ETFs sind vor allem beliebt bei langfristigen Anlegern - ob institutionell oder privat. Wo sonst darf man Renditen von durchschnittlich 7 bis 8 Prozent im Jahr bei gleichzeitig niedrigen Kosten und großer Transparenz erwarten? Der überaus positive Trend brachte aber auch Kritiker mit sich. Skeptiker der ETFs fürchten mittlerweile gar eine Blase in passiven börsengehandelten Indexfonds, die demnächst platzen könnte. Was hat es damit auf sich und wie wahrscheinlich ist ein solches Ereignis?
Blasen an den Finanzmärkten – was steckt dahinter?
Der Finanzkrise 2008 ging das Platzen einer Immobilien-Blase voraus. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff „Blase“ eigentlich? Eine kurze Definition.
Von einer Blase wird immer dann gesprochen, wenn sich der Preis eines Gutes deutlich von dessen objektiven Wert entfernt. Anders ausgedrückt wird für das Gut wesentlich mehr bezahlt, ohne dass rationale Gründe dies rechtfertigen würden. Für die Entstehung von Blasen ist meist das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Faktoren ursächlich. Am besten kann das Phänomen einer Blase anhand eines fiktiven Beispiels veranschaulicht werden.
Ein seltenes Edelmetall soll der nächste große Geldbringer werden. Das zumindest spricht sich in Windeseile herum. Natürlich möchte man davon auch profitieren und entschließt sich, mit einer gewissen Summe in das Edelmetall zu investieren. Da viele andere dasselbe Vorgehen wählen und das Angebot des Edelmetalls konstant bleibt, beginnen die Preise schon bald darauf deutlich nach oben zu klettern.
Es dauert nicht lange, bis der Preis des Edelmetalls ein schwindelerregendes Niveau erreicht hat. Mittlerweile würde man selbst nicht mehr einsteigen, zu sehr scheinen sich Preis und Wert voneinander entfernt zu haben. Den Mitstreitern ergeht es ähnlich. Um die angesammelten Buchgewinne zu realisieren, bevor die Stimmung dreht, setzen sukzessive die ersten Verkäufe ein. Diese entwickeln schon bald eine Eigendynamik und weiten sich schließlich derart aus, dass die Preise rapide fallen. Damit ist die aufgestaute Blase geplatzt.
Aus diesem Beispiel sollte hervorgehen, dass Blasen an Finanzmärkten oft auf überzogenen Erwartungen aufbauen, die irgendwann nicht mehr erfüllt werden können. Auch Emotionen wie Gier und Angst spielen eine Rolle. Die Verhaltensökonomie, die sich der Angelegenheit aus wissenschaftlicher Perspektive annimmt, liefert weitere und umfassendere Erklärungsansätze.
Wie wahrscheinlich ist eine ETF-Blase?
Eingangs wurde bereits auf die stetig zunehmende Beliebtheit der passiven Indexfonds hingewiesen. Dass sie sich immer häufiger in den Portfolios wiederfinden, dürfte zum Teil auch an den Ratschlägen von Finanzexperten und Verbraucherschützern liegen, die ETFs gerne als solide Geldanlage mit einem ausgewogenen Chancen-Risiko-Mix empfehlen. Genau diese Popularität könnte in den Augen manchen Skeptikers dazu geführt haben, dass mittlerweile zu viele Anleger in ETFs investiert sind und das wiederum eine Blase begünstigt. Aber stimmt das tatsächlich? Vier häufige Argumente auf dem Prüfstand.
1. ETFs haben eine zu große Marktmacht erlangt
Seit vielen Jahren verzeichnen passive Indexfonds steigende Kapitalzuflüsse. Dadurch hätten sie inzwischen zu viel Gewicht an den Märkten, lautet häufig eine Behauptung der Kritiker. Außerdem käme es mitunter zu Preisverzerrungen bei einigen Aktien. Dies erkläre sich damit, dass Unternehmen automatisch häufiger gekauft würden, wenn sie auch in großen Indizes vertreten sind. Die verstärkten Käufe trieben sodann die Preise nach oben, ohne dass die betriebswirtschaftliche Lage des jeweiligen Unternehmens Berücksichtigung finden würde. Auf der anderen Seite seien Unterbewertungen bei Firmen festzustellen, die nicht in den bekannten Indizes enthalten sind und somit deutlich seltener von den Marktteilnehmern gekauft werden.
Ob die vorgetragene Kritik das Potenzial hat, Preisverzerrungen herbeizuführen, ist unter Experten umstritten. Passive Indexfonds werden immer beliebter und ziehen inzwischen höhere Geldflüsse auf als aktiv verwaltete Fonds. Aber Einzelaktien, klassische Fonds sowie außerbörsliche Beteiligungen zusammen sind nach wie vor für einen wesentlich größeren Teil der Kapitalflüsse verantwortlich als ETFs. Und auch wenn das hohe Gewicht der USA im MSCI World für Kopfzerbrechen sorgen mag, so reflektiert es doch auch den hohen Anteil der US-Wirtschaft an den globalen Unternehmensgewinnen und die logische Präferenz vieler Anleger für den größten und liquidesten Finanzmarkt.
