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Kommentar

Scheinwahlen im Iran: Warum Deutschland Stimmabgaben nicht zulassen soll

Lesezeit: 4 min
01.07.2024 13:27
Trotz zahlreicher Aufrufe zur Wahlbeteiligung gelang es den Mullahs im Iran bisher nicht, ihre Macht zu legitimieren. Mit einer vermeintlich niedrigen Wahlbeteiligung von 40 Prozent zeigen die Iraner deutlich ihr Misstrauen. Deutsche Städte sollten daher solche Scheinwahlen nicht unterstützen. Eine Analyse.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich kürzlich zu islamistischen Hetzern geäußert: „Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Diese Aussage gewinnt wieder an Relevanz, wenn man bedenkt, dass in deutschen Städten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Bonn weiterhin Wahllokale für die Präsidentschaftswahl zugunsten des größten islamistischen Regimes im Nahen Osten, dem Iran, geöffnet werden. An diesen Wahlen nehmen auch Wahlberechtigte aus dem Herzen einer Demokratie teil, die das Leben der Menschen im Iran mitbestimmen und die Fortsetzung einer Diktatur verlängern. Es bleibt fragwürdig, warum Deutschland Wahlaktivitäten für ein Regime unterstützt, das geistig in der Steinzeit verharrt.

Die letzten Abstimmungen in diesem Zusammenhang fanden laut der iranischen Botschaft in Berlin am vergangenen Freitag in Deutschland statt, und zwar für eine Regierung, die ihr Volk in die Steinzeit zurückführen will. Das Regime unterstützte auch den syrischen Machthaber Baschar al-Assad während des Bürgerkrieges, was zu massiven Fluchtbewegungen auch nach Europa führte, die auch Islamisten nutzten, um die EU-Staaten zu erreichen.

Wahlbeteiligung und anstehende Stichwahl

Vor dem Hintergrund der Präsidentenwahl im Iran hatte die Oppositionsgruppe „Nationaler Widerstandsrat Iran“ (NWRI) zu einer Protestkundgebung in Berlin aufgerufen. Daran nahmen nach Angaben des NWRI die ehemaligen Bundesminister Peter Altmaier (CDU) und Franz Josef Jung (CDU) teil. Auch die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) schickte eine Botschaft an die Teilnehmer.

Trotz aller Bemühungen im In- und Ausland hat das Innenministerium im Iran eine Wahlbeteiligung von 40 Prozent bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen bekannt gegeben. Dies gilt als die niedrigste in der 45-jährigen Geschichte der Islamischen Republik nach der Revolution von 1979. Es ist ein klares Zeichen der Ablehnung der aktuellen Staatsform im Iran. Eine Legitimation ihrer Macht haben die Mullahs nicht erhalten. Eine Stichwahl steht am 5. Juli bevor.

Der angeblich moderate Massud Peseschkian hat die meisten Stimmen erhalten, jedoch nicht die erforderliche Mehrheit. Im zweiten Durchgang wird der 70-Jährige gegen den ultrakonservativen Said Dschalili antreten, obwohl die Bevölkerung ihr Misstrauen gegenüber dem Regime bereits deutlich gemacht hat. Die Auswahl der Präsidentschaftskandidaten erfolgt durch den sogenannten Wächterrat, der nur regimetreue Kandidaten zulässt. Dies stellt sicher, dass echte Reformkandidaten oder Oppositionelle kaum eine Chance haben, gewählt zu werden.

Seit Jahren lässt das Regime die Bevölkerung zwischen dem schlimmsten und weniger schlimmen Kandidaten wählen, um den Anschein einer demokratischen Wahl zu erwecken. Aus Angst vor Ultrakonservativen muss sich die Wahlberechtigten für einen Kandidaten entscheiden und eine Zwangswahl eingehen, der das politische, wirtschaftliche und soziale Leben der Mehrheit weniger erschwert. Ein möglicher Anstieg der Stimmzahlen zugunsten eines der Kandidaten dient auch der internationalen Scheinlegitimation eines repressiven Systems, das die Mündigkeit der Bürger systematisch ignoriert.

Unabhängig von dieser ungerechten und perfiden Methode weisen Kritiker auf die massive Niederschlagung der landesweiten Proteste der letzten Jahre im Iran hin und argumentieren, dass das Regime seine Legitimität verloren hat und nicht zur Wahl aufrufen darf.

