Politik
Kommentar

Scheinwahlen und Repression im Iran: Wie das Regime die Diktatur aufrechterhält

Massud Peseschkian, der angeblich moderate Sieger der Wahlen im Iran, ist keine Hoffnung für tiefgreifende Reformen. Die Europäische Union sollte sich in diesem Fall keine Illusionen machen. Es handelt sich eher um ein Projekt zur Aufrechterhaltung des Regimes. Die Einführung von notwendigen Reformen zugunsten der unzufriedenen Mehrheit im Land kann stets durch die Sturheit des Obersten Führers behindert werden. Deutschland sollte keine Scheinwahlen mehr zulassen und die Konsequenzen für die Menschenrechte berücksichtigen.
08.07.2024 08:11
Aktualisiert: 08.07.2024 10:00
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Scheinwahlen und Repression im Iran: Wie das Regime die Diktatur aufrechterhält
Massud Peseschkian (Mitte) wird in Kürze das Amt des Präsidenten im Iran übernehmen. Obwohl er in den Medien als moderat vorgestellt wird, kann er in wesentlichen Angelegenheiten die extreme Richtlinie des Revolutionsführers im Iran, Ali Chamenei, nicht missachten (Foto: dpa). Foto: Vahid Salemi

Das Ergebnis der jüngsten „Präsidentschaftswahlen“ im Iran wurde bekannt gegeben. In Städten wie Bonn, London und Kopenhagen gab es Proteste vor den Wahllokalen, wo Staatsbürger aus den europäischen Ländern ihre Stimmen abgeben durften. Wie erwartet, spiegeln diese Zwangswahlen nicht den wahren Willen des Volkes wider. Massud Peseschkian, der als Sieger hervorging, ist kein Reformist.

„Zuerst einmal müssen wir dem Obersten Führer danken, denn ich glaube nicht, dass ohne ihn mein Name aus diesen Wahlurnen herausgekommen wäre“, sagte er in einer kurzen Ansprache nach der Bekanntgabe der Ergebnisse. Erstaunlicherweise spielten aus seiner Sicht die Wahlberechtigten, die angeblich zur „Wahlbeteiligung“ aufgerufen wurden, zunächst keine Rolle.

Vor Kurzem erklärte der 70-Jährige aus den türkischen Regionen Irans im Staatsfernsehen, dass er nach der Revolution von 1979 zur Durchführung islamistischer Einschränkungen gegen Frauenbehandlungen im Fach Medizin an einer Universität bevorzugt worden sei.

Er spielt lediglich seine Rolle im Machtspiel des Obersten Führers Ali Chamenei und dient der Aufrechterhaltung eines Regimes, das nach der Niederschlagung der Massenproteste der vergangenen Jahre an einer massiven Legitimitätskrise leidet. Auch über die veröffentlichten Ergebnisse gibt es große Zweifel, da das Regime auch in der Vergangenheit, unter anderem im Jahr 2009, seinen bevorzugten Kandidaten als Sieger vorgestellt und dadurch große Proteste ausgelöst hat. Zahlreiche Bilder und Videos in den sozialen Netzwerken zeigen eher leere Wahllokale. Diese Aufnahmen stehen im Widerspruch zur offiziell bekannt gegebenen Beteiligung von etwa 50 Prozent der knapp 62 Millionen Wahlberechtigten.

Illusion der „tiefgreifenden Reformen“

Der Westen sollte sich hier keine Illusionen machen, dass sich etwas an der Fortsetzung der umstrittenen Atompolitik, der Amerika- und Israelfeindlichkeit, der Verschärfung regionaler Konflikte und der Repression der eigenen Bevölkerung grundlegend im Iran ändern wird. Chamenei und seine Revolutionsgardisten geben weiterhin den Takt im Machtapparat vor.

Es ist ein schwerwiegender Irrtum, Peseschkian als Reformisten oder gar Moderaten zu bezeichnen. Seine politische Laufbahn und seine Handlungen stehen im Einklang mit den Interessen des konservativen Establishments, das seit fast vier Jahrzehnten das iranische Volk unterdrückt. Peseschkian mag in der Rhetorik moderat erscheinen, doch seine tatsächliche Politik folgt strikt der Linie der herrschenden Elite.

Peseschkian handelt nur innerhalb der engen Grenzen, die ihm von Chamenei gesetzt wurden. Seine Präsidentschaft ist lediglich eine weitere Inszenierung, um den Anschein von Legitimität und Veränderung zu wahren und dem Westen eine lächelnde Maske zu zeigen, um die eiserne Hand gegen die eigene Bevölkerung zu verbergen. Die wahre Macht wird weiterhin von einer kleinen, nicht gewählten Elite kontrolliert, die ihren Willen im In- und Ausland mit Lügen, Fälschungen, Propaganda und Terror durchsetzt. Jede scheinbare Reformankündigung ist in Wahrheit ein wohlkalkulierter Schachzug im Machtspiel des Regimes.

Gefahr der Täuschung der Medien

Es ist wichtig, dass Medien bei ihrer Berichterstattung über diese sogenannten Wahlergebnisse klarstellen, dass es sich um Scheinwahlen handelt. Die echte Vertretung der Mehrheit fehlt völlig. Auch die Zählung der Stimmen sowie die Auswahl der Kandidaten sind streng kontrolliert und manipuliert. Die Berichterstattung sollte stets betonen, dass das Volk keine echte Wahl hat und diese Urnen im In- und Ausland keine demokratische Legitimität besitzen.

