In einem rechtlich-politischen Schritt hat Nicaragua Deutschland beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag verklagt. Der Vorwurf lautet mehreren Medienberichten zufolge Beihilfe zum Völkermord durch die Unterstützung Israels.
Diese internationale Klage hebt die Frage nach der Verantwortung von Staaten für die Handlungen ihrer Verbündeten hervor. Nicaragua führt die deutsche Unterstützung Israels, einschließlich der Waffenlieferungen, im Kontext des andauernden Gaza-Konflikts an, und betrachtet Deutschlands Rolle als Mittäterschaft an den von Israel im Gazastreifen durchgeführten Operationen, die es als Völkermord klassifiziert. Israel weist die Anschuldigungen zurück.
Ebenso widersprechen deutsche Regierungsvertreter der Ansicht Nicaraguas. „Deutschland verletzt weder die Völkermord-Konvention noch humanitäres Völkerrecht, weder direkt noch indirekt“, sagte die Beauftragte für Völkerrecht im Auswärtigen Amt, Tania von Uslar-Gleichen, am Montag vor Journalisten in Den Haag im Anschluss an die erste Anhörung zur Klage Nicaraguas vor dem IGH.
Israels Sicherheit als Deutschlands Staatsräson
Die Verhandlungen über die Klage gegen Deutschland sind bereits im Gange. Die deutschen Vertreter werden voraussichtlich am Dienstag an einer Anhörung teilnehmen. Aufgrund der Unterzeichnung der Völkermord-Konvention der Vereinten Nationen (UN) ist Deutschland dazu verpflichtet, Handlungen, die einen Völkermord zur Folge haben könnten, zu unterbinden.
Manche Beobachter betrachten das Gerichtsverfahren als Präzedenzfall: Die Klage gegen Deutschland könnte die juristische Interpretation internationaler Verantwortlichkeiten verändern und die Grenzen staatlicher Unterstützung könnten in Konfliktsituationen neu ausgelegt werden. Deutschland hält Israels Sicherheit und Selbstverteidigung für die eigene Staatsräson.
Das Verfahren stellt nicht nur eine juristische Herausforderung dar: Hier handelt es sich auch um das Beziehungsgeflecht zwischen Staaten und ihre Stellung im internationalen Recht mit Bezug auf ihre Partnerschaften.
Die USA wurden nicht verklagt
Nicaragua hat spezifisch Deutschland trotz Waffenlieferungen anderer Unterstützer Israels verklagt. Laut einer Analyse des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) ist derzeit Deutschland nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels.
Beide Länder lieferten bereits vor dem extremistischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 Waffen an Israel. Die deutsche Regierung hat im Jahr 2023 Rüstungsexporte im Wert von insgesamt 326,5 Millionen Euro nach Israel genehmigt. Die Lieferungen beinhalteten unter anderem 3.000 tragbare Panzerabwehrwaffen.
Diese aktuellen Zahlen zeigen eine Ausweitung der militärischen Unterstützung für Israel im Vergleich zum Jahr 2022.
Mögliche Folgen der IGH-Entscheidung
Eine mögliche Verurteilung oder rechtliche Notwendigkeit der Änderung der deutschen Exportpolitik könnte Auswirkungen auf die Wirtschaft, vor allem durch mögliche Exportbeschränkungen auf den Rüstungsexport haben.
Nicaraguas Ziel mit seiner Klage ist es, dass Deutschland seine Waffenlieferungen an Israel einstellt und Zahlungen an die UN-Hilfsorganisation UNRWA für den Gazastreifen wieder aufnimmt. In den kommenden Wochen wird sich nach der Entscheidung des Gerichts zeigen, was der IGH in diesem emotional aufgeladenen Fall bewirken kann.
Eine weitere Völkermordklage seitens der Republik Südafrika gegen Israel vor dem obersten UN-Gericht im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg hat 2023 zu keiner Verurteilung des jüdischen Staates geführt.
Zahlreiche Tote und Verletzte
Die aktuelle Klage Nicaraguas geht auf zahlreiche Todesfälle im Gazastreifen zurück. Nach dem Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober wurden nach Angaben der israelischen Behörden etwa 1.200 Menschen, darunter Israelis und Ausländer, getötet und mehr als 5.431 weitere verletzt. Die Mehrzahl von Toten bezieht sich auf die Ereignisse jenes Tages.