Panorama

Kiffen und Autofahren: Was gilt jetzt für Cannabis am Steuer?

Viele wissen bereits: Drogen beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit, sowohl in Bezug auf Reaktionszeiten als auch auf das Erkennen gefährlicher Situationen. Dennoch kann man nach dem Konsum eines Bieres oft noch fahren. Mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis in Deutschland gibt es nun neue Regelungen für das Autofahren nach dem Kiffen.
22.08.2024 14:03
Lesezeit: 3 min

Wie bei der Alkoholgrenze von 0,5 Promille gibt es jetzt auch eine gesetzliche THC-Grenze für den Straßenverkehr. Bei Verstößen gegen diese Regelung drohen hohe Bußgelder. Doch die neuen Bestimmungen sind nicht unumstritten.

Warum wurden neue Cannabis-Regeln für Autofahrer eingeführt?

Die Ampel-Koalition hat Änderungen im Verkehrsrecht beschlossen, die nun in Kraft getreten sind. Diese Änderungen begleiten die eingeschränkte Legalisierung von Cannabis, die seit dem 1. April das Kiffen und den privaten Anbau von Cannabis für Volljährige unter bestimmten Auflagen erlaubt. Das Bundesverkehrsministerium erklärte, dass das neue Gesetz Klarheit und Rechtssicherheit bietet. Besondere Regelungen für Fahranfänger und junge Fahrer sollen einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten.

Sind die neuen Regelungen weniger streng?

Fachleute diskutieren schon länger über die neuen Bestimmungen. Bisher galt eine strikte Linie: Schon der Nachweis von Tetrahydrocannabinol (THC) konnte Konsequenzen nach sich ziehen. Es gab keinen gesetzlichen Grenzwert, aber in der Rechtsprechung setzte sich die Marke von 1 Nanogramm pro Milliliter Blut durch.

Bereits 2022 sprachen sich Experten beim Verkehrsgerichtstag für eine "angemessene" Erhöhung dieses Werts aus. Die damalige Marke wurde als zu niedrig angesehen, da sie viele Fahrer sanktionierte, bei denen keine Fahrsicherheitsminderung nachweisbar war.

Wie sieht der Grenzwert für THC genau aus?

Nun gilt: Wer absichtlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr pro Milliliter Blut fährt, riskiert in der Regel eine Buße von 500 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot. Diese Grenze orientiert sich an Empfehlungen einer Expertenkommission des Verkehrsministeriums, wonach ab diesem Wert eine sicherheitsrelevante Wirkung „nicht fernliegend“ ist. Dies ist vergleichbar mit 0,2 Promille Alkohol und liegt klar unter der Grenze von 7 Nanogramm, ab der eine Risikoerhöhung beginnt.

Für wen gelten strengere Cannabis-Vorgaben?

Eine neue Ordnungswidrigkeit tritt in Kraft, wenn Cannabis-Konsum mit Alkohol kombiniert wird. In diesem Fall drohen in der Regel nicht nur 500 Euro, sondern 1.000 Euro Buße sowie ein Monat Fahrverbot. Für Fahranfänger, die sich noch in der zweijährigen Probezeit befinden, und für Fahrer unter 21 Jahren gilt wie bei Alkohol: Cannabis-Konsum ist verboten. Der Grenzwert von 3,5 Nanogramm findet hier keine Anwendung, und die Sanktion beträgt in der Regel 250 Euro.

Gibt es Ausnahmen für spezielle Fälle?

Das Gesetz bezieht sich auf alle Arten von Cannabiskonsum, wie im Entwurf erläutert wird – also auf Joints ebenso wie auf THC-haltige Lebensmittel, Getränke, Öle und Extrakte. Ausgenommen ist lediglich, wenn das THC „aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels stammt“.

Bei Kontrollen sollen empfindliche Speicheltests „zum Nachweis des aktuellen Konsums“ verwendet werden, wie im Gesetzentwurf erklärt wird. Wenn jemand Symptome von Beeinträchtigungen zeigt, ist auch bei negativem Speicheltest eine Blutprobe erforderlich.

