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Kommentar

Absturz des Präsidentenhubschraubers im Iran: Raisis Tod ändert nichts an der Diktatur

Lesezeit: 3 min
21.05.2024 13:05
Der Hubschrauberabsturz, bei dem Irans Regierungschef Ebrahim Raisi starb, sorgt weiterhin für Reaktionen weltweit. Manche Experten spekulieren über Sabotage. Der Vorfall ändert die Legitimitätskrise und das Misstrauen der Bevölkerung nicht.
Absturz des Präsidentenhubschraubers im Iran: Raisis Tod ändert nichts an der Diktatur
Mitglieder eines Rettungsteams tragen die Leiche eines Opfers nach einem Hubschrauberabsturz. Irans Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hussein Amirabdollahian sind beim Absturz ums Leben gekommen (Foto: picture alliance/dpa/Moj News Agency/AP).
Foto: Azin Haghighi

Der Tod des iranischen Regierungschefs Ebrahim Raisi und seines Außenministers Hossein Amirabdollahian bei einem Hubschrauberabsturz wirft Fragen zur Sicherheit und Zukunft der politischen Führung im Iran auf. Es wird weiterhin spekuliert, was tatsächlich zu dem Vorfall geführt hat - Sabotage oder technisches Versagen.

Eine Gruppe iranischer Experten im Ausland schließt Sabotage aufgrund innerer Machtkämpfe oder kritischer Kreise im Lande nicht aus: Der Absturz mit neun Toten könnte das Ergebnis interner Machtkämpfe um die Nachfolge des „Obersten Führers“, Ali Chamenei, oder sogar die Operation eines ausländischen Geheimdienstes gewesen sein. Letztere Spekulationen werden jedoch derzeit in den offiziellen Stellungnahmen aus den USA und anderen Ländern bestritten. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die laufenden Ermittlungen im Iran bringen werden.

Menschenrechtliches Bewusstsein gegen diplomatische Formalitäten

Die internationalen Beileidsbekundungen haben in der iranischen Diaspora auch in Deutschland Kritik ausgelöst. Raisi, der in den letzten Jahrzehnten im Staatsapparat auch für zahlreiche Tote und Verletzte unter anderem bei den Protesten gegen das Regime mitverantwortlich war, wird in Deutschland teilweise verharmlost, als seien seine Taten unbekannt. Die vielen internationalen Botschaften erwecken den Eindruck, als würden ausländische Politiker, um einen gewagten Vergleich anzustellen, den früheren SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann verharmlosen und der deutschen Bevölkerung für seinen Tod Beileid aussprechen.

Raisi stand seit Jahren wegen seiner Beteiligung an den Massenhinrichtungen in den 1980er-Jahren unter dem Vorwurf des Massenmords, da er Mitglied einer verantwortlichen Kommission der damaligen Justiz war. Während einer Pressekonferenz zeigte er sich selbstbewusst und ohne Reue für seine Rolle bei den Hinrichtungen. Gegenüber dem katarischen Sender „Al Jazeera“ sagte er sogar, dass er dafür „gelobt und belohnt“ werden sollte.

Propaganda soll nicht täuschen

Der Hubschrauberabsturz ereignete sich in einer Zeit, in der das Regime in Teheran wegen der blutigen Unterdrückungen der letzten Jahre eine massive Legitimitätskrise erlebt. Die Wahl eines neuen Regierungschefs würde in einem Klima politischer Unsicherheit und niedriger Wahlbeteiligung stattfinden, da schätzungsweise nur maximal 15 Prozent der Iraner an den Wahlen teilnehmen würden.

Diese geringe Beteiligung spiegelt das weitverbreitete Misstrauen und die Entfremdung der Bevölkerung von der politischen Führung wider. Zudem leidet das System unter mehreren Krisen, einschließlich der weit verbreiteten Ablehnung einer Fortsetzung der islamistischen Herrschaft und der aktuellen Staatsform durch die Mehrheit der Bevölkerung. Die propagandistischen Bilder der nächsten Tage von der Teilnahme der Regime-Anhänger am Trauerzug sollten nicht den Eindruck erwecken, dass die Sehnsucht der Mehrheit der Menschen nach dem Ende der Bevormundung durch die religiösen Machthaber in Teheran nachgelassen hat.

Auf internationaler Ebene ist das iranische Regime zunehmend isoliert, insbesondere aufgrund des laufenden Krieges zwischen Israel und Hamas im Nahen Osten und der jüngsten Luftangriffe auf Israel. Diese Entwicklungen haben die diplomatischen Beziehungen des Iran weiter belastet und zu einer verstärkten Isolation auf der globalen Bühne geführt.

Deutschlands Rolle und Menschenrechte

Mittlerweile haben die EU-Kommission, die USA und andere Staaten offiziell Teheran kondoliert. Auch Bundeskanzler Scholz hat zum Tod Raisis mittlerweile sein Beileid ausgesprochen.

Die Bundesregierung sollte in dieser Situation weiterhin auf die Einhaltung der Menschenrechte im Iran beharren. Deutschland sollte darauf achten, die Legitimierung einer Staatsform zu vermeiden, die auf Menschenverachtung und der Ausgrenzung der Mehrheit der Bevölkerung bei den politischen Entscheidungen basiert. Diplomatisch könnte sich Deutschland im übrigen stärker für die Entstehung einer demokratischen Staatsform im Iran einsetzen und dies gemeinsam mit internationalen Partnern unterstützen.

Unsichere Zukunft für die Bevölkerung

Der Hubschrauberabsturz und die damit verbundenen politischen und internationalen Reaktionen werfen ein Schlaglicht auf die schwierige Situation und die Fortsetzung einer religiösen Diktatur im Iran. Auch Raisis Nachfolger wird der Linie des 84-jährigen Chamenei, bei wichtigen Entscheidungen folgen. Angesichts seines hohen Alters wird derzeit über eine Nachfolge des „Obersten Führers“ nachgedacht. Der interne Machtkampf um diese Nachfolge wird ebenfalls als möglicher Grund für Sabotagen gegen potenzielle Konkurrenten wie Raisi erachtet.

Selbst im Falle von Neuwahlen - möglicherweise bereits am 28. Juni - sind weiterhin allerdings keine großen Änderungen zugunsten der unterdrückten Bevölkerung in Sicht. Die kommenden Tage und Wochen dürften für das Regime entscheidend werden, um eine Erklärung der Ursachen des Vorfalls vorzulegen und die möglichen politischen Konsequenzen zu ziehen.

Dieser Vorfall hat erneut gezeigt, dass ein Regime, welches in einer Notsituation, wie dem Absturz des Präsidentenhubschraubers, das zum Erzfeind erklärte Land, die USA, um Hilfe bei der Suchaktion bittet, viel fragiler ist, als es annimmt.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

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