Politik

Mehr Souveränität wagen: Wie Deutschland sich auf eine zweite Amtszeit Trumps vorbereiten sollte

In Umfragen liegt Donald Trump deutlich vor dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden. Wie sollte sich Deutschland auf eine zweite Amtszeit des umstrittenen Unternehmers vorbereiten?
21.04.2024 14:23
Lesezeit: 4 min

Etliche Gerichtsprozesse, in denen der 45. Präsident der USA, Donald Trump, belangt wurde, machten eine Wiederwahl des Unternehmers bis vor Kurzem unwahrscheinlich. Doch auch weil sein Kontrahent Joe Biden mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen hat, könnte Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt werden. In Europa gehen die Meinungen über eine Wiederwahl auseinander, manche Staatschefs sehnen sich gar nach dem erratischen Republikaner. Doch was würde eine erneute Amtszeit Trumps für Deutschlands Politik und Wirtschaft bedeuten?

IW-Studie: Zweite Amtszeit Trumps könnte Deutschland 150 Milliarden Euro kosten

Donald Trump versetzte seine politischen Widersacher mit jüngsten Äußerungen in schiere Panik: Blutbäder warteten auf sie, würde er nicht gewählt. Russland würde er ermuntern, säumige Mitglieder der NATO anzugreifen. Alles nur halb so wild, vermuten die anderen. Trump schlage durchaus harte Töne an, um sich Gehör zu verschaffen. Eigentlich, so der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, sei das Programm Trump´s nicht wesentlich radikaler als das des amtierenden Präsidenten Joe Biden. Nur dürfte der Rückzug der USA aus Europa schneller und unberechenbarer vonstattengehen, als bisher.

So schätzt Laura von Daniels, Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, Trump könnte den Artikel 5 der NATO als Hebel einsetzen, um Druck auf die Mitgliedsstaaten auszuüben. Dabei könnten auch Handelskonflikte Gegenstand sein, etwa, wenn Donald Trump bestimmten Ländern Handelsembargos aufzwingen oder gegen diese protestieren wolle. Auch der willkürliche Stopp von LNG-Lieferungen nach Europa könne als Druckmittel verwendet werden.

So heißt es in einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), die Wiederwahl Trump´s könnte die deutsche Wirtschaft bis zu 150 Milliarden Euro kosten. Ursache dafür wären die von Trump angekündigten Zollerhöhungen, die insbesondere Europas große Volkswirtschaften treffen würden. So heißt es beim IW: „Dahinter steht vor allem, dass der Zollschock auch den Welthandel dämpfen würde und dass hierzulande neben den Exporten auch die privaten Investitionen sinken würden.“

Die Bundesrepublik als handelsoffene und exportorientierte Volkswirtschaft sei speziell von diesen Zollerhöhungen und dem daraus resultierenden Vertrauensschock betroffen. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Europa noch während der Präsidentschaft Bidens Freihandelsabkommen über Stahl und andere kritische Rohstoffe schließen müsste, um eine beständige Grundlage zu schaffen.

Doch auch, wenn die Biden Administration solche Zollerhöhungen derzeit noch für die EU aussetzt, hat sie den protektionistischen Kurs der Vorgängerregierung unter Trump beibehalten. Es ist nur äußerst unwahrscheinlich, dass Deutschlands Wirtschaft den Inflation Reduction Act (IRA) schadlos übersteht, und auch unter Biden musste sie bereits willkürliche Lieferstopps des teuren LNG aus den USA befürchten. So verwundert es nicht, dass viele EU-Staatsschefs Trump II nicht fürchten, sondern als Verbesserung zur heutigen Lage begreifen.

Europa und Trump: eine Chance für mehr Frieden und Autonomie?

Unverhohlen bekunden Politiker wie Viktor Orbán ihre Sympathie für Donald Trump. Einige Staatschefs wittern offenbar schon jetzt ihre Chance, im Falle eines Wahlsiegs Trump´s bilaterale Handelsbeziehungen mit den USA aufbauen zu können, um ihre eigene Position zu stärken. Hier könnte Trump´s Administration die Staaten gegeneinander ausspielen, was letztlich zu einer Schwächung Europas führen und Deutschlands Stellung als Hegemon der EU diskreditieren würde.