Gegen die Angst vor Preisverzerrungen spricht zudem das Handeln der Akteure. Viele Marktteilnehmer versuchen durch aktives Investieren Überrenditen zu erzielen. Um das zu schaffen, müssten jedoch die vermeintlich unterbewerteten Titel konsequent gekauft und zu hoch bewertete gleichzeitig abgestoßen werden. Nach und nach würden vermeintliche Preisverzerrungen dadurch abgebaut oder zumindest verringert werden, was sich auch in den entsprechenden Indizes niederschlägt.
2. Welt-ETFs haben einen zu hohe Gewichtung in den USA
Auch den umgekehrten Zusammenhang, also die Überrepräsentierung von beliebten Aktien in Indizes und damit Indexfonds, verfolgen Kritiker mit Bedenken. Am häufigsten wird in diesem Kontext der bekannteste Weltaktien-Index genannt, der MSCI World. MSCI World ETFs gewichten wie die meisten Indexfonds ausschließlich nach Marktkapitalisierung und entsprechend nehmen US-Aktien derzeit eine sehr starke Position ein. Alleine sechs der sieben „Big-Seven-Techaktien“ (Microsoft, Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Nvidia) machen einen Anteil von rund 20 Prozent im MSCI World aus.
Doch auch wenn der hohe Anteil der USA im MSCI World für Kopfzerbrechen sorgen mag, so reflektiert es doch auch den hohen Anteil der US-Wirtschaft an den globalen Unternehmensgewinnen und die logische Präferenz vieler Anleger für den größten und liquidesten Finanzmarkt. Und selbst wenn es stimmt, dass die USA übergewichtet sind, dann sind entsprechend andere Regionen untergewichtet, was sich unterm Strich mittelfristig ausgleichen sollte.
3. In ETFs investieren vor allem unerfahrene Anleger
Börsenneulinge setzen aus gutem Grund gerne auf passive Indexfonds. Historisch gesehen dürfen sie bei einem weltweit investierenden ETF zwischen sieben und acht Prozent Rendite pro anno erwarten. Außerdem fallen für diese Anlageform sehr geringe Gebühren an. So weit, so gut. Skeptiker fürchten allerdings, dass es gerade die unerfahrenen Anleger sein werden, die bei etwaigen Kurseinbrüchen aus Angst zu schnell verkaufen und einen potenziellen Crash somit unnötig intensivieren. Aber ist das ein Grund zur Sorge?
Wohl kaum. Anfängern an der Börse pauschal Unwissenheit oder gar Angst zu unterstellen, greift zu kurz. Dass sie bei Rücksetzern voreilig aus ihren Positionen aussteigen würden, verkennt zudem die Tatsache, dass ETFs vor allem für lange Haltedauern gedacht sind. Wer also zum Beispiel mittels passiver Indexfonds für das Alter vorsorgen möchte und dafür mit einem jahrzehntelangen Anlagehorizont plant, wird sich nicht bei der nächstbesten Korrektur zum Ausstieg entschließen. Stattdessen werden die Positionen meist unverändert beibehalten und die Rücksetzer nicht selten zum Nachkaufen ausgenutzt.
In diesem Kontext darf ebenfalls nicht vergessen werden, dass längst auch institutionelle Investoren wie etwa große Banken, Versicherungen oder Pensionskassen auf Exchange Traded Funds zurückgreifen. Und das in nicht geringem Maße. So fand eine 2021 von TrackInsight im Auftrag von JPMorgan durchgeführte Umfrage heraus, dass rund zwei Drittel der institutionellen Investoren über 40 Prozent ihres verwalteten Vermögens in ETFs angelegt hatten. Diese Marktteilnehmer wissen für gewöhnlich um die Robustheit dieser Anlageklasse und werden bei Kurseinbrüchen mit hoher Wahrscheinlichkeit besonnen bleiben.
4. Bislang mussten sich ETFs in keinen Krisen bewähren
Wirklich an Popularität gewannen passive Indexfonds erst in den vergangenen Jahren. Das jedenfalls dürfte die subjektive Einschätzung vieler sein. Davor mögen ETFs der breiten Masse kaum bekannt gewesen sein, tatsächlich gibt es sie aber schon seit den 90er-Jahren.
Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass ETFs entgegen der häufig gehörten Behauptung sehr wohl schon manche Herausforderung an den Finanzmärkten miterlebt haben. Sei es die Finanzkrise 2008, die Eurokrise zwei Jahre später oder den Crash durch Corona 2020. Während all dieser Phasen konnten bei passiven Indexfonds keine übermäßigen Ausverkäufe festgestellt werden. Teilweise war sogar das Gegenteil zu beobachten. Die Nachfrage nach ETFs nahm in der Hochphase der Pandemie gemessen am Volumen etwas zu.
