Ärzte erhoffen sich große Fortschritte durch Genom-Sequenzierung und personalisierte Medizin. Aktuell wird intensiv an den immer noch existenten Geheimnissen des menschlichen Erbguts geforscht. Die detaillierte Aufschlüsselung der DNA soll bislang unbekannte Zusammenhänge zwischen Genen und der Entwicklung von Krankheiten offenlegen. Die entsprechenden Daten können dann zur Frühdiagnose und individuellen Therapieentscheidungen genutzt werden, was in der klassischen Medizin in dieser Form nicht möglich ist.
Womöglich wird man eines Tages sogar die DNA des Menschen gezielt verändern können, um bisher wenig bis kaum therapierbare Zivilisationskrankheiten wie Krebs und Alzheimer, seltene Nervenleiden, Blutkrankheiten, Allergien oder Autoimmunerkrankungen frühzeitig zu heilen beziehungsweise vorzubeugen. Das Potential ist groß, aber ebenso die möglichen Risiken. Die Nebenwirkungen von Gentherapien sind noch überhaupt nicht erforscht.
Erste Zulassungen von „Genome-Editing“
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat im Dezember 2023 die weltweit ersten beiden Gentherapien zur Behandlung von Patienten mit Sichelzellkrankheit zugelassen. Das Medikament „Casgevy“ ist eine von den Pharmakonzernen Vertex Pharmaceuticals und Crispr Therapeutics entwickelte Behandlung. Einen Monat zuvor wurde es bereits in Großbritannien zugelassen, wo damit erstmals grünes Licht für eine auf dem Crispr-Gen-Editing basierende Therapie am Menschen erteilt wurde.
In den USA wurde außerdem zeitgleich mit „Lyfgenia“ von der Firma Bluebird Bio ein Gentherapie-Medikament zugelassen, das Knochenmarktransplantationen überflüssig machen könnte. Ebenfalls im Dezember gab es die bedingte Zulassung von „Casgevy“ durch die europäische Pharmabehörde EMA. Das ist ein erster Schritt auf den deutschen Markt.
Schon in den Jahren zuvor wurden in der EU zahlreiche Gentherapien gegen beispielsweise Blutkrebs, Hämophilie und Tuberkulose von teils namhaften Pharmakonzernen wie Pfizer, Novartis, Biogen und Janssen zugelassen. Darunter ist auch das mit über 2 Millionen Dollar angeblich teuerste Arzneimittel der Welt, eine Muskelschwund-Gentherapie namens „Zolgensma“ von Novartis.
In Deutschland sind übrigens grundsätzlich nur somatische Gentherapien erlaubt, also solche, die nur die Behandlung nicht vererbbarer Körperzellen betreffen. Die Genom-Medizin wird politisch vorangetrieben. Deutschland ist Teil einer EU-Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine Million menschlicher Genome zu sequenzieren und damit die Gesundheitsversorgung zu verbessern.
Biotech-Aktien unter Druck
Anleger können darüber nachdenken, sich schon frühzeitig bei Pharma-Aktien in dem Bereich zu positionieren, der englisch unter dem Überbegriff „Genomics“ bekannt ist. Zudem sind die Aussichten für den Gesundheitssektor allgemein positiv. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung in den Industrieländern dürften zu einem deutlichen Anstieg der weltweiten Gesundheitsausgaben führen.
In einem kleinen Segment wie Gensequenzierung brauchen Investoren jedoch einen langen Atem. Es gibt Börsenphasen, in denen Biotech-Aktien gefragt sind, und das ist derzeit eher weniger der Fall. Einer der größten Biotech-ETFs, der „iShares Nasdaq US Biotechnology UCITS ETF“, ist in den letzten 12 Monaten nur um 4,6 Prozent gestiegen, während der US-Leitindex S&P 500 im selben Zeitraum 25 Prozent gewann.
Besonders die Small- und Midcaps schneiden im Durchschnitt ziemlich schwach ab – nicht nur im Biotechnologie-Sektor, sondern in vielen Branchen, die nicht unmittelbar mit dem Hypethema KI zu tun haben. Das Finanzierungsproblem ist bei Biotech-Firmen, die oft in der riskanten Grundlagenforschung tätig oder mit ihren klinischen Studien beziehungsweise den ersten ausgereiften Produkten noch in der Frühphase sind und somit wenig bis keine Einnahmen generieren, besonders ausgeprägt und das wird von den Investoren gnadenlos abgewatscht.
Das zeigt sich auch am Verhalten der Venture-Capital-Geldgeber. Die Risikokapitalinvestitionen in „Genome-Editing“ sind im vergangenen Jahr zusammen mit sonstigen Biotech-Investitionen massiv gersunken, und zwar von 2,45 Milliarden Dollar anno 2022 auf 1,06 Milliarden im Jahr 2023, so der Datenanbieter PitchBook.
Die exorbitant hohen Forschungs- und Entwicklungskosten sind ein Problem. Eine weltweite Ausweitung medizinischer Therapien auf der Grundlage des Crispr-Gene-Editing sei zum aktuellen Zeitpunkt „unrealistisch“ und der Sektor benötige viel höhere Investitionen, um die Technologie für alle Menschen zugänglich zu machen, meint die Leiterin des „Innovative Genomics Institute“ Jennifer Doudna, eine Pionierin auf dem Gebiet der CRISPR-Forschung. Um die Kosten zu senken, müsse eine Technologie entwickelt werden, „die es ermöglicht, eine Behandlung wie Casgevy in vivo zu verabreichen, d.h. direkt in den Körper, anstatt ein Laborverfahren zu benötigen“, so die Wissenschaftlerin gegenüber der Financial Times.
