Bundeskanzler Olaf Scholz reist ab Samstag nach China. Der dreitägige Besuch ist strategisch bedeutend und zielt darauf ab, die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und China zu intensivieren. Dabei liegt der Fokus auf wirtschaftlicher Zusammenarbeit und der Bewältigung geopolitischer Spannungen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit zufolge plant Scholz, deutsche Innovationen in Chongqing und Shanghai zu erkunden sowie in Peking Gespräche mit Spitzenpolitikern zu führen. Darüber hinaus sind Besuche von Produktionsstätten für nachhaltige Technologien und die Teilnahme am Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsausschuss vorgesehen. Scholz wird von einer Wirtschaftsdelegation und drei Bundesministern begleitet.
Derzeit fühlen sich zwei Drittel der in China ansässigen deutschen Unternehmen laut einer Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Peking einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt. Deutsche Unternehmen in China sehen sich mit Wettbewerbsnachteilen und erschwerten Marktzugängen konfrontiert. Auch Rechtsunsicherheiten behindern die Geschäftstätigkeit und führen zu Verzögerungen sowie zusätzlichen Kosten.
„Die Erwartung ist natürlich, dass wir hoffen, dass Bundeskanzler Scholz die Herausforderungen, die wir hier haben, verständlich macht“, sagt Maximilian Butek von der Deutschen Handelskammer in Ostchina. Er betont die Notwendigkeit klärender Worte des Kanzlers im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten deutscher Firmen.
Scholz’ China-Reise: Wirtschaftsinteressen im Vordergrund
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China steht im Mittelpunkt von Scholz' Agenda bei seinem Besuch. Dabei geht es vor allem um die Erweiterung des Marktzugangs für deutsche Unternehmen, den Umweltschutz und die digitale Wirtschaft. Auch die Erkundung neuer Wachstumspotenziale in Zukunftsbereichen wie den erneuerbaren Energien gehört dazu.
Trotz politischer Spannungen zwischen demokratischen und autoritären Staaten sowie Schwierigkeiten in Schlüsselbranchen bleibt China ein wesentlicher Handelspartner für Deutschland. „China bleibt ein wichtiger Handelspartner für Deutschland“, betont das Bundeskanzleramt. Ziel sei es, Schwankungen im Handelsvolumen zu begegnen und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erkunden.
Chinas Bedeutung für deutsche Wirtschaft trotz Spannungen
Im Jahr 2023 war die Volksrepublik China zum achten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner. Waren im Wert von 253,1 Milliarden Euro wurden zwischen den beiden Ländern gehandelt, was einem Rückgang von 15,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die USA holten deutlich auf und lagen nur noch knapp hinter China als zweitwichtigster Handelspartner.
Derzeit kritisiert China die EU-Ermittlung gegen seine Windkraftunternehmen als protektionistisch und unfair. Die EU wirft chinesischen Herstellern vor, durch ausländische Subventionen in europäischen Windparks unlautere Vorteile zu erzielen. China warnt jedoch, dass solche Maßnahmen das Vertrauen seiner Unternehmen in europäische Investitionen und den globalen Kampf gegen den Klimawandel schädigen könnten.
Geopolitische Dimension der Beziehungen
Die Reise der deutschen Delegation findet vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Spannungen statt: Dazu gehören der Konflikt um Taiwan und Chinas Rolle im Ukraine-Krieg. Scholz steht vor der Herausforderung, eine diplomatische Balance zwischen der Förderung wirtschaftlicher Beziehungen und der Anerkennung politischer Realitäten zu finden.
Während seines Aufenthalts in China wird Scholz mit führenden Regierungsvertretern, einschließlich Präsident Xi Jinping und Premierminister Li Qiang, zusammenkommen. Diese Treffen unterstreichen die Bedeutung des Besuches für die bilateralen Beziehungen. „Wir erwarten, dass wieder mehr Vertrauen geschaffen wird zwischen den Regierungen“, sagt Maximilian Butek.
Die Neuausrichtung der deutschen Chinastrategie
Eine strategische Neuausrichtung der deutschen China-Politik wird zurzeit durch eine Risikominimierung angestrebt, ohne die wirtschaftlichen Bande zu kappen. Die neue Chinastrategie der Bundesregierung, verabschiedet im Juli 2023, betont, dass China für Deutschland sowohl ein Partner als auch ein wirtschaftlicher Wettbewerber und systemischer Rivale ist.
Die Bundesregierung bemüht sich vor diesem Hintergrund, die Abhängigkeit von China zu reduzieren, während gleichzeitig strategische Partnerschaften in kritischen Bereichen aufrechterhalten werden. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln gab bereits Ende 2023 bekannt, dass Firmen in Deutschland zu wenig unternehmen, um ihre einseitigen Abhängigkeiten von China zu reduzieren.
Die Reise von Bundeskanzler Scholz nach China findet in einem kritischen Moment in den deutsch-chinesischen Beziehungen statt. Während die wirtschaftliche Partnerschaft eine tragende Säule bleibt, demonstriert die Reise das Bestreben Deutschlands, auf globale Herausforderungen zu reagieren und eine ausgewogene Haltung zu geopolitischen Spannungen zu wahren.
Die zukünftige Gestaltung dieser Beziehung wird sich unter anderem aus den Ergebnissen der zweiten China-Reise von Scholz während seiner Amtszeit als Bundeskanzler ergeben.