Politik

Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?

Lesezeit: 4 min
07.05.2024 16:58
In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der Politik mehr Steuergerechtigkeit eingefordert. In Zahlen hat sich - unter dem Strich - nicht viel verändert. Im Gegenteil: Jetzt ist Bayern vor das höchste deutsche Gericht gezogen, um für seine Bürger bessere Freibeträge zu erwirken. Bei Erfolg droht ein Standort-Wettbewerb um Wohnsitze wohlhabender Bürger auszubrechen. Worum es geht, haben sich die DWN angesehen.
Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
Die Klage Bayerns könnte bei der Erbschaftssteuer einiges durcheinander wirbeln (Foto: iStockphoto/Alexander Marc Duering).
Foto: Alexander Marc Duering

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Zunächst einmal ein Blick auf die vorliegenden Zahlen - sie dürften sowohl die eine wie auch die andere Seite des politischen Spektrums verblüffen und womöglich erregen: Vater Staat hat im Jahr 2022 insgesamt 895 Milliarden Euro Steuern eingenommen, nur gut neun Milliarden Euro sind unter Erbschaftssteuer verbucht. Und das obwohl den Expertenschätzungen zufolge in Deutschland 300 bis 400 Milliarden Euro jedes Jahr vererbt werden. Die großzügigen Freibeträge führen dazu, dass nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes überhaupt nur 60 Milliarden Euro an Erbschaften und Vermächtnissen bei den Finanzämtern veranlagt worden sind. Die - de facto - auch noch regressive Besteuerung führt obendrein zu einem Effekt, den viele Bürger für ungerecht halten: Je höher die Erbschaft, desto weniger Steuern müssen die Erben zahlen.

Wer glaubt, dass sich das Missverhältnis mit einem einfachen Federstrich des Bundesfinanzministers gerade rücken lässt, der irrt gewaltig. Die Erbschaftssteuer ist neben der Grundsteuer eines der wenigen fiskalischen Instrumente, die (nach Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes) in das alleinige Zuständigkeitsfeld der Bundesländer fallen. Die unterschiedlichen Sätze können etwa bei Grundstücken zu einem Standortwettbewerb zwischen Nord und Süd, Ost und West führen. Die Ratio vermögender Länder wie Bayern und Baden-Württemberg ist damit klar umrissen: Die Steuerunterschiede sind erwünscht, sollen nicht durch das Werkzeug des Länderfinanzausgleiches nivelliert werden.

Das Vermögen der Deutschen sei hart erarbeitet, sagen Vertreter der Wirtschaft und des Handwerks. Das stimmt! Aber längst auch nur noch zum Teil oder nur indirekt. Nach Schätzungen von Steuerexperten wird bei uns „mittlerweile gut die Hälfte des Vermögens“ geerbt und nicht etwa mehrheitlich durch Arbeit gemehrt. Die Bürger versuchen deshalb auch, den Fiskus möglichst auszutricksen und die Steuerlast für ihre Erben irgendwie so zu gestalten, dass sie so niedrig wie nur möglich ausfällt - durch Schenkungen zu Lebzeiten, durch Stiftungsmodelle. Dem Einfallsreichtum der Steuer- und Wirtschaftsberater im Lande sind dabei kaum mehr (Landes)grenzen gesetzt.

Erben keine mehrwertsteuerpflichtige Geschäftsbeziehung

Kritiker dieser Vermögensverteilung weisen daraufhin, dass die Erbschaftssteuer im Schnitt bei drei Prozent auf einem extrem niedrigen Niveau verharrt, während reguläre Arbeit mit durchschnittlich 30 Prozent steuerlich belastet wird. Vermögende Erblasser indessen verweisen darauf, dass sie ihren Wohlstand ja bereits hinreichend besteuert hätten und Ehepartner, Kinder und Enkel selbstverständlich zum Haushalt gehören und nicht vom Fiskus wie fremde Dritte besteuert werden sollten. Das Familienerbe sei schließlich keine mehrwertsteuerpflichtige Geschäftsbeziehung.

