DWN: Herr Glantz, wie ist die Saison 2024 bisher gelaufen, mit welchen Erträgen bei der Erdbeerernte rechnen Sie dieses Jahr?
Enno Glantz: Durch die Kälte und Nässe ist die Erntephase in diesem Jahr besonders herausfordernd. Anfang Mai waren die Bedingungen noch akzeptabel, aber das nasskalte Wetter im Juni beeinflusst natürlich auch das Konsumverhalten der Menschen. Die Leute essen bei solchem Wetter auch weniger Erdbeeren. Ab 20 Grad Grundtemperatur haben die Leute auch wieder mehr Lust auf Erdbeeren. Trotzdem haben wir das im Griff, da wir auch späte Sorten haben, die wir bis in den Juli hinein ernten, was uns zusätzliche Ertragssicherheit gibt.
DWN: Welche Faktoren sind entscheidend für den unternehmerischen Erfolg eines Saisonbetriebs wie Ihrem?
Glantz: Als Saisonbetrieb müssen wir sehr gute Vorarbeit leisten, damit während der Ernte an alles gedacht ist und wir nicht in unvorhergesehene Situationen geraten. Aber selbst, wenn sie auftreten, muss ein Unternehmer optimistisch bleiben, auch wenn ihm der Wind ins Gesicht bläst. Er muss nach Lösungen suchen und die Kosten dabei geringhalten (immer wieder die Kosten minimieren). Entscheidend ist auch der Einfluss der gesellschaftlichen und staatlichen Rahmenbedingungen. Wenn die nicht stimmen, hat es auch der beste Unternehmer schwer, erfolgreich zu sein.
DWN: Stimmen diese Rahmenbedingungen Ihrer Meinung nach derzeit nicht?
Glantz: Die Ampelregierung macht keinen guten Job. Diese Streitereien zwischen den drei Parteien bringen keine richtige Ruhe in die Politik. Wir als Unternehmen haben unheimlich mit dieser überbordenden Bürokratie und Gesetzesflut zu kämpfen, die uns das Leben so schwer macht. Das ist in Deutschland besonders schlimm geworden. Hier sind eine deutliche Reduzierung und Vereinfachung dringend notwendig. Ein weiteres Problem ist die von Bundeskanzler Scholz vorgeschlagene Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. Während die Erhöhung auf 12,41 Euro für mich nachvollziehbar ist, würden uns 15 Euro vor ein enormes Problem stellen, insbesondere im Vergleich zu anderen EU-Ländern mit deutlich niedrigeren Löhnen.
DWN: Was wäre Ihre Lösung?
Glantz: Es wäre ganz einfach zu lösen, indem man den Mindestlohn als Bruttolohn festlegt, aber für kurzfristige Beschäftigungen einen Nettolohn einführt, der unter dem Bruttolohn liegt.
DWN: Der Arbeitskräftemangel spielt da ja ebenfalls rein. Wie wirkt sich das auf Ihren Betrieb aus und welche Maßnahmen ergreifen Sie dagegen?
Glantz: Der Arbeitskräftemangel ist auch bei uns ein Thema. Darum pflegen wir einen engen Kontakt zu unseren Erntehelfern und stellen sie persönlich ein. Das hat den Vorteil, dass unsere Mitarbeiter eine persönliche Bindung zu unserem Betrieb haben und gerne wiederkommen. Auch in diesem Jahr beschäftigen wir hauptsächlich polnische und ukrainische Erntehelfer. Unsere Verkäufer sind meist Einheimische aus einem festen Stamm. Ich habe Mitarbeiter, die schon in der dritten Generation bei uns arbeiten und schon bei meinem Großvater gearbeitet haben und heute noch bei uns sind. Diesen Kontakt pflegen wir das ganze Jahr, damit unsere Erntehelfer wissen, dass sie wichtig für uns sind. Das hat uns bisher geholfen, motivierte und zuverlässige Arbeitskräfte zu haben.
DWN: Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche – und was halten Sie von der 4-Tage-Woche?
