It’s the economy, stupid! Wenn es danach geht, sollte Kamala Harris Donald Trump jetzt allmählich schlagen können. Die politische Mitte, frustriert, aber noch unentschieden, hat in den vergangenen Monaten vor allem über die hohen Belastungen der Preise und im täglichen Leben geklagt. Vor allem die galoppierende Inflation drückte die Stimmung. Der Arbeitsmarkt konnte auch nicht mit den nominellen Wachstumszahlen mithalten. Plötzlich scheint sich der Wind zu drehen.
In den USA sind die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der vergangenen Woche unerwartet gesunken. Die Zahl der Hilfsanträge ging um 7.000 auf 227.000 zurück, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Volkswirte hatten hingegen mit einer leichten Eintrübung der Lage auf dem Arbeitsmarkt und einem Anstieg der Hilfsanträge auf 235.000 gerechnet. Damit lässt sich im Wahlkampf punkten.
Auch mit den Inflationszahlen, die nun deutlich unter drei Prozent liegen in den USA. Mit 2,9 Prozent fällt der Wert damit auf niedrigste Rate seit März 2021 - das wirkt wie Regen in der Wüste. Die Rahmenbedingungen sind also nicht schlecht für Kamala Harris und ihren designierten Vize Tim Walz. Joe Biden hat einen guten Job gemacht, jetzt muss die Message nur noch bei den Wählern zugestellt werden.
Wie der Finanzmarkt Inflation und Arbeitslosenzahlen der Woche aufgenommen hat
An den Finanzmärkten werden die Zahlen derzeit mit Argusaugen betrachtet – vor wenigen Tagen sah es vorübergehend nach einem Crash an der Börse aus. Doch das wohl nur falscher Alarm – aufgrund von Zahlen aus dem fernen Japan. Den wöchentlichen Erstanträgen kommt jede Woche eine besondere Bedeutung zu, weil sie als zeitnaher Indikator für den US-Arbeitsmarkt gelten. Hier könnte sich ein Spiegelbild zu den Sympathiewerten für das Team Harris/Walz abzeichnen. Kamala Harris hat bereits in den ersten Swing-States Donald Trump eingeholt.
Der Republikaner gibt sich entsprechend miesepetrig und schlecht gelaunt. So etwa jetzt im beschaulichen Städtchen Asheville in North Carolina. Dort fiel ihm nichts besser anderes, als Harris als Kopistin zu outen, weil die Trinkgelder in der Gastronomie steuerfrei stellen möchte nach ihrer Wahl. Die Idee hatte auch Trump schon mal geäußert, freilich kein Patent oder Gebrauchsmusterschutz darauf erhoben. So mäkelte er nur herum, beschimpfte und beleidigte Kamala Harris, als „crazy“, „a lefty“, „not intelligent“, „stupid“. Dass damit in einem Wirtschaftswahlkampf kein Blumentopf zu gewinnen ist, warnte ihn sogar Parteifreundin Nikki Haley, die immerhin aus North Carolina stammt und ihr dortiges Klientel bestens kennt. Die vermeintliche Stärke Trumps wird mit keinem Wort ausgespielt.
Trump wirkt in North Carolina ausgebrannt und sichtlich gealtert
Trump wirkt irgendwie ausgebrannt. Zu viele Wahlkampftermine, kein Esprit mehr, zu wenig Oktan im Tank – das Alter macht sich bemerkbar. Nicht nur bei Joe Biden, sondern sichtlich auch bei Donald Trump.
Kamala Harris und Tim Walz dürften ihr „Momentum“, wie man in den USA einen guten Lauf nennt, in der kommenden Woche womöglich noch verlängern. Am Montag treffen sich die Demokraten zum großen Parteikampf - das wird die Medien und die Öffentlichkeit bestimmen. Während CNN diese Woche (statt über Trumps Wirtschaftskompetenz) lieber über die krummen Geschäfte von seinem „weirden“ Running-Mate, J.D Vance, berichtete. Die Pleite von Appharvest aus den Appalachen, eine pleite-gegangene Tomatenfarm, scheint diesen Sommer immer mehr Kreise zu ziehen.
Im September gibt es derweil einen weiteren Hoffnungsposten, der Trump/Vance in die Parade fahren könnte: eine sehr wahrscheinliche Zinspreissenkung der Fed nämlich. Generell spielen gerade die Arbeitsmarktdaten eine wichtige Rolle für die Geldpolitik der US-Notenbank, da sie Hinweise auf die Löhne und damit auf die allgemeine Preisentwicklung liefern.
Trumps pathologischer Negativismus nervt zusehends die Wähler der Mitte
Nicht alle Zahlen weisen in die gleiche Richtung. So ist die Industrieproduktion im Juli stärker gefallen als erwartet. Gegenüber dem Vormonat sank sie um 0,6 Prozent, wie die US-Notenbank Fed bekannt gab. Volkswirte hatten lediglich mit einem Rückgang um 0,3 Prozent gerechnet. Im Juni war die Produktion noch um revidierte 0,3 Prozent gestiegen. Allerdings war zunächst ein Anstieg um 0,6 Prozent ermittelt worden. Ein Nullsummenspiel gewissermaßen, das bisher in New York keine Sorgen bereitet. Im Gegenteil: Die Zinssenkung dürfte eher wahrscheinlicher werden, deshalb. Auch die Warenherstellung sank im Juli um 0,3 Prozent. Dies war von Volkswirten erwartet worden. Die Kapazitätsauslastung der Gesamtindustrie fiel um 0,6 Prozentpunkte auf 77,8 Prozent. Am Devisenmarkt reagierte der US-Dollar derweil mit deutlichen Kursgewinnen auf die aktuellen Daten dieser Woche. Der Euro fiel im Gegenzug auf ein Tagestief bei 1,0962 Dollar, gestern erst fiel er wieder zurück.
Die Tage bis zum 5. November – dem großen Showdown in den USA – sind gezählt. Momentan reiben sich alle Beobachter in den USA verwundert die Augen und können es nicht glauben, wie sicher Kamala Harris ihre Kampagne steuert. Größere Fehler sind ihr bisher nicht unterlaufen. Die wunden Punkte, wie ihre eher klägliche Bilanz als Vize-Präsidentin und die illegale Immigration am Grenzzaun zu Mexiko, ziehen längst nicht mehr so wie noch vor wenigen Wochen. Vor allem treibt der beständige, fast schon pathologische Negativismus Trumps die Wähler der Mitte zunehmend ins Lager der „Never-Trumpers“. Er sagt, er habe das Recht, seine Gegnerin schlecht zu machen und zu beschimpfen. Wenn er meint! Nun muss Kamala Harris die Wähler nur noch an die Wahlurne bekommen.
Übrigens: Die Deutschen wissen natürlich schon jetzt, wie die US-Wahlen ausgehen (sollen). Nach aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers vom 15. August 2024 glauben 68 Prozent der Befragten, dass Kamala Harris die Wahl gewinnen wird. Nur 26 Prozent der Befragten erwartet, dass der Ex-US-Präsident Donald Trump am Wahltag als Sieger über die Ziellinie kommt.