In Deutschland liegt der Freibetrag bei 400.000 Euro und bei 500.000 Euro zwischen Ehegatten oder Lebenspartnern. Die Vergleiche zu anderen Ländern sind insofern nur beschränkt aussagefähig - in den USA etwa liegt der Freibetrag bei bis zu elf Millionen Dollar und jeder Bundesstaat bewertet das Vermögen des Erblassers unterschiedlich. Unser Nachbarland Österreich indes hat die Erbschafts- und Schenkungssteuer anno 2008 sogar ganz abgeschafft. Allein das könnte erklären, warum Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Regierungskoalition in München das Thema argwöhnisch und mit Argusaugen betrachtet. Sie wollen das Phänomen „Grenzgänger“ zu Österreich möglichst unterbinden.

Zumindest in die eine Richtung! Dass Hamburger Reeder ihren Wohnsitz an den Tegernsee verlegen, könnte ja durchaus Sinn machen. Der Stammtisch in Bayern hat das Thema längst als fruchtbar ausgemacht. Mit ihrer im Juni 2023 in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Normenkontrollklage wollen die Bayern die Freibeträge jedenfalls grundsätzlich auf den Gleichheitsgrundsatz und die Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen lassen. Diesen Sommer könnte es zu einer Entscheidung der Richter kommen, die das leidige Thema Erbschaftssteuer vom Tisch haben möchten. Irgendwer fühlt sich immer benachteiligt oder als zu kurzgekommen!

Erblasser und Erben: Wer die Früchte vom Stammbaum ernten darf

Der Steuerberater Markus Schmitz von der Beratungsfirma Deloitte sieht das mit der bayerischen Klage so: „Nicht nur die Inflation und die realen Immobilienpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein zusätzlicher Grund für die Überprüfung der Freibeträge durch das Land Bayern könnte das Jahressteuergesetz 2022 gewesen sein. Seit 2023 gilt im Bewertungsgesetz nun ein geändertes steuerliches Wertermittlungsverfahren bei bebauten Grundstücken, Erbbaurechtsfällen und Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, die nach dem Ertrags- oder Sachwertverfahren ermittelt werden. Die Änderungen führen oft zu höheren Werten bei Grundbesitz und somit auch zu höheren Schenkungs- und Erbschaftsteuern.“ 2006 hat Karlsruhe erstmals die mangelnde Gleichheit der Erbschaftssteuer angemahnt, die Reform von 2008 wurde sechs Jahre später kassiert. Unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig befand das Gericht vor allem, dass Erben von Großbetrieben verschont werden, ohne dass mindestens geprüft wird, ob das ökonomisch notwendig ist. Nun steht die Reform des Jahres 2016 auf dem Prüfstand.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat auf den strukturellen Zwiespalt hingewiesen, dass das Gesetz zur Erbschaftssteuer zwar ein Bundesgesetz ist, aber die Früchte vom Stammbaum vollständig den Ländern zustehen. Er hat erwartet, dass die Länder sich auf eine gemeinsame Linie begeben. Dass Bayern da ausgeschert sei, hält Lindner für ein Wahlkampfmanöver Markus Söders.

Was sagen die Wirtschaftsexperten im Lande? „Eine faire Erbschaftssteuer kann nur eine Steuer mit niedrigem Steuersatz sein, ich sag mal zehn Prozent als Beispiel, aber dann wirklich auf alles, auch auf Betriebsvermögen, keinerlei Sonderbehandlung von Betriebsvermögen. Jeder, der erbt, wird gleich behandelt“, sagt Clemens Fuest vom Ifo-Institut in München. Die Kollegen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, bekannt für ihre immer etwas andere Sicht auf das Leben in Deutschland, schlagen vor, junge Erwachsene sollten alle ein Grunderbe vom Staat bekommen - mindestens 20.000 Euro. Das wäre nach Angaben von Volkswirt Stefan Bach durch die Erbschaften der Superreichen finanzierbar.

Nächster Reformversuch wohl erst nach dem nächsten Urteil aus Karlsruhe

Die bürgerlichen Parteien wollen die Freibeträge im Bundestag verändern. FDP-Chef Lindner schweben um 25 Prozent Anhebung vor, die Union will sogar um zwei Drittel erhöhen. Über zwei Anträge wurde 2023 im Parlament beraten. Die Linkspartei wollte die Vergünstigungen für große Unternehmenserbschaften streichen. Die AfD favorisiert den Weg Österreichs und forderte die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Für beide Anträge fand sich im November keine Mehrheit. Ob und wie die Bundesregierung das Erbschaftsrecht reformiert, entscheidet sich wohl erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. In Bayern gibt man sich derweil Hoffnungen hin - und rechnet sich reich.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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