Finanzen

Alarmierende Zahlen: 5 Millionen Langzeitversicherte mit Renten unter 1.200 Euro

45 Jahre Versicherungsbeiträge – das scheint eine solide Grundlage für eine hohe Rente zu bieten. Dennoch müssen über eine Million Menschen in Deutschland trotz dieser langen Einzahlungsdauer mit bescheidenen Rentenleistungen auskommen.
23.07.2024 09:17
Lesezeit: 2 min
Alarmierende Zahlen: 5 Millionen Langzeitversicherte mit Renten unter 1.200 Euro
In den ostdeutschen Ländern sind besonders lange Versicherte mit niedriger Rente häufiger vertreten als im Westen. (Foto: dpa) Foto: Fernando Gutierrez-Juarez

Rund jede und jeder Fünfte mit mindestens 45 Versicherungsjahren kommt in Deutschland lediglich auf eine Rente unter 1.200 Euro. Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung an Sahra Wagenknecht, Chefin der nach ihr benannten Bundestagsgruppe BSW, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Unter 1.200 Euro im Monat lag der Rentenzahlbetrag Ende vergangenen Jahres bei rund 1,08 von 5,40 Millionen Altersrenten mit mindestens 45 Versicherungsjahren.

Ostdeutsche mit langer Einzahldauer öfter betroffen

In den ostdeutschen Ländern liegen die Anteile der besonders lange Versicherten mit kleiner Rente sogar höher als im Westen. So beziehen in Brandenburg rund 71.000 Menschen eine Rente nach 45 Jahren unter 1.200 Euro, 212.000 dieser besonders lange versicherten Rentnerinnen und Rentner liegen darüber. In Sachsen liegt das Verhältnis bei 145.000 zu 363.000, in Thüringen sind es 74.000 mit niedrigerer und 189.000 mit höherer Rente.

Schlusslicht Thüringen

Auch nach der Durchschnittsrente nach mindestens 45 Versicherungsjahren fragte Wagenknecht - die Antwort: bundesweit 1.604 Euro. Im Westen sind es - Stand Dezember 2023 - 1.663 Euro, im Osten 1.471 Euro. Angeführt von Hamburg mit 1.721 und Nordrhein-Westfalen mit 1.709 Euro liegen alle westdeutschen Länder sowie Berlin über 1.600 Euro.

Darunter: Brandenburg (1.500 Euro), Sachsen (1.458), Mecklenburg-Vorpommern (1.455), Sachsen-Anhalt (1.452 Euro) und als Schlusslicht Thüringen (1.437 Euro) - die ostdeutschen Flächenländer. Allerdings hatte Wagenknecht nur nach den Renten nach mindestens 45 Jahren gefragt. Anders die Durchschnittsrenten: Sie sind im Osten höher als im Westen - denn viele haben hier länger gearbeitet, vor allem Frauen.

„Deutsche sollten sich Niedrig-Renten nicht mehr bieten lassen“

„1.604 Euro Durchschnittsrente nach mindestens 45 Arbeitsjahren - dieser Wert zeigt, wie leistungsschwach die deutsche Rentenversicherung ist“, sagte Wagenknecht der dpa. „Dass jeder fünfte Rentner nach 45 Arbeitsjahren sogar weniger als 1.200 Euro Rente bekommt, ist ein politischer Skandal.“

Der anstehende Bundestagswahlkampf wird nach der Erwartung Wagenknechts auch eine Volksabstimmung über die gesetzliche Rente, wie die frühere Linksfraktionschefin sagte. „Die Deutschen sollten sich derart niedrige Renten, die dann auch noch hoch besteuert werden, nicht länger bieten lassen“, sagte sie.

Warum sind Renten niedrig?

Niedrige Renten haben mehrere Ursachen. Zum einen beziehen auch viele Selbstständige, Beamte oder Hausfrauen eine gesetzliche Altersrente, weil sie irgendwann in ihrem Leben mindestens fünf Jahre lang Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung erläutert. Fünf Jahre sind die Mindestdauer für eine Rente. Die daraus folgenden Bezüge bleiben gering.

Rentenmindernd bei vielen westdeutschen Frauen zudem: Längere Arbeitspausen, mehr Teilzeit, niedrigere Löhne. Das Bundesarbeitsministerium betont in seiner Antwort an Wagenknecht zudem, aus der Rentenhöhe könne nicht auf die Höhe des Einkommens insgesamt geschlossen werden. Bei vielen Seniorinnen und Senioren kommen weitere Einkommen dazu. Das Ministerium verwies ferner auf den Haushaltskontext - also Fälle von meist Partnerinnen mit kleiner Rente, aber auskömmlicher Gesamtsituation.

Österreich als Vorbild?

Wagenknecht fordert, Deutschland möge sich ein Beispiel an einem Nachbarland nehmen - Österreich. Dort liege die Durchschnittsrente für langjährig Versicherte 800 Euro höher. „Was dort geht, muss auch bei uns möglich sein“, sagte Wagenknecht. „Wir brauchen höhere Renten nach dem Vorbild Österreichs und eine Rentensteuerbremse.“ Im Vergleich zum EU-Schnitt sei das Rentenniveau in Deutschland rund zehn Prozentpunkte zu niedrig.

Was fällt beim Rentenvergleich mit Österreich auf? Tatsächlich spürbar frühere und höhere Renten. Als Hauptgrund gilt eine Rentenreform vor rund 20 Jahren: Fast alle Erwerbstätigen zahlen im Nachbarland in die gesetzliche Rentenkasse ein, auch die Staatsbeschäftigten. Sowohl der Steuerzuschuss für die Rente als auch die Beitragssätze sind noch höher als in Deutschland, und zwar deutlich. Eine Rente bekommt man in Österreich auch erst nach 15 Jahren. Auch deshalb sind die Durchschnittsrenten höher. Der Beitragssatz ist in Österreich höher als in Deutschland. Der Arbeitgeber zahlt dabei mehr als der Arbeitnehmer, die Aufteilung ist nicht paritätisch.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....