Politik

Migrationsgespräche - Scholz an Union: „Die Tür ist nicht zu“

Die Migrationsgespräche sind gescheitert. Im Bundestag machen sich beide Seiten gegenseitige Vorwürfe. Es gibt aber auch eine ausgestreckte Hand.
11.09.2024 11:20
Aktualisiert: 11.09.2024 11:20
Lesezeit: 3 min
Migrationsgespräche - Scholz an Union: „Die Tür ist nicht zu“
Migrationspolitik: Die Gespräche gestern sind gescheitert aber laut Bundeskanzler Scholz bleibt die Tür weiterhin offen. (Foto: dpa) Foto: Liesa Johannssen

Nach den gescheiterten Migrationsgesprächen zwischen Regierung und Opposition haben sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Union im Bundestag gegenseitig schwere Vorwürfe gemacht. In der Generaldebatte der Haushaltswoche warf der Kanzler CDU und CSU „Sprücheklopfen“ und „Theateraufführungen“ in der Migrationspolitik vor. Gleichzeitig machte er ihr aber das Angebot, die Gespräche doch noch fortzusetzen. „Die Tür ist nicht zu.“

Zuvor hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt für die Union Scholz und dessen Ampel-Regierung vorgeworfen, mit ihrer Migrationspolitik den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland zu gefährden. Mit der Weigerung, eine umfassende Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zu ermöglichen, handelten Scholz und die Ampel respektlos vor den Sorgen der Bürger. „Diese Verweigerungshaltung ist eine Kapitulation gegenüber der Überforderung unserer Kommunen, unserer Schulen, der Sicherheitslage in unserem Land“, rief der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten.

Die Ampel-Regierung hatte in der vergangenen Woche und am gestrigen Dienstag Gespräche mit Union und Ländern über ein mögliches gemeinsames Vorgehen in der Migrationspolitik geführt. CDU-Chef Friedrich Merz hatte sie nach der zweiten Runde für gescheitert erklärt. Die Koalition sehe sich offensichtlich nicht zu umfassenden Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Staatsgrenzen in der Lage, sagte er. „Damit ist der Versuch gescheitert, einen gemeinsamen Weg zu gehen.“

Scholz: „Sie haben sich in die Büsche geschlagen“

Scholz kritisierte den Abbruch der Gespräch scharf. „Sie haben sich in die Büsche geschlagen“, rief er in seiner kämpferischen Rede und griff Merz persönlich an. „Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der Bild am Sonntag hätte er schon die Migrationsfrage gelöst“, tobte der SPD-Politiker am Podium des Parlaments. Kaum habe Merz die Redaktionsräume verlassen, habe er aber schon vergessen, was er vorgeschlagen habe. „Weil Sie niemals vorhatten, sich darum zu kümmern.“

Seine Ampel-Koalition habe dagegen „die größte Wende im Umgang mit irregulärer Migration vollbracht.“ Unter anderem verwies Scholz auf die Beschleunigung von Abschiebungen, das Sicherheitspaket der Bundesregierung, das an diesem Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird, sowie auf das geplante gemeinsame europäische Asylsystem. „Nicht motzen, sondern handeln und anpacken. Das ist die Devise“, sagte Scholz.

Dobrindt redet zuerst: „Koalition des Abstiegs“

Die Generaldebatte wurde überraschenderweise von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eröffnet. Die größte Oppositionspartei hat traditionell das erste Rederecht. Merz ließ Dobrindt den Vortritt und verschaffte sich so die Möglichkeit, auf Scholz reagieren zu können. In früheren Generaldebatten redete Scholz nach Merz und nutzte das, den Oppositionsführer hart zu attackieren, ohne dass der dann noch darauf antworten konnte.

