Geologen des Rohstoffunternehmens „Rare Earths Norway“ haben im Süden Norwegens das größte Vorkommen Seltener Erden in Europa identifiziert. Im „Fen Carbonatite Complex“ soll demnach mindestens 8,8 Millionen Tonnen wirtschaftlich abbaubare Seltenerdoxide, darunter 1,5 Millionen Tonnen der für Windkraft und Elektroautos bedeutenden Elemente Neodym und Praseodym, lagern. Diese Reserven könnten langfristig circa zehn Prozent des europäischen Bedarfs decken.
Lagerstätte in einem urzeitlichen Vulkanschlot
Die wertvollen Seltenerdoxide liegen im „Fen Carbonatite Complex“ (FCC), rund 100 Kilometer südwestlich von Oslo im Bezirk Telemark. Die Lagerstätte befindet sich in einer Formation, die vor rund 580 Millionen Jahren den Schlot eines Vulkans bildete. Erosion hat die Deckschicht abgetragen und das mineralreiche Innere dieses etwa zwei Kilometer breiten Schlots freigelegt.
Die Gesteinsformation enthält größere Vorkommen von Dolomit und eisenhaltigen Mineralen, die die Seltenerdoxide einschließen. Rare Earths Norway hat nun in einer ersten Abschätzung die Menge dieser Erze ermittelt. Das Ergebnis: Aus dem Fen Carbonatite Complex könnten rund 559 Millionen Tonnen Erz mit einem Gehalt von 1,57 Prozent Seltenerdoxiden gefördert werden – in Kiruna liegt der Gehalt bei nur 0,2 Gewichtsprozent. Damit enthält diese Lagerstätte in den oberen rund 450 Metern mindestens 8,8 Millionen Tonnen wirtschaftlich abbaubare Seltenerdoxide.
Unter diesen Seltenen Erden befinden sich sowohl leichte als auch schwere Seltenerdmetalle. Eine vorläufige Schätzung kommt zu dem Ergebnis, dass von dem für Permanentmagnete in Windkraftanlagen und Elektroauto-Batterien wichtigen Elementen Neodym und Praseodym mindestens 1,5 Millionen Tonnen aus dem Komplex gefördert werden können. Geologen von Rare Earths Norway gehen davon aus, dass die Seltenerd-haltige Mineralschicht bis in 1.000 Meter Tiefe reicht.
„Die Daten bestätigen, dass der Fen Carbonatite Complex unzweifelhaft das größte Vorkommen von Seltenen Erden in Europa ist“, sagt Sven Dahlgren, Geologe des Bezirks Telemark. „Die geologischen Daten zeigen, dass die Lagerstätte sogar noch größer ist als anfängliche Untersuchungen im Jahr 2019 vermuten ließen.“ Die aktuellen Schätzungen basieren auf einem sogenannten „Mineral Resource Estimate“, das nur die wirtschaftlich rentablen, weniger als 100 Euro pro Tonne kostenden Abbaukapazitäten umfasst. Die tatsächliche Relevanz der Lagerstätte könnte mit den obigen Zahlen also sogar noch unterschätzt werden.
„Dieser Fund ist ein Meilenstein und könnte von großer Bedeutung für die lokale Kommune, Norwegen und ganz Europa sein“, erklärt Trond Watne, Chefgeologe von Rare Earths Norway. Noch in diesem Jahr plant das Unternehmen eine weitere Bohrkampagne, um mehr Informationen über die Ausdehnung und Förderbarkeit der Seltenerderze zu gewinnen.
Geplant ist zudem eine Pilotanlage in der nahen Kommune Nome, in der neueste Technologien zur Erzverarbeitung eingesetzt werden sollen. „Unser Ziel ist es, eine ganzheitliche, kompakte Lieferkette von der Mine bis zum Magneten zu schaffen – und dies mit geringeren Klima- und Umweltauswirkungen als bisher üblich“, erläutert Alf Reistad, CEO von Rare Earths Norway. Ein großflächiger Abbau könnte in sechs Jahren beginnen, so die vorläufige Schätzung des Unternehmens.
Energiewende ohne Seltenerd-Metalle undenkbar
Als Seltene Erden werden eine Gruppe von seltenen Metallen bezeichnet, die in modernen Technolgien, unter anderem Elektrobatterien, Halbleitern, Displays, Solarzellen und Windrädern verbaut werden. Eine ausreichende Verfügbarkeit an seltenen Erden ist entscheidend für Digitalindustrie und Energiewende.
Sie werden vorwiegend als Nebenprodukt bei der Gewinnung anderer, stärker konzentriert vorliegender Metalle wie Zirkonium und Tantal und aus deren Erzen abgebaut. Der Begriff „selten“ kann für etwas Verwirrung sorgen, denn selbst die seltensten Elemente dieser Metallgruppe sind grob hundertmal häufiger auf der Erde vorhanden als etwa Gold, aber eben viel seltener als Industriemetalle wie Nickel, Kupfer oder Zinn.
Chinesische Dominanz und Skandinavische Träume
Trotz steigender Nachfrage sind diese Metalle knapp und geografisch extrem ungleich verteilt. Derzeit stammen rund 90 Prozent der in Europa benötigten Seltenen Erden aus China und laut „US Geological Survey“ hat das Reich der Mitte bei einer jährlichen Abbaumenge von rund 240.000 Tonnen einen Weltmarktanteil von knapp 70 Prozent. Außerdem dominieren chinesische Firmen die Weiterverarbeitungsketten. Um diese Abhängigkeit zu verringern, suchen Länder intensiv nach eigenen neuen Vorkommen.
Europa spielt derzeit beim Abbau Seltener Erden überhaupt keine Rolle. Unter den westlichen Staaten haben einzig die USA (43.000 Tonnen pro Jahr) und Australien (18.000 Tonnen) einen signifikanten Output. Das dürfte sich mit dem neuesten Fund in Norwegen nun ändern. Die bis zu 9 Millionen Tonnen reiche FCC-Lagerstätte könnte zukünftig etwa zehn Prozent des europäischen Bedarfs an Seltenen Erden decken, was die Abhängigkeit von China reduziert, aber bei weitem nicht eliminiert.
Indes könnte sich ganz Skandinavien perspektivisch zu einem europäischen Hub für Seltene Erden entwickeln. Bereits letztes Jahr wurde in der „Per-Geijer-Lagerstätte“ im schwedischen Kiruna ein sehr großes Vorkommen entdeckt, das mehr als eine Million Tonnen Seltenerdoxiden enthält.