Wirtschaft

Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in den Ausbau militärischer Kapazitäten. Dieser Zustand dürfte über Jahre anhalten, das stützt die Rüstungsindustrie - und verschärft Engpässe im Metallsektor.
01.05.2024 17:55
Lesezeit: 4 min
Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
Stahlbramme wird verladen (Foto: iStock.com, mbz-photodesign). Foto: mbz-photodesign

Die Auswirkungen signifikanter militärischer Konflikte reichen weit über das vordergründig Offensichtliche hinaus, und vor allem die wirtschaftlichen Effekte haben viel mit den damit einhergehenden Entwicklungen an den Rohstoffmärkten zu tun. Geldentwertung und Schuldenwachstum zählen zu den Nebenwirkungen von Kriegen, ebenso allgemeine Unsicherheiten auf Grund der instabilen Lage. Je mehr eine betroffene Region einen bestimmten Rohstoffsektor dominiert, desto deutlicher sind die Auswirkungen des Konflikts zu spüren.

Dies zeigte sich sehr deutlich an den enormen Marktverwerfungen mit Beginn des Ukrainekrieges, welche vor allem den Energie- aber auch den Agrarsektor betrafen. Derzeit erhält die nach wie vor unberechenbare Situation im Nahen Osten dem Ölmarkt die Risikoprämie, Edelmetalle profitieren weiterhin von der Suche nach Sicherheit. Für Staaten und Bürger erschweren die kriegsbedingten Effekte auf den Sektor die wirtschaftliche Situation erheblich, für andere, wie die Schweizer Rohstoffhandelszene, sind sie ein regelrechter Glücksfall.

„Gold gab ich für Eisen“

Umfassende und lange Kriege verursachen stets Rohstoffknappheit. Kriegsgerät, wie Waffen, Munition und Ausrüstung, enthalten neben Eisen auch viele Buntmetalle, wie Kupfer, Zink, Messing und Zinn, sowie heutzutage auch eine Vielzahl der Vertreter aus der Gattung der Seltenen Erden. Während des Ersten Weltkriegs beispielsweise wurden in Deutschland und Österreich Metalle gesammelt. So gaben die Bürger, zunächst auf freiwilliger Basis, Edelmetalle oder ihre Zinnbecher. Später folgten Kirchenglocken und Orgelpfeifen. Kohlemangel löste eine Energiekrise aus, ab 1917 konnte der Energiebedarf der rohstofferzeugenden Industrien selbst nicht mehr gedeckt werden.

Hermann Görings Vierjahresplan sollte Deutschlands Rohstoffabhängigkeit während des Zweiten Weltkriegs reduzieren und stützte sich im Wesentlichen auf die Erschließung alternativer Rohstoffquellen, der Entwicklung von Ersatzstoffen und Rationierungen. Mit fortschreitender Dauer und Intensität des Krieges waren diese Maßnahmen jedoch zum Scheitern verurteilt. In der Wirtschaftsproblematik Deutschlands gegen dessen Ende hin spielte auch die herrschende Rohstoffknappheit eine entscheidende Rolle.

Schwierigkeiten zeigen sich also besonders in solchen Ländern, die Rohstoffe importieren müssen, aufgrund von abgebrochenen Handelsbeziehungen und gestörten Lieferketten. Das Muster aus den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts zeigt sich auch in jüngster Zeit. Der russische Einmarsch in die Ukraine sorgte eben für genau diese Auswirkungen auf Lieferketten und Handelsbeziehungen. Betroffen waren insbesondere der Agrar- und Energiesektor. Kohle substituiert seitdem weitgehend die ausbleibenden Erdgaslieferungen des ehemaligen Hauptlieferanten Russland.

Nachfrageboom aus der Rüstungsindustrie

Die enormen Mittel, die derzeit für Aufrüstung bereitgestellt werden, dürften zu einem erheblichen Teil ihren Weg in die Rohstoffmärkte finden. Und wenn bereits das jüngste westliche Nothilfepaket in Höhe von 95 Milliarden Dollar oder das deutsche Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro gewaltig erscheinen, so ist dies ja nur eine Seite der Medaille. Inwieweit die diesbezüglichen Anstrengungen in Russland, China oder Iran erhöht werden, wissen wir nicht, sie dürften jedoch ebenso beachtlich sein.