Dobrindt nutze seine Rede zur Generalabrechnung mit der Ampel. Sie sei keine „Koalition des Fortschritts, sondern eine Koalition des Abstiegs in diesem Land“, sagte er. „Die Menschen haben diese Ampel-Ausreden satt“, kritisierte der CSU-Landesgruppenchef und ergänzte, die Menschen hätten „verstanden, wer bei Ihnen Führung bestellt, der wird nur Ausreden bekommen. Aber das gefährdet die Sicherheit und die gesellschaftlichen Frieden in unserem Land.“

Linder fordert Migrationsgipfel auf Spitzenebene

Wie es in der Migrationspolitik nun weitergeht, ist offen. FDP-Chef Christian Lindner fordert einen neuen Anlauf auf höchster Ebene. Unionsfraktionschef Friedrich Merz sollte mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und ihm selbst persönlich verhandeln, schrieb Lindner auf der Plattform X. „Die Absage der Union an den Asylgipfel darf nicht das letzte Wort sein.“ Er fügte hinzu: „Wir werden gemeinsam das Problem lösen.“ Deutschland brauche Kontrolle und Konsequenz bei der Migration.

Scholz bekräftigt Aufruf zu weiterer Friedenskonferenz

Die Generaldebatte über den Kanzleretat ist der Höhepunkt der ersten Beratungen über den Etat 2025, der am Dienstag in den Bundestag eingebracht wurde. Migration war das bestimmende Thema in der Debatte, die traditionell zur Aussprache über die Regierungspolitik insgesamt genutzt wird. Es ging aber auch um Außenpolitik. Scholz wiederholte seinen Aufruf, eine weitere Friedenskonferenz für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine abzuhalten - mit Moskau am Tisch. „Jetzt ist der Moment, jetzt ist die Zeit, wo wir ausloten müssen, welche Möglichkeiten sich ergeben“, sagte der SPD-Politiker.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Eilmeldung Washington DC: Schüsse nahe dem Weißen Haus - Zwei Nationalgardisten angeschossen
26.11.2025

In der Nähe des Weißen Hauses in Washington sind zwei Nationalgardisten von einem Schützen angeschossen worden. Sie befinden sich in...

DWN
Politik
Politik Deutsche Bank gegen Verband der Familienunternehmer: Mietvertrag gekündigt auf Grund der Einladung eines AfD-Politikers
26.11.2025

Der Verband „Die Familienunternehmer“ lädt einen AfD-Politiker ein – entgegen der politisch gewollten Brandmauer der etablierten...

DWN
Politik
Politik Bündnis Sahra Wagenknecht: AfD unterstützt Neuauszählung der Bundestagswahl
26.11.2025

An gerade mal 9.500 fehlenden Stimmen scheiterte im Februar der Einzug des BSW in den Deutschen Bundestag. Seitdem fordert die Partei eine...

DWN
Politik
Politik Grüngasquote für Energiewende: Mehr Umweltschutz und mehr Kosten für Industrie und Verbraucher
26.11.2025

Die schwarz-rote Regierung plant eine Quote, um die schleppende Wasserstoffwirtschaft und Energiewende in Deutschland weiter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz bei GOVECS – das Ende der elektrischen Schwalbe
26.11.2025

Das Münchner Unternehmen Govecs stellt unter dem Namen der in der DDR populären Moped-Marke seit einigen Jahren Elektroroller her. Nun...

DWN
Politik
Politik Chatkontrolle: EU-Staaten setzen auf freiwillige Maßnahmen statt Pflichtkontrollen
26.11.2025

Die EU ringt seit Jahren darum, wie digitale Kommunikation geschützt und zugleich besser überwacht werden kann. Doch wie weit sollen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwarz Group plant Lidl-Rechenzentrum: Milliardenprojekt für Deutschlands KI-Infrastruktur
26.11.2025

Die Großinvestition der Schwarz Group verdeutlicht den wachsenden Wettbewerb um digitale Infrastruktur in Europa. Doch welche Bedingungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobs wandern nach Südamerika: Faber-Castell will 130 Stellen in Deutschland streichen
26.11.2025

Hohe Kosten und eine schwache Nachfrage: Der fränkische Schreibwarenhersteller will Fertigung nach Südamerika verlagern und dafür...