„Es geht darum, dass wir die Renten nicht abkoppeln von der Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, sagte Heil. „Deshalb muss das Rentenniveau stabil bleiben.“ Kern der Reform, die Heil bereits für 2022 angekündigt hatte, ist die Sicherung des aktuellen Rentenniveaus von 48 Prozent bis mindestens 2039. Ohne Reform dürfte das Niveau dann auf rund 45 Prozent sinken - die Renten würden den Löhnen weit hinterherhinken. Denn Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 1950er und 1960er Jahren werden von Einzahlenden zu Ruheständlern. Das Rentenniveau gibt das Verhältnis der Renten zu den Einkommen an.
Die Renten steigen
Laut Heil bedeutet die Haltelinie beim Rentenniveau in Zukunft deutlich mehr Geld für die Rentner. „Wenn eine Krankenschwester aus Sachsen beispielsweise, heute 49 Jahre, 2040 in Rente geht, ist das im Jahr ein Unterschied von 1100 Euro, ob wir das Rentenniveau stabilisieren oder nicht.“
Nach der bereits beschlossenen Rentenerhöhung um 4,57 Prozent zum 1. Juli 2024 sieht Heil auch künftig gute Chancen für steigende Bezüge für die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner. „Je mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter in Arbeit sind, desto stabiler die Rente“, sagte er. „Je angemessener die Lohnentwicklung, desto angemessener sind auch die Rentenerhöhungen, wenn wir es schaffen, das Rentenniveau stabil zu halten.“ Besonders stark zeige sich die Bedeutung stabiler gesetzlicher Renten in Ostdeutschland - hier seien fast 90 Prozent der Beschäftigten im Alter allein auf die gesetzliche Rente angewiesen.
Heil verteidigt Milliardenkosten
Die Wirtschaft hatte eindringlich vor den Plänen gewarnt. „Nicht finanzierbar“ sei ein stabiles Rentenniveau, urteilte etwa Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, nachdem Heil und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ihre Pläne im März vorgelegt hatten. Laut Gesetzentwurf steigen die Rentenausgaben mit Reform von heute 372 auf voraussichtlich 802 Milliarden Euro 2045. Ohne Reform wären es 755 Milliarden.
Heil entgegnete diesen Sorgen, Deutschland gebe verglichen mit anderen Industrienationen nicht mehr für die Alterssicherung aus. Der Beitragssatz werde mit Reform bis 2040 voraussichtlich um jeweils einen halben Prozentpunkt für Arbeitgeber und Beschäftige stärker steigen als ohne. „Und das, finde ich, ist etwas, was wir leisten können.“ Heute beträgt der Beitragssatz 18,6 Prozent vom Einkommen. Wegen der Alterung der Gesellschaft soll er in rund 15 Jahren ohne Reform auf 21,3 Prozent steigen - mit Reform auf 22,3 Prozent. Ein Beitragssatzpunkt bringt der Rentenkasse heute rund 18 Milliarden Euro im Jahr.
Kanzleramt bittet Länder um Frist-Verkürzung
„Mit dem Generationenkapital sorgen wir dafür, dass der Anstieg der Beiträge in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre abgedämpft wird“, kündigte Heil weiter an. Startend mit zwölf Milliarden Euro 2024 will die Regierung innerhalb von rund zehn Jahren mindestens 200 Milliarden am Kapitalmarkt anlegen. Die Zinserträge sollen an die Rentenversicherung fließen. Sie erhält damit zu Beiträgen und Steuerzuschüssen eine dritte Finanzierungsquelle. Heil verteidigte den Finanzmix mit dem von Sozialverbänden und Gewerkschaften abgelehnten Generationenkapital als „eine solide Mischung“. Aus den Erträgen am Aktienmarkt sollen jährlich zehn Milliarden Euro in die Rentenkasse fließen. Der Einstieg in eine Kapitaldeckung war vor allem der FDP ein Anliegen.
Dass die Vorlage des Rentenpakets so lange gedauert hat, lag auch an der skeptischen Haltung der Grünen zum Einstieg für die Rente in den Aktienmarkt. Schließlich willigten die Grünen ein. Heil sagte: „Es hat ein paar Wochen länger gedauert, aber es ist nicht zu spät, denn es geht um die Zeit nach dieser Legislaturperiode.“ Die Regierung bat die Länder am Montag um eine Verkürzung der auf den Kabinettsbeschluss folgenden Beratungsfristen: Der Bundesrat solle die Reform bereits am 5. Juli behandeln, damit das Generationenkapital noch 2024 starten könne, heißt es im Schreiben des Kanzleramts.
Heil: Kein Rentenpaket III
Ist nach der Reform vor der Reform? Die FDP sieht es kritisch, dass die Rentenbeiträge trotz des Generationenkapitals steigen werden. Lindner hatte bereits ein Rentenpaket III gefordert - unter anderem mit Anreizen für eine längere Lebensarbeitszeit. „Jedenfalls müssen 22 Prozent Beiträge in den 2030er Jahren abgewendet werden“, sagt der FDP-Chef. Sturm laufen die Liberalen im Einklang mit der Wirtschaft vor allem gegen die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren, weil sie zu teuer sei.
Auf die Frage, ob über die ebenfalls noch geplante bessere Altersvorsorge für Selbstständige in dieser Wahlperiode noch mehr in Sache Rente komme, antwortete Heil: „Nein, das ist eine große Reform, weil wir das Rentenniveau dauerhaft stabil halten.“ Er sagte aber: „Wir reden in der Koalition darüber, wie wir flexible Übergänge in den Ruhestand schaffen können.“ Mit einem Rentenpaket I hatte die Koalition bereits bestimmte Erwerbsminderungsrenten aufgebessert.
Heil bekräftigte, dass das Renteneintrittsalter nicht weiter erhöht werden solle. „Denn das wäre für viele Menschen, zum Beispiel für die, die in der Lagerlogistik arbeiten oder im Handwerk oder in der Pflege, nichts anderes als eine Rentenkürzung.“ Der SPD-Politiker bekräftigte auch sein Nein zu einem Aus für die sogenannte Rente mit 63.
Spätestens bei den nun folgenden Bundestagsberatungen der Rentenreform dürften die Differenzen erneut deutlich werden. Heil räumte ein, die Weichen für die Zukunft der Rente zu stellen, sei angesichts der unterschiedlichen Positionen „anstrengend“. Aber er sei „entschlossen, dass wir das auch durchsetzen“.