Wie aus einer neuen Übersicht der Nato hervorgeht, entspricht die Summe einem Anteil am prognostizierten deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,12 Prozent. Diese Quote liegt höher als noch zu Jahresbeginn erwartet.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich Deutschland vorgenommen, erstmals die 2014 vereinbarte Nato-Zielmarke für Verteidigungsausgaben zu erreichen. Diese Zielmarke sieht vor, dass die Mitgliedstaaten jährlich mindestens zwei Prozent ihres BIP dafür einplanen.
Spanien am Ende der Liste
In diesem Jahr werden nach den neuen Zahlen voraussichtlich 23 Nato-Staaten die Zielmarke erreichen oder sogar überschreiten. Spitzenreiter bei der Quote sind derzeit Polen mit Verteidigungsausgaben in Höhe von 4,12 Prozent des BIP und Estland mit 3,43 Prozent. Beide Länder liegen damit vor den USA, die 2024 nach den jüngsten Schätzungen auf 3,38 Prozent kommen dürften.
Am Ende der Liste stehen Länder wie Spanien, Slowenien und Luxemburg, die derzeit bei unter 1,3 Prozent liegen. Auch Belgien (1,30 Prozent), Kanada (1,37 Prozent), Italien (1,49 Prozent) und Portugal (1,55 Prozent) verfehlen die Nato-Zielmarke deutlich.
Stoltenberg lobt "größte Steigerung seit Jahrzehnten"
Insgesamt werden die derzeit 32 Nato-Staaten nach Schätzungen im Jahr 2024 rund 1,5 Billionen US-Dollar (etwa 1,4 Billionen Euro) für Verteidigung ausgeben. Inflations- und Wechselkursschwankungen herausgerechnet würde dies im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 10,9 Prozent entsprechen. Die europäischen Alliierten und Kanada allein würden den Angaben zufolge auf ein Plus von 17,9 Prozent kommen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der zur Vorbereitung des Nato-Gipfels in Washington weilt, lobte bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden die Entwicklung als "größte Steigerung seit Jahrzehnten". Die Zahlen zeigten, dass die europäischen Bündnispartner und Kanada ihren Teil der Verantwortung für den Schutz aller Mitglieder des Nato-Bündnisses übernähmen. Biden sprach von einer "Rekordzahl" an Verbündeten, die das Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben nun erreichten.
Botschaft an Russland
Mit der deutlichen Steigerung der Verteidigungsausgaben reagieren die Alliierten insbesondere auf Russlands Einmarsch in die Ukraine. Durch eine stärkere Abschreckung und Verteidigung soll Kremlchef Wladimir Putin gezeigt werden, dass ein Angriff auf ein europäisches Nato-Land keine Erfolgschancen hätte. Beim Nato-Gipfel in Washington vom 9. bis 11. Juli würden sich die Verbündeten bereiterklären, die finanzielle Unterstützung für die Ukraine weiter zu verstärken.
Hilfreich könnten die Zahlen auch mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November sein. Der Republikaner hat im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. Trump hatte bereits in seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 wiederholt über zu niedrige Verteidigungsausgaben europäischer Alliierten gewettert und mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.
Stoltenberg sagte in einem Interview mit "Welt" und US-Medien, Trump habe nicht in erster Linie die Nato kritisiert. "Seine Kritik richtete sich gegen Nato-Mitglieder, die nicht genug in die Nato investieren." Der Nato-Generalsekretär lobte erneut das in Wiesbaden geplante Hauptquartier für den Nato-Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte. Die Einrichtung des neuen Hauptquartiers sei wichtig, "unabhängig davon, wer der nächste US-Präsident ist".
USA weit vor Russland und China
Trotz der Steigerungen der Europäer werden die USA den Zahlen zufolge mit schätzungsweise rund 968 Milliarden Dollar erneut mehr als doppelt so viel Geld in Verteidigung investieren wie alle anderen 31 Nato-Partner zusammen und bleiben damit auch international die absolute Nummer eins.
Zum Vergleich: Die Militärausgaben Russlands wurden vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) für 2023 auf rund 109 Milliarden Dollar geschätzt, was unter Berücksichtigung von Kaufkraftunterschieden im Westen etwa 295 Milliarden Dollar entsprechen würde. China lag demnach bei 220 Milliarden Dollar beziehungsweise kaufkraftbereinigt bei 408 Milliarden Dollar.