Verdacht auf Wahlbetrug

Nach offiziellen Angaben im Iran erhielt Peseschkian von insgesamt etwa 24,5 Millionen Stimmen fast 10.415.991 Millionen, während Dschalili fast 9.473.298 Millionen Stimmen erhielt. In den sozialen Medien und weiteren Sendern im Ausland wird jedoch diskutiert, dass die Wahlergebnisse manipuliert sein könnten.

Die Nutzer des sozialen Netzwerks X haben auf bemerkenswerte Stimmzahlen hingewiesen. Alle angegebenen Zahlen seien Vielfache der Zahl 3. Manche Nutzer schreiben, dass dies praktisch ein unmögliches bis gefälschtes Ergebnis sei und auf Wahlbetrug hindeute. Die Regierung in Teheran bestreitet in solchen Fällen jegliche Wahlfälschung oder Manipulation.

Unabhängig von diesen Diskussionen ist es dringlich notwendig, dass Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Bonn ihre Unterstützung für die Durchführung solcher Scheinwahlen einstellen.

Diese Städte müssen ein klares Zeichen setzen, dass sie gegen die Bereitstellung von Kapazitäten für die Begünstigung der Wahlfälschung, Unterdrückung, Antisemitismus und Menschenrechtsverletzungen des Regimes in Teheran stehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Werte des Grundgesetzes, insbesondere der Schutz der Menschenwürde, in jeder Hinsicht respektiert werden.

Keine Unterstützung islamistischer Propaganda

Es stellt sich die Frage, warum Islamisten, die die Vernichtung Israels, die blutige Niederschlagung von Protesten und Scheinwahlen unterstützen, weiterhin in europäischen Staaten Propaganda betreiben dürfen. Warum möchten jene, die an diesen Wahlen zugunsten einer Führung, die geistig in der Steinzeit lebt, teilnehmen, nicht im Iran leben?

Das iranische Regime unterdrückt Frauen, will Israel vernichten und schlägt legitime Proteste blutig nieder. Die Unterstützung solcher Wahlaktivitäten in Deutschland widerspricht den Grundwerten der deutschen Verfassung und muss sofort beendet werden. Das Grundgesetz, insbesondere Artikel 1, legt fest, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

Diese Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde durch politische Prozesse wie Stimmabgaben, die in Deutschland stattfinden, steht im Gegensatz zu den Handlungen des iranischen Regimes, das Menschen verhaftet, foltert und tötet, die für ihre Grundrechte protestieren. Die Stimmabgaben in Europa dienen der Legitimierung eines Regimes, das diese Haltung gegenüber Grundrechten nicht ändert. Es darf vor diesem Hintergrund keine Stimmabgaben zugunsten eines solchen Regimes in Deutschland geben.

Wenn Abstimmungen zugunsten eines Regime organisiert werden sollen, das unter dem Verdacht steht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, haben die deutschen Behörden die Möglichkeit, keine Unterstützung zu leisten. Dies könnte die Verweigerung von logistischen Hilfen und Überwachung der Wahlprozesse umfassen.

Verantwortung der deutschen Städte

Auch Polizeieinsätze gegen mögliche Proteste vor Stimmabgaben und die Nutzung weiterer Kapazitäten der Städte sind nicht zu rechtfertigen, vor allem im Hinblick darauf, dass das gesamte Prozedere eine Scheinwahl gegen den Willen des Volkes im Iran ist.

Es ist unverständlich, dass deutsche Städte solche Wahlveranstaltungen zulassen und damit indirekt ein Regime unterstützen, das nun mit dem Vorwurf des Verbrechens gegen die Menschlichkeit konfrontiert ist. Die deutschen Städte müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden und klare Zeichen gegen Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen setzen.

Besonders alarmierend ist, dass die Islamische Republik Iran bereits in den 1990er-Jahren Terrorangriffe in Berlin und Bonn durchgeführt hat und neulich auch eine antisemitische Attacke in Nordrhein-Westfalen organisiert haben soll. Dies zeigt die unmittelbare Gefahr, die von diesem Regime ausgeht, und verdeutlicht die Notwendigkeit, jegliche Unterstützung in Form der Begünstigung einer Scheinwahl zu unterbinden. Die Durchführung von Wahlen im Namen eines solchen Regimes verletzt die Grundwerte der deutschen Demokratie.

Es ist an der Zeit, dass die Verantwortlichen in Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Bonn klare Maßnahmen ergreifen. Die Unterstützung für ein antisemitisches, frauenfeindliches und repressives Regime darf nicht länger hingenommen werden. Die betreffenden Städte müssen die Durchführung solcher Scheinwahlen auf ihrem Gebiet untersagen, bei denen die wahre Vertretung der Mehrheit eines Volkes fehlt.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.


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