Glantz: Als Saisonmensch arbeite ich in der Erntezeit oft bis zu 80 Stunden pro Woche. Ich hätte keine Ruhe, jetzt irgendwo auf dem Stuhl zu sitzen, wenn die Saison läuft. Außerhalb der Saison sind es etwa 50 bis 60 Stunden. Ich finde meinen Beruf großartig und sehe ihn nicht als Belastung. Zur 4-Tage-Woche: Ich glaube nicht, dass wir unseren sozialen Standard halten können, wenn wir weniger arbeiten. Eine 4-Tage-Woche halte ich daher nicht für sinnvoll. Unsere Volkswirtschaft kann sich das nicht leisten.
DWN: Wie viele Mitarbeiter haben Sie das ganze Jahr über und wie verändert sich die Zahl während der Erntesaison?
Glantz: Ganzjährig beschäftigen wir etwa 20 Vollzeitmitarbeiter und zusätzlich acht Mitarbeiter mit Jahresverträgen. In der Erntesaison steigt die Zahl auf rund 1.700 Saisonkräfte, da wir viele Verkäufer und Erntehelfer benötigen, um die große Menge an Erdbeeren in Hohen Wieschendorf zu bewältigen. Jeder Stand braucht mehrere Verkäufer, und die Erntehelfer sorgen dafür, dass die Erdbeeren schnell und effizient gepflückt werden und immer Nachschub kommt. Die Organisation und Koordination dieser großen Anzahl von Saisonarbeitern ist nicht immer einfach, aber durch sorgfältige Planung und Vorbereitung machbar. Es ist wichtig, dass wir nach der letzten Erdbeere schon die nächste Ernte organisieren. Das ist entscheidend für einen Betrieb wie unseren.
DWN: Wenn Sie auf das Jahr 1972 zurückblicken, als Sie den Betrieb von Ihrem Vater übernommen haben. Wie haben sich die Herausforderungen seitdem verändert?
Glantz: Die unternehmerischen Herausforderungen haben sich seit den 1970er Jahren stark verändert. Damals hatten wir mehr Freiheit und weniger Bürokratie. Ich muss auch sagen, dass ich die neuen Jungunternehmer nicht beneide. Wir hatten den Vorteil, dass es in den 1960er und 1970er Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung gab. Wir hatten mehr unternehmerische Freiheiten und nicht diese Gesetzesflut. Natürlich haben wir damals auch über Gesetze geschimpft. Aber das steht in keinem Verhältnis zu heute. Meine Unternehmergeneration hatte eine gute Zeit und gute Bedingungen. Das wurde leider kaputt gemacht. Nicht nur durch die Ampelregierung, aber sie hat einen großen Anteil daran.
DWN: Heißt das, Unternehmer werden von der Politik nicht genügend geschätzt?
Glantz: Ja, ich finde es schade, dass Unternehmer manchmal negativ dargestellt werden. Die meisten Unternehmer sind Mittelständler und haben nur eine Aufgabe: ihr Unternehmen erfolgreich zu führen. Dazu gehört auch, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um sich zu haben. Ich könnte nicht damit leben, wenn es meinen Mitarbeitern nicht gut ginge. Das ist eine große Verantwortung, die wir als Unternehmer haben.
Zur Person:
Enno Glantz, Jahrgang 1944, ist Geschäftsführer des Erdbeerhofes Glantz mit den Betrieben in Delingsdorf bei Hamburg und Hohen Wieschendorf bei Wismar. Seit 1972 leitet Glantz den Familienbetrieb, der auf eine mehr als 300-jährige Geschichte zurückblicken kann und sich auf den Anbau und die Vermarktung von Erdbeeren spezialisiert hat. Auf insgesamt 400 Hektar werden neben Erdbeeren auch Weihnachtsbäume, Getreide, Raps und Zuckerrüben angebaut. An über 300 Verkaufsstellen, den bekannten Glantz-Erdbeer-Häuschen, vermarktet Glantz seine Produkte in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Darüber hinaus bietet das Unternehmen neben Gastronomie und Hofladen auch Erdbeeren und Himbeeren zum Selbstpflücken sowie Blumen zum Selbstschneiden an.