Politik

FDP verlangt Wirtschaftswende: SPD und Grüne entspannt, Handwerk begeistert

FDP-Chef Christian Lindner hat am Wochenende ein Papier seiner Partei mit Forderungen zur Verbesserung der Wirtschaftslage vorgelegt. Die Reaktionen oszillierten erst einmal zwischen Protest und Zustimmung. Erst zeigt sich die SPD aufgebracht, dann herrschte doch eher Gelassenheit bei den Koalitionspartnern
22.04.2024 09:17
Aktualisiert: 22.04.2024 09:17
Lesezeit: 3 min
FDP verlangt Wirtschaftswende: SPD und Grüne entspannt, Handwerk begeistert
Nach Diktat verreist: Finanzminister Christian Lindner (FDP) steigt in einen Airbus A350 der Bundeswehr, um mit Bundespräsident Steinmeier nach Istanbul zu fliegen. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Die FDP hat mit ihren Vorschlägen zur Wirtschaftsbelebung durch Steuerentlastungen und Verschärfungen bei Sozialleistungen zwar die SPD gegen sich aufgebracht - der große Koalitionskrach ist zunächst aber ausgeblieben. Der Koalitionspartner von den Grünen hielt sich am Montag mit Kritik an den Forderungen der FDP nach härteren Regeln für Bürgergeld-Empfänger und einer Nullrunde beim Bürgergeld zurück. Sowohl FDP als auch Grüne verwiesen darauf, dass unterschiedliche Parteien in einer Koalition auch unterschiedliche Ansichten haben könnten. Ein schnelles Ampel-Ende, wie von anderen Parteien herbeigesehnt, deutete sich erst einmal nicht an.

Scheidungsurkunde für die Ampel?

Vor einem am Wochenende anstehenden Bundesparteitag beschloss das FDP-Präsidium am Montag einen Zwölf-Punkte-Plan «zur Beschleunigung der Wirtschaftswende». Ein Entwurf war schon am Wochenende bekannt geworden und hatte Verstimmungen bei der SPD ausgelöst. Sofort wurden wieder Spekulationen laut, ob die Ampel wegen der teils völlig unterschiedlichen Positionen von SPD, Grünen und FDP noch durchhält. CSU-Chef Markus Söder sprach in der von einer „Scheidungsurkunde für die Ampel".

Klassische FDP-Themen neu verpackt

Beim genauen Blick auf das FDP-Papier wird deutlich: Ganz neu ist das alles nicht. Die Partei bekräftigt darin einige ihrer klassischen Positionen: Steuerentlastungen, Bürokratieabbau und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Im Sozialbereich tritt die FDP auf die Bremse und fordert: keine neuen Sozialleistungen, eine Nullrunde beim Bürgergeld nach der starken Erhöhung in diesem Jahr, schärfere Regeln für Menschen, die keinen Job annehmen und ein Ende der sogenannten Rente mit 63. Die FDP spricht sich außerdem dafür aus, die Förderung erneuerbarer Energien schnellstmöglich zu beenden.

Grüne gelassen, SPD genervt

Der letzte Punkt müsste eigentlich die Grünen auf die Palme bringen. Doch deren Parteispitze reagierte am Montag betont gelassen. „Wir haben in diesen Fragen bekanntermaßen unterschiedliche Auffassungen. Das ist alles bekannt", sagte Parteichef Omid Nouripour in Berlin. Der Koalitionsvertrag gelte. Die Koalition habe viel miteinander hinbekommen, und es gebe noch einiges zu tun.

Nicht ganz so gelassen zeigte sich die SPD. Fraktionschef Rolf Mützenich hatte die FDP-Forderungen bereits als „ein Überbleibsel aus der Mottenkiste und nicht auf der Höhe der Zeit" bezeichnet. Am Montag nannte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Vorschläge für Verschärfungen beim Bürgergeld „Unsinn". Der Abbau von Arbeitnehmerrechten oder das Kürzen von Renten habe „mit Wirtschaftskompetenz wenig zu tun". Er halte die Vorschläge „eher für Parteitagsfolklore der FDP, denn das wird ja nicht Wirklichkeit werden in der Regierungskoalition".

Eine Koalition, keine Fusion

Die Freien Demokraten treffen sich am Wochenende zu einem Bundesparteitag. Dort sollen die Positionen aus dem am Montag beschlossenen Wirtschaftspapier ausführlicher in einem Leitantrag behandelt werden, wie Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ankündigte. Er machte deutlich, dass man zwar mit SPD und Grünen regiere, aber das sei eine Koalition, keine Fusion, und der Parteitag am Wochenende sei keiner der Ampel: „Das ist ein Parteitag der FDP." Dass dort über die wirtschaftliche Situation diskutiert werde und anschließend Schlussfolgerungen gezogen würden, liege in der Natur der Sache. An die Koalitionspartner gerichtet sagte er: Eine Wirtschaftswende sei notwendig. Wer ökologische Transformation wolle und funktionierende Sozialsysteme, brauche eine wirtschaftliche Basis.

Umsetzung offen

Offen bleibt, was die FDP von ihren Plänen in dieser Regierung umsetzen kann. Man werde das etwa im Koalitionsausschuss besprechen, sagte Djir-Sarai. Konkret werden dürfte es bei den anstehenden Haushaltsberatungen, wo es darum geht, wofür der Staat im kommenden Jahr und in den nächsten Jahren sein Geld ausgeben wird. Die dürften mindestens so schwierig werden wie im vergangenen Jahr. Gemeinsam Politik zu machen, wird für alle drei Ampel-Parteien zunehmend schwieriger, da der Druck, das eigene Profil zu schärfen mit den näher rückenden Europa- und Landtagswahlen in diesem und der Bundestagswahl im kommenden Jahr zunimmt. Die FDP steht mit Umfragewerten im Bund zwischen vier und fünf Prozent besonders unter Druck.

Opposition sieht Ampel erneut am Ende

Die Opposition sieht die Ampel einmal mehr bereits am Ende. Die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht äußerte sich ähnlich wie CSU-Chef Söder und sagte: „Die Scheidungspapiere der Ampel sind längst unterzeichnet. Aber für ein Trennungsjahr bis Ende 2025 hat das Land keine Zeit." AfD-Chefin Alice Weidel sagte, wenn es der FDP tatsächlich um eine Wirtschaftswende ginge, müsste sie die Koalition aufkündigen und den Weg freimachen für eine Neuwahl. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte die FDP bereits aufgefordert, „sich ehrlich zu machen". Entweder steige sie aus der Ampel aus – oder setze wichtige Maßnahmen um. Die Linke nannte das Papier der FDP „schäbig": Die FDP sei die Partei der sozialen Kälte, der Arbeitgeber und Finanzlobby, sagte Parteichefin Janine Wissler in Berlin und sprach von einem „Dokument der sozialen Grausamkeit".

Handwerkspräsident Jörg Dittrich indessen sieht akuten wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf in Deutschland. Dittrich sagte: „Der Impuls, den die Freien Demokraten jetzt gesetzt haben, bringt hoffentlich eine konstruktive Debatte ins Laufen." So, wie es derzeit laufe, dürfe es nicht bleiben. „Der Standort muss massiv gestärkt werden. Deutschland kann mehr und muss sich bewegen. Unsere Betriebe und Beschäftigten erwarten, dass die Bundesregierung entschlossener gegen die viel zu hohe Bürokratie, die hohe Steuern- und Abgabenlast und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit vorgeht."

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