Die Rüstungsindustrie wird insbesondere für den Metallsektor bis auf Weiteres eine solide Stütze sein, insbesondere in Europa. So explodiert die Zahl der Vertragsabschlüsse bei den Industrievertretern Rheinmetall, British Aerospace oder Kongsberg geradezu, da die europäischen Länder sowohl Material als auch Munition vollumfänglich erneuern müssen, nachdem der Verteidigungssektor in den vergangenen Jahren auf ein absolutes Minimum heruntergefahren wurde. In einigen Fällen verzehnfachen sich die Aufträge im Vergleich zum Vorjahr.

Allein für die Produktion von Artilleriemunition steht bei Rheinmetall ein deutscher Auftrag über 2,2 Millionen Schuss im Raum. Das entspricht einem Gegenwert von gut neun Milliarden Euro. Damit wäre die Produktionsstätte im niedersächsischen Unterlüß für etwa zehn Jahre ausgelastet. Hinzu kommt diverse weitere Munition für Panzer und Raketen. Diese Kapazitäten werden in den kommenden Jahren für volle Auftragsbücher sorgen, da praktisch alle europäischen Länder ihre Lagerbestände auffüllen müssen. Neben Munition brummt auch die Fahrzeugproduktion. Allein für die Herstellung von Logistikfahrzeugen liegt die jährliche Kapazität von Rheinmetall bei 4.500 Fahrzeugen. Panzer, Flugabwehrsysteme, Flugzeugteile und digitale Ausrüstung kommen noch hinzu. All dies benötigt Metall, neben Stahl sind jedoch besonders die Mineralien von Bedeutung, die für Hochtechnologie erforderlich sind.

Metallsektor im Fokus

Im Zuge der weiter zunehmenden Elektrifizierung der Welt hat sich der Stellenwert von Metallen bereits stark erhöht. Angesichts der von den USA über Europa bis China rasant vorangetriebenen Dekarbonisierungsbemühungen wurden die für diesen Wandel dringend benötigten Mineralien zum Lichtblick der Bergbauindustrie, die Nachfrage nach Metallen, wie Kupfer, Zinn oder dem Seltene-Erden-Komplex explodierte zwischenzeitlich geradezu und trieb die Preise in teilweise astronomische Höhen. Nicht wenige von ihnen befinden sich bereits in einem spürbaren Angebotsdefizit oder drohen allein aufgrund dieser Entwicklung in Kürze in ein solches zu geraten. Konsens unter Branchenkennern ist, dass das stetig rückläufige Angebot zum Ende der Dekade sektorweit zu deutlichen Preisanstiegen führen wird, da die Produktionskapazitäten bis dahin nicht in ausreichendem Maße ausgebaut werden können.

Zu dieser ohnehin schon dramatischen Entwicklung kommt nun die Nachfrage aus der Rüstungsindustrie hinzu, nun geht es nicht mehr bloß um hehre Klimaziele, sondern um die Gewährleistung militärischer Sicherheit. Dabei spielt der Rohstoff „Eisen“ tatsächlich die geringste Rolle, ist Eisen doch das vierthäufigste Element in der Erdhülle. Neben Mineralien, wie Zink, Zinn, Nickel, Platin oder Kupfer ist der Komplex der sogenannten Seltenen Erden am stärksten betroffen. Dessen Vertreter finden sich in vielen militärischen Waffensystemen, beispielsweise in Lenkwaffen, Satelliten- und Tarnkappentechnologien sowie in Drohnen und modernen Kommunikationssystemen. Sie sind für die Funktionalität moderner und zunehmend vernetzter Streitkräfte von strategischer Bedeutung, weshalb eine wachsende Zahl von Ländern die Sicherung des Zugangs zu diesen Elementen auch als wesentlich für die künftige militärische Stabilität betrachtet.

Bedenklich ist, dass gerade diese Metalle, die hinsichtlich ihrer Versorgungslage ohnehin als kritisch gelten, fast komplett aus China importiert werden müssen. Bei nahezu allen anderen verfügt das Land ebenfalls über eine mächtige Stellung. Angesichts dessen, dass sich China in den derzeitigen Konflikten klar anti-westlich positioniert, ist dieser Umstand besonders problematisch.

Die große Frage ist, wie es auch der hiesigen Politik gelingen wird, die Anforderungen aus der Abkehr von fossilen Energieträgern und dem gleichzeitigen massiven Ausbau des Militärapparates unter einen Hut zu bekommen. Schließlich benötigt beides die gleichen knappen Ressourcen.

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Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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