Politik

Arbeitsvisa-Abkommen mit Drittstaaten: Lösung für Europas Asylkrise?

Experten vom Ifo-Institut schlagen Arbeitsvisa-Abkommen zwischen der EU und sicheren Drittstaaten vor, um Asylanträge und irreguläre Zuwanderung zu verringern. Ist dies eine nachhaltige Lösung?
17.05.2024 09:08
Aktualisiert: 17.05.2024 09:08
Lesezeit: 2 min

Das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo hat einen Vorschlag zur Lösung der europäischen Asylkrise vorgelegt. Es regt an, Arbeitsvisa-Abkommen zwischen der EU und sicheren Drittstaaten abzuschließen. „Damit wäre eine legale und gesteuerte Zuwanderung möglich. Denn ein Grund für die Überlastung des europäischen Asylsystems ist der Mangel an Möglichkeiten, legal in die EU zu kommen. Besonders für niedrig qualifizierte Menschen ist die Chance auf Arbeitsvisa in Europa verschwindend gering“, erklärt Panu Poutvaara, Leiter des Ifo-Zentrums für Migrationsforschung.

Viele Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive, wie beispielsweise aus der Türkei, könnten von einem solchen Abkommen profitieren, so Poutvaara weiter. Staatsangehörige von Ländern, die ein solches Abkommen mit der EU abschließen, hätten die Möglichkeit, ein Visum zur Arbeitsaufnahme in der EU unabhängig von ihrer Qualifikation zu beantragen.

Die Arbeitsvisa könnten auch befristet ausgestellt und eingeschränkt werden, sodass die Inhaber keinen Zugang zu Sozialleistungen haben.

Orientierung an der Westbalkan-Regelung

Der Vorschlag orientiert sich an der Westbalkan-Regelung, die Deutschland 2016 mit Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien sowie Serbien abgeschlossen hat. „Die Zuwandernden könnten ein Arbeitsvisum beantragen und legal in die EU einreisen, ohne die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten und Schlepper bezahlen zu müssen.

Auch für die EU wäre dies vorteilhaft, da es die Kosten für Asylanträge verringert, das Geschäft der Schlepper kaputtmacht und mehr legale Beschäftigung schafft“, betont Yvonne Giesing vom Ifo-Zentrum für Migrationsforschung.

Mögliche positive Effekte

„Die Schaffung solcher Arbeitsvisa-Abkommen könnte nicht nur die Zahl der Asylanträge und die irreguläre Zuwanderung reduzieren, sondern auch die humanitäre Krise im Mittelmeerraum lindern“, fügt der Ifo-Experte Poutvaara hinzu. Zudem könnte es die Arbeitsmärkte der EU unterstützen, die in vielen Ländern mit Fachkräftemangel konfrontiert sind.

Diese Initiative könnte laut Experten vom Ifo-Institut nicht nur die Zahl der Asylanträge und die irreguläre Zuwanderung reduzieren, sondern auch einen sicheren und legalen Weg zur Arbeitsmigration in die EU eröffnen.

Aktuelle Herausforderungen und Dringlichkeit

Aktuelle Daten des Europäischen Statistikamtes, Eurostat, zeigen, dass die Zahl der Asylanträge in der EU im Jahr 2023 über 1,14 Millionen erreichte, was einem 7-Jahres-Hoch entspricht. Diese Zunahme stellt die Mitgliedsstaaten vor große Herausforderungen in Bezug auf Unterbringung, Integration und Verwaltung der Asylverfahren. Im Jahr 2022 war die Zahl der Asylanträge in der EU bereits um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, was die bestehenden Herausforderungen noch verschärfte.

Überdies hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet, dass die Zahl der Todesfälle von Migranten, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, sowohl im Jahr 2022 als auch 2023 erneut gestiegen ist. Diese Ereignisse unterstreichen die Dringlichkeit, sichere und legale Migrationswege zu schaffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
avtor1
Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

DWN
Technologie
Technologie Jeder Sechste sorgt sich wegen KI um eigenen Arbeitsplatz
02.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt rasant. Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland fürchtet, dass sein Job bedroht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
02.12.2025

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das italienische Wunder: Geschaffen mit EU-Geld und Schattenwirtschaft
02.12.2025

Italien feiert eine Hochstufung seiner Bonität und spricht vom „neuen Wirtschaftswunder“. Doch unter der Oberfläche zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährung kaufen: So erkennen Anleger gute Einstiegsphasen
02.12.2025

Kryptowährungen gewinnen weltweit an Bedeutung, zugleich bleibt der richtige Einstiegszeitpunkt für viele Anleger schwer zu bestimmen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mindestlohnerhöhung 2026: Praxisleitfaden mit Checkliste und Rechenbeispielen für Betriebe
02.12.2025

Die Mindestlohnerhöhung ab 2026 bringt spürbare Veränderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wie stark Betriebe tatsächlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa öffnet Blackbox: Neuer Score ab Ende März einsehbar
02.12.2025

Ab Ende März 2026 können Verbraucher den neuen Schufa-Score kostenfrei einsehen. Die Berechnung orientiert sich an zwölf...