum um 0,1 Prozent.

Doch die Diskrepanz zwischen Wirtschaftsdaten und Indexentwicklung habe gute Gründe, sagt Benjardin Gärtner, Leiter Aktien bei der Fondsgesellschaft Union Investment: „Den Ton im deutschen Leitindex geben in der aktuellen Hausse nur wenige Konzerne an.“

Dazu zählten der Walldorfer Softwarekonzern SAP sowie die beiden anderen Indexschwergewichte Siemens und Airbus. SAP etwa verfolge den Weg in Richtung Cloud sehr überzeugt sowie überzeugend und der Industriekonzern Siemens stelle für viele Fragen der Zeit Lösungen bereit. Von deutlichen Kursgewinnen in der Breite hingegen sei eher wenig zu sehen.

Mit der Transformation der Wirtschaft hin zu klimaneutraler Produktion, dem Reformstau in Deutschland und der Energiekrise gibt es Gärtner zufolge eine Reihe von Herausforderungen, denen sich die deutschen Unternehmen stellen müssten.

Die 40 im DAX notierten Konzerne seien dabei unterschiedlich weit in der Bewältigung ihrer Hausaufgaben. Der Experte resümiert: „Dass der deutsche Leitindex einen starken Jahresauftakt hatte, bedeutet nicht, dass die Probleme überwunden sind. Aber es zeigt, dass es auch in kritischen Phasen Gewinner gibt - nicht nur, aber auch im DAX.“ (DAX)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Finanzen
Finanzen Frankreichs Schulden bedrohen Europa: Kommt jetzt die Eurokrise zurück?
23.11.2025

Steigende Zinsen, explodierende Schulden, nervöse Märkte: Europa erlebt ein gefährliches Déjà-vu. Immer mehr Experten warnen vor einer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 645 Millionen Euro Verlust: Cannabis-Betrug und Geldwäsche-Netzwerk erschüttern Europa
23.11.2025

Europa ist von einem der größten Cannabis-Investmentbetrugsfälle der letzten Jahre erschüttert worden, der Anleger in mehreren Ländern...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Friedensplan: Welche Aktien vom Ende des Ukraine-Krieges profitieren könnten – und welche nicht
23.11.2025

Frieden bedeutet nicht nur geopolitische Stabilität, es zieht auch ein gigantisches Investitionsprogramm nach sich. Wer auf die richtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritische Rohstoffe: Ein Fund in Grönland sorgt für Streit
23.11.2025

In einer abgelegenen Mine in Westgrönland wurden gleich mehrere kritische Rohstoffe entdeckt, die für Mikrochipproduktion, Rüstung und...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-Aktien im Aufschwung: Welche Chancen Anleger jetzt nutzen können
23.11.2025

Die Kapitalmärkte befinden sich im Umbruch, Investoren suchen verstärkt nach stabilen Alternativen. Europa gewinnt dabei durch Reformen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autoindustrie in der Krise: Warum die Lage dramatisch ist
23.11.2025

Europas Autohersteller stecken in existenziellen Nöten und Beobachter sprechen schon von einem drohenden Niedergang. Neben den Problemen...

DWN
Technologie
Technologie Experten warnen vor 2035: Plug-in-Hybride sind ein Weg ins Nichts
23.11.2025

Ein neuer französischer Bericht rüttelt an der europäischen Autoindustrie. Plug-in-Hybride gelten darin als teurer, klimaschädlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen NATO-Ostflanke: Drohnenhersteller Quantum Systems unterstützt die Bundeswehr-Brigade in Litauen
22.11.2025

Der deutsche Drohnenhersteller Quantum Systems expandiert nach Litauen und baut dort ein umfassendes Wartungs- und Logistikzentrum für...