Panorama

Virtuelle Wiesn: Ohne Bier, aber mit Karussell-Gefühl - mehr als ein Spiel

Am 21. September startet in München wieder das Oktoberfest. Viele möchten gern dorthin, können es aber nicht schaffen. Für diese Personen gibt es jetzt eine Lösung, die jedoch etwas Eingewöhnung erfordert.
15.09.2024 13:45
Lesezeit: 3 min
Virtuelle Wiesn: Ohne Bier, aber mit Karussell-Gefühl - mehr als ein Spiel
Die Kinder Felix und Leah begleiten die Gäste beim virtuellen Besuch via VR-Brille. Entwickelt wurde der Rundgang von der Firma Connected Reality (Foto: dpa). Foto: -

Die Eingänge sind derzeit noch abgesperrt. Ab dem 21. September werden etwa sechs Millionen Menschen auf das Oktoberfest strömen. Doch die ersten Besucher sind bereits virtuell unterwegs: Mit Virtual Reality-Brillen können Wiesn-Fans schon jetzt über das Festgelände spazieren. Eine weitere virtuelle Version wird zum Anstich verfügbar sein.

Achtung beim Einstieg in die virtuelle Welt

Neulinge sollten bei den ersten Schritten in der virtuellen Welt vorsichtig sein. Auch ohne Maß Bier können sie beim virtuellen Schlendern über das Festgelände ins Schwanken geraten. Die Nutzung der VR-Brille erfordert etwas Übung.

Beim derzeit zugänglichen Rundgang werden die Besucher von den Kindern Felix und Leah begleitet, wobei Leah gehörlos ist. Die virtuelle Tour soll jenen den Besuch ermöglichen, die nicht selbst zum Fest kommen können, erklärt Christoph Ostler, Chef und Gründer von Connected Reality und Initiator von vr4kids-Inklusion. "Das zentrale Stichwort ist Teilhabe."

Die Besucher können teilweise die Perspektive der Kinder einnehmen und das Volksfest aus deren Sicht erleben: Sie fahren Riesenrad, Autoscooter, Geisterbahn oder tauchen mitten in einen Mandelstand ein. Die älteste Person, die laut Ostler im Testlauf die virtuelle Wiesn besuchte, war 96 Jahre alt. Sie kommentierte den Trip mit: "Jetzt kann ich wieder auf die Wiesn."

Es geht nicht nur um benachteiligte oder behinderte Kinder, sondern um alle, die sonst keine Möglichkeit haben, das Volksfest zu besuchen, betont Ostler. Leah erklärt die Wiesn auch in Gebärdensprache und zeigt zusammen mit Felix einige Wiesn-Begriffe in dieser Sprache. Mittlerweile gibt es auch eine englische Version.

Comic-artiges Wiesn-Spiel in der virtuellen Welt

Zum Start des echten Oktoberfests erwartet Gäste weltweit das Virtual-Reality-Game "Oktoberfest – The Official Game" des Münchner Studios K5 Factory, lizenziert von der Stadt München als Veranstalterin des Oktoberfests. Es entführt die Besucher in eine comicartig stilisierte Wiesn-Szenerie, die gleichzeitig detailgetreu abgebildet wird: Riesenrad, Schichtl, Flohzirkus, Teufelsrad, originale Bierzelte – alles wie auf der echten Wiesn, nur noch ein bisschen bunter.

Die Zielgruppe sind ebenfalls Wiesn-Fans, die nicht selbst zum Fest kommen können. Die Entwickler haben eine globale Perspektive und starten das Spiel, insbesondere mit Blick auf den Hauptzielmarkt USA, zunächst in englischer Sprache; eine bayerische Version könnte später als Gag folgen. "In den Games ist die Hauptsprache Englisch", erklärt K5 Factory-Gründer Oliver Simon. Neben den europäischen Märkten sei auch der chinesische Markt interessant, ergänzt Geschäftsführer Thomas Wagner.

Die Idee entstand während der Pandemie. "Der Gedanke war: Wir müssen virtuelle Räume schaffen für private und berufliche Zwecke", sagt Oliver Simon. "Und: Wie kann man Erlebnisse für Menschen zugänglich machen, die nicht teilnehmen können."

Virtuelle Festbesuche und deren Herausforderungen

Der Gast „beamt“ sich als Avatar per Lichtstrahl auf das Fest. Anfänger können je nach Geschick einige Versuche benötigen, um den Sprung zu meistern. Der Besuch ist kostenlos wie auf der echten Wiesn. Wer jedoch Fahrgeschäfte nutzen oder sich in Dirndl und Lederhose kleiden möchte, muss dafür bezahlen – entweder mit Spielwährung oder echten Euros.

Auf dem Fest trifft der Gast Freunde oder andere Besucher, mit denen er möglicherweise beim VR-Driften durch die Gassen zusammenstößt. Aus den Zelten dringt Blasmusik, das Gemurmel von Stimmen – alles echte Aufnahmen von der Wiesn. Virtuelle Brezen und Vergnügungen wie Dosenwerfen oder rasante Fahrgeschäfte wie Fallturm und Topspin warten auf die Besucher. Tipp: In der echten Welt hinsetzen, bevor die virtuelle Fahrt beginnt.

Virtuelles Oktoberfest: Schwindelgefühle auch ohne Maß Bier

Schwindelgefühle können leichter auftreten als auf dem Volksfest selbst. Für diejenigen, die rasante Fahrgeschäfte lieben, ist die VR-Brille der perfekte Kick. Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Bewegung und der tatsächlichen Bewegung kann das Gleichgewichtsorgan irritieren – ein Effekt ähnlich der Seekrankheit, bei dem das Gehirn die Bewegung des Schiffes nicht richtig einordnen kann.

Deshalb können Besucher bei vr4kids-Inklusion und dem Oktoberfest-Game der K5 Factory keine Karussells fahren. "Dinge, die sich schnell im Kreis bewegen, verursachen schnell Motion Sickness", erklärt K5 Factory-Geschäftsführer Thomas Wagner. "Da sind wir besonders vorsichtig, gerade zu Beginn."

Ostler und sein Team sind noch etwas zurückhaltender: Eine Rutsche, ein Autoscooter und das langsam drehende Riesenrad sind vorerst das Maximum, das sie den Gästen zumuten.

Die Entwickler der VR-Wiesn glauben nicht, dass der virtuelle Besuch die Vorfreude auf die echte Wiesn schmälert. Die Möglichkeit, virtuelle Touren zu erleben, habe gezeigt, dass Menschen danach erst recht die echten Orte besuchen möchten, sagt Ostler.

Erlebnisse per VR-Brille

Mit VR-Brillen Ereignisse erlebbar zu machen, zu denen man sonst keinen Zugang hat, ist nicht neu. Ostler und sein Team bieten auch einen Besuch im Spieler-Tunnel der Allianz-Arena, Schwimmen mit Delfinen und ein Basketball-Training an, auch mit einer Rollstuhl-Basketballerin, um behinderten Kindern Mut zu machen, den Sport selbst auszuprobieren, erklärt Ostler.

Das Team von K5 Factory hat neben der Wiesn weitere Projekte in Arbeit. "Wir entwickeln Banksy’s Walled Off Hotel als VR-Erfahrung", berichtet Wagner. Die K5 Factory baut das Hotel in Bethlehem im Westjordanland, das wegen der politischen Lage derzeit geschlossen ist, detailgetreu virtuell nach. Gäste können bei einem virtuellen Rundgang, geführt von einem kleinen Vogel, die Entstehungsgeschichte des Hotels erfahren und Banksys Kunst erleben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...