Technologie

China dominiert grüne Technologien – und wird zum Big Player der Erdölindustrie

Lesezeit: 4 min
25.05.2024 09:39
Chinas Exporte von Batterien, Elektroautos und Solarmodulen sind im vergangenen Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen, womit das Land seine Dominanz in den grünen Schlüsselindustrien unterstreicht. Gleichzeitig ist China beinahe unbemerkt zum fünftgrößten Ölproduzenten aufgestiegen und gewinnt im Sektor der fossilen Brennstoffe an Marktmacht.
China dominiert grüne Technologien – und wird zum Big Player der Erdölindustrie
Als Vorreiter hat China Asiens erste zylindrische schwimmende Produktions-, Lager- und Verladeanlage produziert. Durch die außergewöhnliche Lagerkapazität ist die Anlage in der Lage, 15 Jahre lang auf See zu arbeiten, ohne ins Hafenbecken zurückzukehren. (Foto: dpa)
Foto: Zhang Jingang

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Auf mehr als 150 Milliarden Dollar beliefen sich Chinas Exporte grüner Technologien, wie Batterien, Elektroautos und Solarmodule im vergangenen Jahr. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im laufenden Jahr sind die Dollarzahlen zwar rückläufig, dies ist jedoch hauptsächlich auf sinkende Preise zurückzuführen und nicht auf einen Rückgang der Lieferungen, wie eine Analyse chinesischer Handelsdaten zeigt.

Peking spielt seine Dominanz insbesondere bei diesen drei Produkten konsequent aus. Immerhin hat die chinesische Regierung gerade sie als entscheidend für das künftige Wirtschaftswachstum eingestuft, und die enorm wachsenden Fabrikkapazitäten in diesen Industrien tragen dieser Einschätzung Rechnung. Das chinesische Argument, das Land würde auf diese Weise dazu beitragen, die Nachfrage im In- und Ausland zu befriedigen und der Welt den Übergang zu sauberer Energie zu erschwinglichen Kosten erleichtern, wird andernorts jedoch kritisch gesehen. Aus Sicht vor allem der USA und Europas, die ihre eigenen Kapazitäten ausbauen wollen, untergräbt die chinesische Überproduktion, die primär auf gut integrierter Wertschöpfungsketten, schneller Innovation und staatlicher Unterstützung beruht, die Bemühungen ihrer Konkurrenten auf unfaire Weise.

„Neue Drei“ Schlüsseltechnologien

Unter dem Begriff der „Neuen Drei“ fasst China eben jene für das Land besonders bedeutenden Schlüsseltechnologien zusammen. Sowohl bei der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien als auch Solarpaneelen und Elektrofahrzeugen ist China weltweit klar Marktführer. So sind Chinas Batterie-Exporte im Zuge der weltweiten Verbreitung von Elektroautos sprunghaft angestiegen. Die Lieferungen im Wert von 65 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr waren fast 28 Prozent höher als im Jahr 2022, wobei die USA, Deutschland und Südkorea die größten Absatzmärkte waren.

Mit rund 10 Millionen produzierten Elektrofahrzeugen entfiel im vergangenen Jahr fast 70 Prozent der weltweiten Produktion auf China, und die Exportmenge von 1,5 Millionen Fahrzeugen überstieg die des Vorjahres um 64 Prozent. Auch in der Solarindustrie haben chinesische Hersteller einen Großteil des Weltmarktes erobert, indem sie ihre westliche Konkurrenz vor allem über die Preisschraube aus dem Geschäft gedrängt haben. Hier überstiegen die Exporte im vergangenen Jahr die des Vorjahres um mehr als 30 Prozent. Zwar leiden auch die chinesischen Hersteller unter dem selbstverschuldeten Preisverfall vor allem bei Solarpaneelen und EVs, Unterstützung von staatlicher Seite verhindert jedoch zuverlässig die Umsetzung sonst erforderlicher betriebswirtschaftlicher Gegenmaßnahmen.

Chinas neuer Öl-Förderboom

Während sich China seit Jahren als Vorreiter im Sektor der grünen Technologien und als Musterbeispiel auf dem Weg in eine dekarbonisierte Zukunft präsentiert, ist das Land tatsächlich ohne große mediale Aufmerksamkeit gerade im Bereich der Produktion fossiler Energieträger erheblich gewachsen. So trat China bislang vor allem als enorm energiehungriger Marktteilnehmer in Erscheinung, mit großem Importbedarf an Rohstoffen, wie Kohle und Erdöl. Chinas Rolle als bedeutender Ölproduzent wird dabei häufig übersehen, doch mittlerweile ist das Land zum weltweit fünftgrößten Ölproduzenten aufgestiegen.

