Politik

Kinderarmut: SPD-Fraktionsvize: Entwurf zur Kindergrundsicherung "nicht tragfähig"

Die Ampel ringt weiter um die Kindergrundsicherung – die Schuld sehen Koalitionspartner bei der grünen Familienministerin. Ein SPD-Experte glaubt nicht mehr an eine Einführung in einem Rutsch.
17.06.2024 13:15
Lesezeit: 2 min

Jetzt kommt der Widerstand auch von der SPD. Im Ringen der Ampel um die geplante Kindergrundsicherung bekräftigen SPD und FDP ihre Vorbehalte gegen die Vorschläge von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). "Es ist klar geworden, dass der aktuelle Gesetzesentwurf in seiner vorliegenden Fassung nicht tragfähig ist", kritisierte SPD-Fraktionsvize Sönke Rix. Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP verhandelten derzeit intensiv. "Aufgrund der Komplexität des Vorhabens und der zahlreichen Fallstricke kommen wir nicht umhin, die Kindergrundsicherung in mehreren Schritten einzuführen."

Nicht nur FDP, sondern auch SPD wendet sich von Vorhaben ab

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen sagte, die Verhandlungen gestalteten sich so komplex, weil Paus "lediglich mit einer groben Idee" in den politischen Prozess gestartet sei. "Erst haben wir über unrealistische Summen diskutiert, danach über unnötige Strukturen und erst langsam sprechen wir endlich über die Instrumente, die zur Überwindung von Kinderarmut beitragen könnten."

Es gebe wohl kaum ein politisches Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, "bei dem wir so mühsam vorankommen - insbesondere weil die Kompromissbereitschaft und notwendiger Realismus fehlen", sagte Jensen. Der SPD-Familienpolitiker Rix argumentierte, die Parlamentarier sähen sich in der Verantwortung, "alternative Lösungsvorschläge zu diskutieren und zu erarbeiten".

Der Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch, verteidigte die Ressortchefin und übte Kritik an den Koalitionspartnern. Paus sei die erste Ministerin, die ernsthaft gegen Kinderarmut vorgehe, sagte Audretsch am Montag. Der Regierungsentwurf sei zudem "bis aufs Komma mit Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner verhandelt – eine gute Grundlage für unsere Gespräche im Bundestag." Er hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP nun weniger die eigenen Leute in der Bundesregierung angriffen und sich mehr auf die Sacharbeit konzentrierten. "Das Thema ist zu ernst für Polit-Spielchen. Unser Fokus liegt auf der Arbeit gegen Kinderarmut."

Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung befindet sich seit Monaten im parlamentarischen Verfahren. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf im vergangenen Herbst beschlossen, seitdem sind aber viele Fragen offen geblieben und immer wieder streitet die Ampel auch öffentlich über Details. Nach dem Willen von Paus sollte das Projekt zum 1. Januar 2025 kommen. Ob das gelingt und in welcher Form, ist derzeit völlig offen.

Die Kindergrundsicherung gilt als das soziale Prestigeprojekt der Grünen. Mit der Sozialreform sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Ziel der Bundesregierung ist es, künftig alle Kinder, die auf Sozialleistungen Anspruch haben, zu erreichen.

Gut möglich, dass der Sparzwang innerhalb der Ampel im Hausse von Familienministerin Paus die ersten großen Auswirkungen zeitigt. Die Frage ist nun, ob die Grünen das so ohne weiteres akzeptieren. Paus hat maßgeblich die linken Reihen ihrer Fraktion hinter sich. Die sehen eine grundsätzliche Kursänderung kritisch und befürchten Rückschnitte in vereinbarten Katalog an Sozialleistungen. Dass dafür wohl keine Geld mehr im Staatssäckel sein wird, ist freilich absehbar, berührt allerdings wohl grundsätzliche Fragen der Koalitionsarchitektur.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Technologie
Technologie Regulieren statt dominieren: Europas letzter Ausweg in der KI-Welt
07.06.2025

Europa droht im globalen KI-Wettlauf abgehängt zu werden. Doch Experten zeigen: Die wahre Macht liegt nicht in der Modellentwicklung,...

DWN
Politik
Politik Kollaps der Insekten-Revolution: EU zerstört ihre eigene Bio-Strategie
07.06.2025

Erst gefeiert als nachhaltige Wunderlösung – nun droht das Aus: Europas Insektenzüchter stecken in der Krise. Die Hoffnung, Fischmehl...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unternehmen verkaufen: Die 10 häufigsten Fehler beim Unternehmensverkauf
07.06.2025

Was Unternehmer beim Verkauf ihres Unternehmens falsch machen – und wie selbst starke Zahlen durch fehlende Strategie, überzogene...

DWN
Politik
Politik Ehegattennachzug stagniert: Rechtliche Hürden beim Sprachnachweis
07.06.2025

Die Zahl der Visa für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist rückläufig. Gleichzeitig bestehen weiterhin sprachliche und rechtliche...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...