Es ist unverantwortlich für Medien und andere Plattformen, die Vorstellung zu fördern, dass diese Wahlen echte Veränderungen herbeiführen könnten. Solche Darstellungen ermöglichen dem Regime, seine Macht zu festigen und die internationale Gemeinschaft zu täuschen. Es ist entscheidend, dass die Öffentlichkeit die Realität erkennt: Diese Wahlen dienen nur dazu, die Herrschaft der bestehenden Machthaber zu verlängern und ihre Macht zu legitimieren.

Wie es nach 2013 oft der Fall war, werden bald auch neben der Medienpropaganda des Regimes seine Sprachrohre und Apologeten im Ausland wieder aktiver: Sie werden vor allem die internationale Gemeinschaft davon überzeugen wollen, das Regime als legitim und normal zu betrachten und mit ihm zusammenzuarbeiten, weil es angeblich „weitreichende Reformen“ bevorstünden. Auch Deutschland wird hier mit manchen altbekannten Stiftungen und Think-Tanks zur Beeinflussung der Iran-Politik der Bundesregierung keine Ausnahme sein.

Radikale Rhetorik zum Thema Nahost

Besonders besorgniserregend sind die jüngsten Äußerungen eines Vertreters des Wahlstabs von Peseschkian, der in einem TV-Gespräch sagte: „Die Islamische Republik als Mittelpunkt der Achse des Widerstands sollte sich konkret mit der zukünftigen Strategie und den Plänen des Kampfes gegen das zionistische Regime befassen und dieses Thema zum Schwerpunkt seiner Außenpolitik machen.“

Solche radikalen Aussagen verdeutlichen nur, dass auch seine Präsidentschaft nichts an den Handlungen der Revolutionsgardisten im Nahost-Konflikt ändern würde. Es werden weiterhin alte Feindbilder bedient, was die Instabilität in der Region verstärken kann. Die internationale Gemeinschaft und die Medien müssen ihre Verantwortung gegenüber solchen Narrativen des Regimes weiterhin wahrnehmen und der Realität der Scheinwahlen durch Machenschaften mit den Politikern des Regimes oder den regimenahen „Iran-Experten“ nicht aus dem Weg gehen.

Auch Peseschkian muss für die mögliche Menschenrechtsverletzung während seiner Amtszeit zur Rechenschaft gezogen werden. Solange die Mehrheit nicht frei und fair wählen kann und die Möglichkeiten der Abstimmungsmache und Wahlfälschung ohne jegliche neutrale Aufsicht bestehen, werden die Stimmabgaben keine tiefgreifenden Veränderungen bringen. Es ist an der Zeit, diese Scheinwahlen mehr und mehr zu entlarven, deren Durchführung in Europa zu stoppen und völkerrechtliche Wege in diesem Zusammenhang zu finden. Nur dadurch kann dem Regime dieses Propagandainstrument durch Stimmabgaben aus dem Westen genommen werden. Der politische Islam kann und wird keine ernsthaften Lösungen für grundlegende Probleme und Krisen im Iran anbieten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

DWN
Technologie
Technologie Automesse startet trotz Krisenmodus: So präsentieren Hersteller ihre Neuheiten
09.09.2025

Mitten in herausfordernden Zeiten für die Automobilbranche öffnet die IAA Mobility in München ihre Tore. Bis Freitag können...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shell-Biokraftstoffprojekt in Rotterdam endgültig gestoppt
09.09.2025

Shell hat sein milliardenschweres Biokraftstoffprojekt in Rotterdam endgültig gestoppt. Der Rückzug zeigt, wie brüchig die Basis der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nebius-Aktie mit Kurssprung: Milliardendeal mit Microsoft treibt Nebius-Aktie in die Höhe
09.09.2025

Ein Milliardenauftrag von Microsoft katapultiert die Nebius-Aktie nach oben – doch hinter dem Kurssprung steckt mehr als ein einmaliges...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert weiter: Spekulationen auf Fed-Zinssenkung treiben Kurs auf Höchststand
09.09.2025

Der Goldpreis setzt seinen Aufwärtstrend fort und erreicht am Dienstag den dritten Höchststand in Folge. Treibende Kraft sind Erwartungen...

DWN
Politik
Politik Enthüllt? Demokraten zeigen Trumps brisanten Brief an Epstein
09.09.2025

Mitten im politischen Wettkampf der USA sorgt ein altes Schreiben für Aufsehen: Die Demokraten veröffentlichten einen angeblichen...

DWN
Politik
Politik Regierungsbeben in Frankreich: Politische Blockade, soziale Not und Druck aus Europa
09.09.2025

Frankreich steckt nach dem Sturz der Regierung in einer tiefen Krise. In der Nationalversammlung blockieren sich die politischen Lager...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zweitwichtigste Weltwährung: Euro-Kurs trotzt Trump-Chaos und Krypto-Risiken
09.09.2025

Der Euro behauptet seine Rolle als zweitwichtigste Weltwährung. Doch wachsende Risiken, Trumps Dollar-Chaos und die Konkurrenz durch...

DWN
Finanzen
Finanzen VW-Aktie: Volkswagens Namenschaos – Rettung oder letzter Trick im Poker um Elektroautos?
09.09.2025

Volkswagen verabschiedet sich vom bisherigen Namensschema seiner Modellreihen. Künftig sollen neue Elektroautos klassische...