Wie beeinflusst Cannabis die Fahrtüchtigkeit?

Es ist unbestritten, dass Rauschmittel die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Bei Cannabis ist die Wirkung jedoch nicht die gleiche wie bei Alkohol. Ein „Herantasten“ an den THC-Grenzwert ist nicht möglich, wie im Entwurf dargelegt wird. Experten wiesen auf Studien hin, die zeigen, dass sicherheitsrelevante Effekte vor allem 20 bis 30 Minuten nach dem Konsum auftreten und nach drei bis vier Stunden wieder abklingen.

Bei Konsumenten, die höchstens einmal pro Woche kiffen, sinkt die THC-Konzentration innerhalb weniger Stunden. Bei regelmäßigem Konsum kann THC jedoch im Körper bleiben und noch Tage bis Wochen nachweisbar sein.

Was sagen die Experten zu den neuen Regeln?

„Der gelockerte Grenzwert ist das falsche Signal für die Verkehrssicherheit“, sagte der CDU-Fachpolitiker Florian Müller und forderte eine enge Überwachung der Unfallzahlen. Die Gewerkschaft der Polizei warnte, der Grenzwert sei wegen mangelnder Testmöglichkeiten derzeit nicht kontrollierbar. Stattdessen hätte die Regierung eine „Drogenfrei-am-Steuer“-Kampagne starten müssen – inklusive Alkohol und Medikamente.

Der Autofahrerclub ADAC erklärte dagegen bereits bei den Beratungen im Bundestag zur Höhe des Grenzwerts: „Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Verkehrssicherheit dadurch beeinträchtigt werden.“ Wichtig sei jedoch, keinen falschen Eindruck zu erwecken. Es gilt: „Wer fährt, kifft nicht!“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Von der Leyens Deal mit der Rechten: Was das für den Green Deal heißt
26.06.2025

Die Green Claims-Richtlinie sollte Greenwashing in Europa beenden. Doch Ursula von der Leyen lässt das Projekt fallen – auf Druck von...

DWN
Finanzen
Finanzen Panzer oder Chips: Europas Rüstungsaktien überholen Tech-Aktien
26.06.2025

Rüstungsaktien überflügeln Tech-Aktien – Europas Waffenhersteller sind an der Börse teurer als Nvidia & Co. Doch wie lange kann das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Pleitewelle rollt: Rekordstand bei Firmeninsolvenzen
26.06.2025

Die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland steigt auf ein Zehnjahreshoch – trotz abgeflauter Dynamik. Besonders betroffen sind der...

DWN
Finanzen
Finanzen Verbraucher sparen lieber, als ihr Geld auszugeben
26.06.2025

Die Deutschen halten ihr Geld zusammen – trotz besserer Konjunkturaussichten. Eine neue Studie zeigt: Aus Angst vor wirtschaftlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leica mit Rekordumsatz: Kamera-Pionier setzt auf Smartphone-Erfolg
26.06.2025

Leica wächst weiter: Mit einem Rekordumsatz im Rücken und einer traditionsreichen Geschichte treibt der Kamera-Hersteller seine Expansion...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse: Bundestag beschließt Verlängerung bis Ende 2029
26.06.2025

Die Mietpreisbremse soll weitere vier Jahre gelten – doch sie ist umstritten wie eh und je. Während der Eigentümerverband sie für...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis im Höhenflug: Anleger in der Falle?
26.06.2025

Der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord, doch Experten warnen: Wer jetzt einsteigt, könnte in eine gefährliche Falle tappen. Was Anleger...

DWN
Immobilien
Immobilien Erbschaftsteuer Kinder - mit diesen Tipps lässt sich bei Immobilien viel sparen
26.06.2025

Geht es ans Erben, haben Kinder hohe Freibeträge, die jedoch bei Immobilienbesitz oder anderen hohen Vermögen schnell aufgebraucht sind....