Die Inflationsdynamik in Deutschland lässt wieder nach. Im Juni lagen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats - nach 2,4 Prozent im Mai, wie das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Zahlen in Wiesbaden mitteilt. Die Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie - die sogenannte Kerninflation - beträgt demnach aktuell 2,9 Prozent. Während sich vor allem Dienstleistungen (plus 3,9 Prozent) verteuerten, wurden Lebensmittel (plus 1,1 Prozent) im Vergleich zum Vorjahresmonat kaum teurer, Energie verbilligte sich sogar (minus 2,1 Prozent).
Die extrem hohe Inflation der vergangenen beiden Jahre ist inzwischen vorbei. Im Jahresschnitt erwarteten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation in Europas größter Volkswirtschaft auf 2,3 Prozent nach noch 5,9 Prozent im vergangenen Jahr. Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das bremst den privaten Konsum, der eine wichtige Konjunktur-Stütze ist.
Ifo-Institut erwartet weiteren Rückgang der Inflation
Der Ökonom Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) nannte den Anstieg im Mai einen Ausreißer. „Der Abwärtstrend bei der Inflation ist intakt und hat sich im Juni nun wieder durchgesetzt.“ In den kommenden Monaten sei mit einem weiteren leichten Rückgang der Inflation zu rechnen.
Das Münchner Ifo-Institut erwartet nach einer aktuellen Umfrage unter Unternehmen zu ihren Preisplänen ebenfalls, dass die Inflation zurückgeht und im August unter zwei Prozent fällt. „Daher dürfte die Inflationsrate ihren Rückgang langsam fortsetzen und im August erstmals seit März 2021 unter die Zwei-Prozent-Marke sinken“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Zuletzt verlief der Rückgang der Preissteigerungsrate zäh. Noch im Mai hatte die Inflation erstmals in diesem Jahr wieder an Tempo gewonnen - vor allem wegen teurerer Dienstleistungen. Bereits im April war der Rückgang der Inflation bei einer Rate von 2,2 Prozent ins Stocken geraten. Volkswirte verwiesen auf gestiegene Löhne, die zu Preiserhöhungen von Unternehmen führen können.
Auch spüren Verbraucher beim Einkauf von Lebensmitteln und im Restaurant weiter schmerzhaft die massiven Preiserhöhungen der Vergangenheit. Nahrungsmittel haben sich in den vergangenen Jahren im Schnitt um mehr als 30 Prozent verteuert, wie eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2024 zeigt.
Tarifabschlüsse und höhere Renten stärken Kaufkraft
Sinkt die Inflation in Deutschland wie auch im Euroraum insgesamt, gäbe das der Europäischen Zentralbank im Jahresverlauf Spielraum für weitere Leitzinssenkungen. Sie hat im Juni erstmals seit der Inflationswelle im Währungsraum die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dämpfte zugleich aber die Erwartung an weitere Zinsschritte.
Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das bremst den privaten Konsum, der eine wichtige Stütze der Konjunktur in Deutschland ist. Gewerkschaften versuchen, die Preissprünge mit hohen Tarifabschlüssen auszugleichen. Auch steigen die Renten deutlich: Die Bezüge für mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland legen zum 1. Juli um 4,57 Prozent zu.
Insgesamt sinken jedoch weiterhin die inflationsbereinigten Lohneinkommen hierzulande (und auch in vielen anderen europäischen Staaten). 2023 verringerten sich die Reallöhne in Deutschland um 0,3 Prozent.