Biontech repräsentiert deutschen Markt
Bekannte börsennotierte Akteure in der Genomforschung sind etwa die US-Pharmakonzerne Natera und Moderna sowie das oben erwähnte Schweizer Unternehmen Crispr Therapeutics. Börsennotierte deutsche Firmen mit einem großen Engagement in der Genomsequenzierung gibt es keine – abgesehen von Biontech. Das Mainzer Pharma-Unternehmen ist mit seiner mRNA-Technologie und dem in Kooperation mit Pfizer entwickelten Covid-Impfstoff bekannt geworden. Zuletzt litten Biontechs Zahlen massiv unter dem Ende der Corona-Pandemie. Nun will das Unternehmen verstärkt auf die Krebsforschungs-Sparte setzen.
Biontech wählte damals einen Börsengang an der US-Technologiebörse Nasdaq. Es ist aber nicht so, dass keine deutsche Firmen in diesem Bereich forschen. Momentan investieren internationale Gesundheitskonzerne sogar wieder verstärkt in Deutschland, also liegt es wohl auch nicht per se am Standort. Das Beispiel Biontech verdeutlicht hingegen, dass der deutsche Kapitalmarkt eben nicht ganz oben mitspielt und junge Pharmafirmen in den USA schlichtweg bessere Bedingungen vorfinden. Die meisten Pharmaunternehmen lassen sich in den Vereinigten Staaten listen, weil dort deutlich mehr Investorengelder zu holen sind, die US-Universitäten attraktive Kooperationspartner darstellen und die Regulatoren weniger streng agieren.
Investieren in Genomics-ETFs empfehlenswert?
Eine Investition in Genomsequenzierung sollte idealerweise diversifiziert über einen ETF erfolgen. Das streut das Verlustrisiko, das bei Genomics-Aktien aus den oben erläuterten Gründen besonders groß ist. Der größte und bekannteste dieser börsengehandelten Fonds ist der „ARK Genomic Revolution ETF“ (Gesamtwert: 1,3 Milliarden Dollar, effektive jährliche Kostenquote: 0,75 Prozent). Anleger sollten allerdings bedenken, dass es sich um einen aktiven ETF handelt, der keinen Index nachbildet. Die Kauf- und Verkaufsentscheidungen werden von der ebenso gefeierten wie umstrittenen Fondsmanagerin Cathy Wood getroffen, die mit ihren Anlageprodukten nicht den besten Track Record hat. Auch der AKR Genomic-ETF war in der Vergangenheit wenig erfolgreich. In den letzten fünf Jahren steht aktuell ein Verlust von rund 25 Prozent, im letzten Jahr waren es minus 14 Prozent.
Komplett passive Alternativen finden sich in Form des „iShares Genomics Immunology and Healthcare ETF“ (Gesamtwert: 139 Millionen Dollar, Kosten: 0,47 Prozent) und des „Global X Genomics & Biotechnology UCITS ETF“ (Gesamtwert: 95 Millionen Dollar, Kosten: 0,5 Prozent). Der ETF von iShares hat in den letzten 12 Monaten knapp zwei Prozent federn lassen, der von Global X verlor fast 17 Prozent.
Es gibt auch noch weitere ähnliche ETFs, von denen aber aufgrund der sehr geringen Liquidität abzuraten ist. Einen ETF sollten Anleger im Zweifelsfall jederzeit und mit einer minimalen Geld-Kurs-Spanne wieder verkaufen können und da kann es schon bei einer Gesamtsumme von weniger als 100 Millionen Dollar zu signifikanten Rendite-Einbußen kommen.
Man muss hier im Gegensatz zu Cathy Woods aktivem ETF nicht so sehr auf die vergangene Performance achten, weil beide als passive ETFs lediglich unterschiedliche Indizes nachbilden. Zudem geht es ja um das Potential für die Zukunft und sollte sich der entsprechende Medizin-Trend in großem Stil entfalten, dann dürften beide Genomics-ETFs langfristig gut abschneiden. Anleger müssen sich lediglich die Frage stellen, welcher Benchmark-Index für die individuellen Anlageziele besser geeignet ist.
Ist ein Kauf von Genomics-ETFs aktuell sinnvoll? Diese Frage ist differenziert zu beantworten. Es gibt schlechtere Einstiegszeitpunkte wie etwa auf dem Höhenpunkt des Bullenmarktes 2021. Der Biotech-Markt wurde in den letzten zwei Jahren relativ zum Gesamtmarkt deutlich abgestraft und Genomsequenzierung hat viel Zukunftspotential, was in einem neuen Börsenumfeld, in dem die Zinsen wieder niedriger sind, von den Investoren goutiert würde. Gleichzeitig muss der Boden noch lange nicht erreicht worden sein. Es handelt sich um Hochrisikokapital, annähernd 100 Prozent Verlust sind durchaus möglich! Auch bei risikofreudigen Anlegern sollten solche Investments nur einen geringen Teil des Portfolios ausmachen.