Durch Milliardenausgaben der staatlichen Energieriesen China National Petroleum (CNPC), China Petroleum & Chemical (Sinopec) und Cnooc ist es Peking gelungen, den 2015 begonnenen Rückgang der inländischen Ölförderung umzukehren und die Produktion im vergangenen Jahr auf nahe seines historischen Höchststands zu steigern. Von einer Produktion von fast 4,4 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2014 sank die inländische Fördermenge bis Mitte 2018 auf 3,8 Millionen Barrel. Von diesem Tiefpunkt bis zum Höhepunkt im Jahr 2023 hat China mehr als 500.000 Barrel pro Tag zusätzlich gefördert - mehr Rohöl als einige OPEC+-Länder täglich produzieren.

Mit einer Fördermenge von 4,3 Millionen Barrel pro Tag ist China nun wieder der fünftgrößte Ölproduzent der Welt, nur hinter den USA, Saudi-Arabien, Russland und Kanada und vor dem Irak. Dieser Aufschwung spiegelt die hohe Priorität wider, die Peking der Energiesicherheit einräumt. Die staatlichen Unternehmen wurden angewiesen, ihre Ausgaben im Jahr 2019 zu erhöhen, als das Land den sogenannten „Sieben-Jahres-Aktionsplan zur Steigerung von Exploration und Produktion“ auflegte. Die Maßnahmen waren eine Reaktion auf den plötzlichen Rückgang der chinesischen Ölproduktion in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts, der in Peking zu einem Gefühl der Unsicherheit führte.

OPEC bekommt jetzt Konkurrenz

China verringert damit die Notwendigkeit, Rohöl im Ausland zu kaufen, was die Bemühungen Saudi-Arabiens und seiner OPEC+-Verbündeten, den Markt zu kontrollieren, erschwert. Neben der zusätzlichen chinesischen Produktion kämpft die OPEC+ bereits mit einer unerwartet hohen Ölproduktion mehrerer ihrer eigenen Mitglieder, die von westlichen Sanktionen betroffen sind. Seit China 1994 zum Nettoimporteur von Erdöl wurde, hat seine Abhängigkeit von ausländischem Öl stetig zugenommen. Noch 2008 entfielen rund 50 Prozent des Ölverbrauchs des Landes auf importiertes Rohöl. Dieser Anteil wuchs jedoch, als die einheimische Produktion schrumpfte und die Nachfrage stieg. Nach offiziellen chinesischen Daten betrug der Anteil der ausländischen Produktion am gesamten Erdölverbrauch im Jahr 2019, als der Siebenjahresplan eingeführt wurde, knapp 73 Prozent. Im vergangenen Jahr deckte die einheimische Produktion trotz steigender Nachfrage bereits fast 30 Prozent des gesamten Ölverbrauchs des Landes.

2022 gaben CNPC, Sinopec und Cnooc rund 80 Milliarden Dollar für Investitionen aus - mehr als Exxon Mobil, Chevron, Shell, TotalEnergies und BP zusammen. Andernorts würde man solche Ausgaben als Verschwendung ansehen, doch in China hat der Erhalt der Energie-Unabhängigkeit Vorrang vor den Gewinn- und Verlustrechnungen der staatlichen Energieunternehmen. Damit verhalten sich die chinesischen Produzenten vollkommen gegensätzlich zu ihren US-amerikanischen Konkurrenten. Deren Vertreter schnallen die Gürtel zusehends enger, vor allem, um ihre Aktionäre zu befriedigen, die höhere Ausschüttungen in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen fordern.

Die Zukunft ist unsicher

Ob Peking seine Förderung weiter steigern kann oder diese zukünftig auf dem erreichten Niveau verharrt, ist allerdings unsicher. Schon die Aufrechterhaltung der Produktion in ausgereiften Ölfeldern hat ihre Grenzen, und China hat bei der Erschließung seiner lokalen Schiefervorkommen gemischte Erfolge erzielt. Die Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) sehen die chinesische Ölförderung schon ab Ende dieses Jahres zurückgehen und bis 2028 wieder auf 4 Millionen Barrel pro Tag sinken. Die Entwicklungen auf der geopolitischen Bühne, im Zuge derer Energie als Waffe eingesetzt wird, dürften Peking jedoch weiterhin dazu veranlassen, im eigenen Land mehr Geld für die Aufrechterhaltung der Energieproduktion auszugeben. Denn dies erscheint sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus militärischen Gründen sinnvoll. Die Kollateralschäden trügen dann vor allem die OPEC+-Gruppe, die als Swing-Produzent den Markt auszubalancieren sucht.

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Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 



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