Die Notwendigkeit, dass Europas Staaten näher zusammenrücken würden, käme es zu einer Entfremdung mit den USA, darf indes als Chance begriffen werden. Emmanuel Macrons Forderung nach einem souveränen Europa könnte endlich den nötigen Auftrieb mit Trump bekommen, der die Alte Welt nicht als Protektorat, sondern als Konkurrent betrachtet, mit dem man Deals schließen kann. Mit seinen harschen Forderungen nach mehr Ausgaben für Verteidigung ist schon der Grundstein gelegt, um die Stärkung der permanenten strukturierten Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten (PESCO) voranzutreiben.

Des Weiteren sollte die deutsche Politik weniger auf Grabenkämpfe mit anderen Mitgliedstaaten der EU verharren, sondern versuchen, eine gemeinsame europäische Basis zu finden. Wird weniger mit Paris über Atomkraft oder mit Budapest über Migration gestritten, bleiben mehr Gelegenheiten zum Entwickeln einer gemeinsamen europäischen Stellung. Nur in einem geschlossenen Bund kann die EU sich als ernstzunehmender Partner und Konkurrent der USA inszenieren, um so über Zusammenarbeit und Handelsbeziehungen zu diskutieren. Im Sinne Frankreichs neuer nationaler Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie könnte Europa zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten zu der souveränen Friedensmacht heranwachsen, die von Paris, Berlin, Warschau und anderen Hauptstädten des Wirtschaftsraums schon so lange angestrebt, bislang aber nie realisiert wurde.

BRD in der Krise: Das Ende des Sozialstaates, wie wir ihn kennen?

Doch so vielversprechend die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Basis ist, umso dringlicher ist es, den Herausforderungen der neuen Zeit entgegenzublicken. Trump und Biden werden dieselben Entwicklungen in Europa bewirken, ersterer wird sie nur schneller und konsequenter vorantreiben als sein manchmal zögerlich erscheinender Kontrahent. Zu den markantesten Folgen für Deutschland gehört, dass der Sozialstaat zugunsten der Verteidigungsausgaben abgebaut werden wird.

So sagt Friedrich Merz etwa, die Deutschen könnten sich „das sogenannte Bürgergeld in einer Zeit wie dieser nicht mehr leisten“, und verweist darauf, dass der starke Sozialstaat Deutschlands nur deswegen bestehen konnte, weil die USA die Verteidigung der Bundesrepublik garantiert hatten. Das sei nun anders.

Trump II und deutsche Unternehmen

So sind auch deutsche Unternehmer gefragt, ihre Firmenstrategie zu ändern. Einerseits gilt es, sich nicht mehr auf einen konstanten Zufluss von Migranten nach Deutschland zu verlassen, da ohnehin wenige Fachkräfte in das Land einwandern und der Abbau des Sozialstaates auch die reguläre Einwanderung eindämmen dürfte. So muss mehr um Talente geworben werden, die wiederum in den Firmen gehalten und konstant in neuen Feldern wie KI weitergebildet werden müssen.

Lieferketten werden indes nicht nur aus China abgezogen, sondern dürften auch von den USA in die EU zurückgeholt werden. Denn Reshore statt Offshore heißt heute die Devise, und die Deutschen täten gut daran, sich dabei ein Beispiel an den Amerikanern zu nehmen. Die Lockversuche aus den USA hingegen sind für viele Unternehmen ein Grund, in Deutschland die Zelte abzureissen. Hier ist wieder die Deutsche Politik gefragt, wie sie ihre eigenen Unternehmer besser für ihre Heimat begeistern und eine Abwanderung verhindern kann. Ein sinnvolles Vehikel dazu wären günstigere Energiekosten, die sich etwa mit Atomkraft erreichen ließen.

Die geschwächte Großmacht USA wird sich in jedem Fall zurückziehen und lenkt ihr Augenmerk schon heute auf Konfliktherde in Israel und Taiwan. So will Trump den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden beenden, während Bidens Unterstützung für die Ukraine mehr als dürftig ausfällt. Fakt ist, dass mit einem Amtsantritt Trump´s die europäischen Staaten und Unternehmen umorientieren müssen. Die multipolare Weltordnung wird mehr Zusammenarbeit der Europäer untereinander verlangen, sowohl in wirtschaftlicher, als auch in militärischer Hinsicht.

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                                                                            ***

Virgil Zólyom, Jahrgang 1992, lebt in Meißen und arbeitet dort als freier Autor. Sein besonderes Interesse gilt geopolitischen Entwicklungen in Europa und Russland. Aber auch alltagsnahe Themen wie Existenzgründung, Sport und Weinbau fließen in seine Arbeit ein.

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