Wirtschaft

Neue EU-Schuldenregeln - Deutschland muss sparen

Die neuen EU-Schuldenregeln haben weitreichende Konsequenzen für die Wirtschaft – auch in Deutschland. Durch die geplanten Einsparungen im Rahmen des reformierten Stabilitätspaktes können wichtige Investitionen in Gefahr geraten.
22.09.2024 06:03
Lesezeit: 2 min
Neue EU-Schuldenregeln - Deutschland muss sparen
Der reformierte Stabilitätspakt der EU wird auch in Deutschland zu umfangreichen Sparmaßnahmen führen (Foto: dpa). Foto: Arne Immanuel Bänsch

Der reformierte Stabilitätspakt der EU wird die großen Länder der Europäischen Union zu Einsparungen zwingen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), die die finanziellen Konsequenzen der neuen Schuldenregeln berechnet hat. In der Studie heißt es weiter, dass die Defizitvorgaben in den kommenden Jahren zu erheblichen Einsparungen führen werden.

Neue EU-Schuldenregeln strenger als erwartet

Die neuen Schuldenregelungen der EU gestalten sich nicht so locker, wie viele das erhofft hatten. Mit der Reform des EU-Stabilitätspaktes sollten ursprünglich die Defizitregeln an Flexibilität gewinnen und vor allen Dingen praktikabler werden. Die EU-Schuldenregelungen geben den Mitgliedsstaaten vor, in welcher Höhe diese Schulden machen dürfen. Bei den Neuerungen der Defizitregeln wurden die Richtwerte für zentrale Limits beibehalten. Das Jahresdefizit soll weiterhin unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen und die Gesamtverschuldung eines Landes soll maximal 60 Prozent betragen. In der neuen EU-Schuldenregelung wurden allerdings die Vorgaben gelockert, in welchem Zeitraum die einzelnen Staaten diese Ziele wieder zu erreichen haben.

Neu seit diesem Jahr: Schuldenabbaupläne für Brüssel

Die Regierungen aller EU-Länder müssen seit diesem Jahr einen Schuldenabbauplan für die nächsten vier Jahre in Brüssel vorlegen, der zum Ende des Zeitraums einen nachhaltigen Schuldenabbau ausweist. Wichtig dabei ist, dass ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar ist; die absolute Schuldenquote ist dabei zunächst zweitrangig.

Die Schuldenabbaupläne müssen bis zum 20. September in Brüssel eingereicht werden. Danach werden die Länder zusammen mit der EU-Kommission dann einen verbindlichen Maßnahmenkatalog vereinbaren.

Aus der Studie des IMK geht hervor, dass Italien einen Einsparungsbedarf von 1,1 Prozent des BIP pro Jahr haben wird, gefolgt von Spanien und Frankreich mit jeweils 0,9 Prozent des BIP. Deutschland ist zwar auch betroffen, aber mit 0,1 Prozent des BIP pro Jahr in einem kleineren Umfang.

Auswirkungen auf Deutschland trotzdem stark

Auch wenn die EU-Kommission gegen Deutschland kein Defizitverfahren anstrengt, im Gegensatz zu sieben anderen europäischen Ländern, stellen die neuen EU-Schuldenregeln trotzdem eine große Herausforderung dar. Obwohl in Deutschland die durchaus strengere Schuldenbremse gilt, wurde diese durch diverse Ausnahmeregelungen öfters umgangen.

Die Eigenkapitalinvestition, die für die Deutsche Bahn in Milliardenhöhe geplant ist, fällt genauso in eine Ausnahmeregelung wie das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro.

Bei der neuen EU-Schuldenregelung werden jedoch die hierfür benötigten Kredite mit eingerechnet. Eine weitere Lockerung der deutschen Schuldenbremse würde also keine neuen Handlungsspielräume schaffen für weitere Sondervermögen, die von einigen Parteien gefordert werden.

Obwohl Finanzminister Lindner auf die Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes pocht, wird die Lage vom IMK durch seine Berechnungen anders beurteilt. Hier sieht man dringenden Änderungsbedarf und beurteilt die Reform nur als teilweise gelungen. Aus der Analyse geht hervor, dass durch technische Details der Schuldenregelungen weiterhin Einschränkungen beim Wachstum drohen, insbesondere weil die Möglichkeiten für öffentliche Investitionen unnötigerweise beschränkt würden.

Investitionen sind gefährdet

Das IMK stört sich besonders daran, wie stark die Kosten für die Gesellschaftsalterung in der Schuldentragfähigkeitsanalyse berücksichtigt werden. Würden diese weniger stark gewichtet werden oder keine Berücksichtigung finden, hätte Spanien einen zusätzlichen jährlichen Investitionsspielraum von 27 Milliarden, Italien und Deutschland immerhin jeweils 14 Milliarden.

Auch werden die hohen Zinsen, die in der Tragfähigkeitsanalyse angenommen werden, moniert. Je höher die Zinsprognose ist, desto höher fällt auch die Schuldenlast in der Schuldentragfähigkeitsanalyse aus. Würden sie Zinsen in der Annahme um einen Prozentpunkt gesenkt, ergäben sich für Italien weitere Investitionsspielräume von 16,6 Milliarden Euro, 14,8 Milliarden für Frankreich und 11,4 Milliarden für Deutschland.

Die neuen Vorgaben der Schuldenregelungen könnten öffentliche Investitionsprogramme empfindlich beschränken, weshalb Anpassungen notwendig sind. Die Autoren der Studie sprechen sich ferner für einen schuldenfinanzierten EU-Investitionsfonds aus.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...