ETF-Blase? Weitere Überlegungen
Die vorgetragenen Argumente, die potenziell für eine Blase bei ETFs sprechen könnten, wurden weitgehend entkräftet. Eine wichtige Sache bleibt allerdings anzumerken. Passive Indexfonds selbst können genau genommen keine Blase bilden und somit auch nicht platzen. Das ergibt sich aus ihrer Zusammensetzung, die als eine Art Topf verstanden werden sollte. Wie viel ein ETF wert ist, hängt von seinem Inhalt – also meist von Aktien oder Anleihen – ab. Nur wenn es bei diesen originären Assetklassen zu Fehlbewertungen kommt, resultiert daraus die Gefahr einer Blase.
Darüber hinaus muss untersucht werden, woher die kritischen Stimmen in Bezug auf ETFs häufig überhaupt stammen. Oftmals sind sie aus dem Lager aktiver Investoren respektive von Fondsmanagern zu vernehmen, die es nur selten schaffen, eine Outperformance gegenüber dem Markt zu erzielen. Das gilt besonders bei Betrachtung langer Horizonte. Gleichzeitig sind Fondsmanager aber auf ein gewisses Volumen an Kundengeldern angewiesen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Fließt nun immer mehr Kapital in passive Indexfonds, könnte mancher Fondsmanager dies als unmittelbare Gefahr für sich selbst und seinen Job sehen.
Gibt es bei ETFs trotzdem Risiken?
Auch wenn die Gefahr einer Blase bei passiven Indexfonds insgesamt als gering eingestuft werden kann, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass es bei dieser Anlageklasse nicht trotzdem Risiken gäbe. Das sind vor allem folgende.
Wechselkursrisiko: Viele ETFs werden in Fremdwährungen, insbesondere in US-Dollar, gehandelt. Wie erfolgreich die Investition verläuft, ist damit immer ein Stück weit vom Devisenkurs abhängig. Für die Rendite nach dem Kaufzeitpunkt macht es keinen Unterschied, in welcher Währung der ETF notiert. Aber deutsche Anleger müssen vorher für bestimmte ETFs etwa Euro in Dollar tauschen und dann spielt die Währungsentwicklung natürlich schon eine Rolle. Anleger bewerten Investition in heimischer Währung, ergo tauscht man zumindest gedanklich wieder in Euro um. Im schlimmsten Fall drohen nur aufgrund der Wechselkurse Verluste. In der Praxis ist das aber sehr unwahrscheinlich. Trotzdem müssen Anleger unter Umständen damit rechnen, dass ihre Rendite niedriger als bei einer Investition innerhalb des Euroraums ausfällt.
Werden zur Vermeidung des Wechselkursrisikos allerdings nur ETFs mit Fokus auf den Euroraum gewählt, geht dies wiederum zulasten der Diversifikation. Dieses Dilemma lässt sich etwa durch gehedgte ETFs umgehen, die für die Absicherung gegen Wechselkursrisiken aber selbstverständlich entsprechende Gebühren verlangen. Letzten Endes darf nicht vergessen werden, dass sich Devisenkurse auch positiv auf die Rendite und Wertentwicklung des ETFs auswirken können.
Spezialisierung: Besonders bekannt sind ETFs, welche die gesamte Weltwirtschaft abbilden. Mittlerweile gibt es unter den passiven Indexfonds jedoch eine ganze Reihe an Spezifikationen. Manche beziehen sich auf bestimmte Regionen oder Branchen, andere hingegen auf einzelne Themen. Vorsicht ist bei ETFs geboten, die sehr eng definiert sind. Sie enthalten zum Beispiel nur Titel aus aktuellen Trends wie Künstlicher Intelligenz oder Wasserstoff.
Diese ETFs versuchen zumeist, Überrenditen durch die Konzentration auf vielversprechende Wertpapiere zu erzielen, was aber auch hier zulasten der Diversifikation geht. Anleger sind bei solchen Indexfonds stark von den politischen, wirtschaftlichen wie auch rechtlichen Entwicklungen innerhalb der abgebildeten Branche abhängig.
Kontrahentenrisiko: Neben herkömmlichen ETFs haben sich längst auch Swap-ETFs etabliert. Diese bilden zwar auch einen Index nach, kaufen die darin enthaltenen Titel aber nicht. Stattdessen kommt es zu einem Tauschgeschäft mit einem Swap-Partner. Das ist meist eine Bank, die dem ETF-Anbieter die Rendite des jeweiligen Index mitsamt etwaigen Dividenden garantiert.
Durch die Hinzunahme des Swap-Partners gibt es nun drei Parteien, die allesamt aufeinander angewiesen sind. Als Kontrahentenrisiko bezeichnet man in diesem Kontext die möglichen Zahlungsschwierigkeiten des Swap-Partners, die sich negativ auf die Rendite des Anlegers auswirken können. Damit das möglichst nicht passiert, wurden Schutzmechanismen entwickelt, auf die hier aber nicht mehr näher eingegangen werden soll.
Fazit: eine ETF-Blase ist unwahrscheinlich
Die Sorge vor einer Blase bei ETFs sollte stets ernst genommen werden. Aktuell scheint sie trotz der vorgetragenen Argumente der Kritiker jedoch überflüssig zu sein. Nichtsdestotrotz sei es jedem Anleger empfohlen, sich laufend über die Entwicklungen zu informieren, um auf potenzielle Änderungen der Situation schnell und angemessen reagieren zu können.