Bequem und stressfrei soll das Bahnfahren idealerweise sein. Berichte über ausgefallene Klimaanlagen in ICE-Zügen im Sommer sprechen allerdings häufig eine andere Sprache. Die Klimageräte in den Fernzügen der Deutschen Bahn (DB) gelten landläufig oft als unzuverlässig. Doch stimmt dieser Eindruck? Nein, sagt die Bahn - und will die Klimasysteme dennoch weiter verbessern.
Nur 0,3 Prozent aller ICE- und IC-Wagen mussten im vergangenen Jahr wegen einer gestörten Klimaanlage gesperrt werden, ergab kürzlich eine parlamentarische Anfrage. Bei modernen ICE-Zügen liegt die Zuverlässigkeit laut einem DB-Sprecher noch höher. Und: Wenn eine Klimaanlage ausfalle, dann für gewöhnlich eben nur in einzelnen Wagen. Warum ist also das Image der Klimaanlagen so schlecht?
Hohe Last auf Klimaanlagen in Zügen
„Erstens ist die Wahrnehmung immer subjektiv. Wenn eine Klimaanlage ausfällt, ist sie für die Betroffenen natürlich zu 100 Prozent ausgefallen“, sagt Alexander Hartberg, Sprecher Technik bei der DB. Ein weiterer Grund seien Probleme mit ICE-2-Zügen Anfang der 2010er Jahre. Damals fielen Klimaanlagen reihenweise aus. „Wir haben das aber genau untersucht und das Problem gelöst“, berichtet Michael Meister. Er arbeitet bei der DB Systemtechnik an der Verbesserung von Zügen.
Er betont: „Klimaanlagen müssen viel leisten“. Viele Stunden am Tag, bei fast jedem Wetter sollen sie für Frischluft und die richtige Temperatur sorgen - und das über viele Jahre. Einige ICE sind, mit Modernisierungen, seit 1991 im Einsatz. Und: Das Wetter und die Temperaturen würden durch den Klimawandel extremer, so Meister. Modernisierte Klimaanlagen seien daher inzwischen auf Außentemperaturen bis zu 45 Grad ausgelegt. „Im Großen und Ganzen ist die Zuverlässigkeit gut“, sagt auch ein Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn.
Die DB investiert laut eigenen Angaben allein für den Fernverkehr jährlich einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in die Wartung der Klimaanlagen. Ginge es nach Pro Bahn, könnte das Unternehmen in dem Bereich noch besser werden. „Teilweise kommen Züge nicht komplett repariert aus der Werkstatt“, sagte ein Sprecher. Das liege allerdings am Personalmangel und betreffe nicht nur Klimaanlagen.
Die genaue Temperatur im Zug liegt übrigens nach einer Norm um die 23 Grad Celsius. Bei Sommerhitze kann sie höher liegen, damit Fahrgäste nicht frieren und die Klimaanlage energiesparend laufen kann. Das Zugpersonal kann die einprogrammierten Vorgaben nur um wenige Grad anpassen.
Die Bahn forscht derweil daran, die Klimatechnik besser für die Zukunft aufzustellen. In Minden steht dafür eine 75 Meter lange Klimakammer, in der Züge unter extremen Temperaturen oder bei Regen und Schnee getestet werden können. Seit 2020 gibt es zudem den Test-Waggon namens Dirk. Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) soll in dem ehemaligen ICE-2-Wagen vor allem erprobt werden, wie das Klima innerhalb der Züge verbessert werden kann. Aus Sicht von Pro-Bahn ein extrem wichtiges Projekt. „Kühle Luft muss im Zug gleichmäßig verteilt werden“, betonte ein Sprecher.
Belüftung soll komfortabler werden
„Unser Ziel ist es, den Komfort zu verbessern und die Anlagen effizienter zu machen“, erklärt Daniel Schmeling vom DLR in Göttingen. Die Klimaanlage sei einer der größten Energieverbraucher im Zug, nur der Antrieb brauche mehr Strom. Auch deshalb würden die Einstiegsbereiche etwas weniger klimatisiert.
Mit öffentlichen Geldern sowie im Auftrag von Bahnunternehmen oder Zugherstellern erproben das DLR und die DB in dem Testwaggon neue Technologien möglichst realitätsnah, die zuvor in kleineren Zugmodellen in Göttingen untersucht wurden. Diese Zusammenarbeit wurde kürzlich um drei weitere Jahre verlängert.
Die Temperatur im Zug hängt von vielen Faktoren ab, die sich während der Fahrt oft ändern - etwa der Sonneneinstrahlung oder der Zahl der Reisenden, erklärt Meister. Schmeling und seine Kollegen haben Dirk deshalb mit über 100 Sensoren, Wärmebildkameras und Puppen ausgestattet. Wie ein echter Mensch geben die schwarzen Figuren rund 80 Watt Wärme ab. Die Sensoren messen unter anderem Oberflächentemperaturen, Luftfeuchtigkeit oder den CO2-Gehalt.
Mit künstlichem Nebel können die Forscher Luftströme im Zug sichtbar machen. Normalerweise führen diese von den Decken, wo Frischluft eingespeist wird, zu den Außenwänden, wo sie im Fußraum wieder abgesaugt wird. Eines der Forschungsprojekte widmete sich in der Corona-Pandemie der Verteilung von Partikeln in der Luft.
In Zukunft Sitzheizungen bei der Bahn?
In einem anderen Projekt untersuchten die Fachleute Sitzheizungen und wärmende Infrarot-Paneele an den Sitzrückseiten. Die Idee: „Wenn Fahrgäste die Temperatur an ihrem Sitz selbst einstellen, könnte die Grundtemperatur im Wagen einige Grad kälter gehalten werden, etwa um Energie zu sparen“, sagt Schmeling.
Bei einem Versuch mit Testpersonen seien die Rückmeldungen positiv gewesen. Doch ob die Technik jemals eingesetzt werde, sei noch völlig offen. Auch an Luftdüsen, um Sitzplätze ähnlich wie in Flugzeugen individuell zu kühlen, werde geforscht. Ziel sei es, an jedem Sitzplatz eine ideale Temperatur ohne Zugluft zu haben - bloß sei die für jeden Reisenden anders.
Den besten Sitzplatz gibt es nicht
Deshalb gebe es auch nicht den einen bestklimatisierten Sitzplatz im Zug. Wer kühlere Luft wolle, sitze am Gang besser, erklärt Schmeling. Am wärmsten sei es an den Fenstern auf der Sonnenseite. „Generell ist der Unterschied zwischen den einzelnen Sitzplätzen aber ziemlich gering.“
Erkenntnisse aus der Forschung würden bei Ausschreibungen für Zugbestellungen berücksichtigt, teilte die Bahn mit. Erkenntnisse aus Minden seien zudem auch auf andere Zugmodelle etwa für den Regionalverkehr übertragbar, wo mehr als 96 Prozent aller Bahnen klimatisiert sind. Wichtig bei neuen Technologien ist demnach, dass sie ausgereift sind. „Erst, wenn die Technik stabil ist, kann man sie in Zügen nutzen - das vermeidet Ausfälle etwa bei hohen Temperaturen“, sagte Schmeling.