Kurz vor der Europawahl zeigt sich ein ungewöhnliches Bild: Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen nimmt öffentlich Stellung gegen die Alternative für Deutschland (AfD). Diese Entwicklung, die eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln offenlegt, spiegelt die ernsten Bedenken der Wirtschaft hinsichtlich der EU, des Euros und des politischen Selbstverständnisses in Deutschland wider.
Die Studie, die im Rahmen des IW-Zukunftspanels rund 900 Unternehmen befragte, zeigt, dass 47 Prozent der Unternehmen sich öffentlich gegen die AfD aussprechen. Weitere 55 Prozent haben sogar intern Stellung bezogen. Der Grund für diese Haltung liegt vor allem in der Sorge um den Fortbestand der EU und des Euros; 77 Prozent der Befragten sehen hierin ein Risiko durch die AfD.
„Die Unternehmen werden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht“, kommentiert Matthias Diermeier, Autor der Studie. Die Ergebnisse zeugen von einem deutlichen Bewusstsein für die Risiken, die ein stärker werdende AfD für die Gesellschaft und die Wirtschaft darstellen könnte. Eine Differenzierung der Umfrage-Ergebnisse zwischen Ost und West hat das Institut gleichwohl nicht vorgenommen. Gut denkbar, dass die Einstellung kleiner und mittlerer Betriebe in Mitteldeutschland zum Thema AfD nicht hinreichend Berücksichtigung findet.
Das IW hat die Gesamtwirtschaft im Lande im Blick. Demnach wird die AfD, die öffentlich mit einem Austritt Deutschlands aus der EU und der Aufgabe des Euros liebäugelt, von der Mehrheit der Unternehmen kritisch gesehen. Ein möglicher „Dexit“ könnte nach Berechnungen enorme wirtschaftliche Schäden von bis zu 690 Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren verursachen.
Wirtschaft stellt sich gegen AfD-Pläne
Etwa 75 Prozent der Befragten sorgen sich um eine Verschlechterung der politischen Kultur, während 69 Prozent befürchten, dass die Partei dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden könnte. „Das macht Mut und zeigt, dass die Wirtschaft auch bereit ist, politisch klar Haltung zu beziehen, wenn es drauf ankommt“, so Diermeier.
Die umfassende Befragung, zur Hälfte finanziert vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), gibt somit ein klares Signal: Die deutsche Wirtschaft ist gegen die AfD, sowohl aus ökonomischen als auch aus gesellschaftlichen Gründen.
Kürzlich deutete Tino Chrupalla, der Vorsitzende der AfD, eine Neuorientierung an. In einem Deutschlandfunk-Interview erklärte er, dass ein Austritt Deutschlands aus der EU momentan nicht umsetzbar wäre. Stattdessen verfolge die AfD jetzt das Ziel, Reformen innerhalb der EU voranzutreiben und kooperiere dabei mit europäischen Partnern.
Die nächste Europawahl findet vom 6. bis 9. Juni 2024 statt. Die genauen Wahltage variieren je nach EU-Land innerhalb dieses Zeitraums. In Deutschland wird die Wahl traditionell an einem Sonntag abgehalten, was den 9. Juni bedeutet.