Erstmals in der Geschichte Österreichs wird die Freiheitliche Partei stärkste politische Kraft bei einer Nationalratswahl. Die staatsgründenden Parteien der Zweiten Republik, ÖVP und SPÖ, kommen zusammen nicht mehr auf mehr als 50 Prozent der Stimmen.
Österreich: Politische Sondierung werden schwierig
„Wer mit wem kann und wer was will für Österreich, das wird nun die nächste Zeit zeigen“: Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen will nach der Parlamentswahl in Österreich die politischen Sondierungen zwischen den Parteien mitgestalten. Er werde versuchen auszuloten, welche tragfähigen Kompromisse es zur Bildung der nächsten Regierung geben könnte.
Der ehemalige Grünen-Chef nannte den Wahlsieger FPÖ nicht beim Namen, mahnte aber zur Wahrung der liberalen Demokratie, an deren Grundpfeilern wie Minderheitenschutz, Medienfreiheit und EU-Mitgliedschaft nicht zu rütteln sei.
FPÖ-Chef Kickl: Tür zu einer neuen Ära geöffnet
Wahlsieger der Nationalratswahl ist die rechte FPÖ. Nach dem vorläufigen Endergebnis erreichten die Rechtsradikalen 29,2 Prozent der Stimmen. „Wir haben eine Tür aufgestoßen zu einer neuen Ära“, sagte Parteichef Herbert Kickl auf der Wahlparty. „Wir werden jetzt wirklich dieses neue Kapitel der österreichischen Geschichte miteinander schreiben.“
Trotz des Siegs dürfte es für Kickl schwer werden, nächster Kanzler zu werden. Alle Parteien lehnen bisher eine Zusammenarbeit mit dem 55-Jährigen ab. Österreichs Kanzler Karl Nehammer von der konservativen ÖVP hält nach der Parlamentswahl an seiner Absage an eine Zusammenarbeit mit ihm fest. Kickl seinerseits hofft: „Ich glaube, da wird noch Bewegung in die Sache hineinkommen.“
FPÖ: Historischer Sieg
Die Nationalratswahl in Österreich hat die politischen Kräfteverhältnisse kräftig durchmischt. Die Rechtsradikalen feiern einen historischen Sieg und rangieren deutlich vor der machtverwöhnten ÖVP (26,5 Prozent) und vor der erneut enttäuschenden sozialdemokratischen SPÖ. Nach dem vorläufigen Endergebnis liegen die Sozialdemokraten mit 21,1 Prozent erstmals nur auf Platz drei. Das Wahlergebnis ist für Österreich gleich in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur. Noch nie waren die ÖVP und die SPÖ zeitgleich so schwach.
Europas rechte Parteien gratulieren FPÖ zum Sieg
Die deutlichen Zugewinne der FPÖ liegen im europaweiten Rechtstrend – und Parteikollegen beglückwünschten sie umgehend. Neben AfD-Chefin Alice Weidel und Marine Le Pen vom rechtsnationalen französischen Rassemblement National feierte sie auch Geert Wilders von der rechtsradikalen Partei für die Freiheit (PVV) : „Herzlichen Glückwunsch FPÖ“, schrieb der Niederländer auf X. „Wir gewinnen! Die Zeiten ändern sich!“ Er fügte hinzu: „Identität, Souveränität, Freiheit und keine illegale Einwanderung/Asyl mehr – das ist es, wonach sich Millionen Europäer sehnen!“
Den FPÖ-Wahlsieg begrüßt auch der Vorsitzende des rechtsnationalen Rassemblement National in Frankreich, Jordan Bardella. „Es erfüllt uns mit großem Stolz, im Europäischen Parlament neben unseren Verbündeten von der FPÖ zu sitzen, die heute Abend bei der Parlamentswahl in Österreich mit großem Vorsprung gewonnen haben“, schrieb er auf X. Eine von der FPÖ gebildete Regierung werde „die Souveränität, den Wohlstand und die Identität ihres Landes“ zu den Prioritäten machen.
Positive Reaktionen gab es auch aus Belgien: „Sehr überzeugender Sieg unserer Freunde und Partner der österreichischen FPÖ", schrieb der belgische Europaabgeordnete Gerolf Annemans vom rechtsextremen Vlaams Belang auf X mit. Dieser sei eine „inspirierende Verstärkung“ der rechten Fraktion „Patrioten für Europa“ im Europaparlament, die Kickl und der FPÖ ebenso auf X gratulierte.
Wirtschaftsflaute: FPÖ profitiert von Unzufriedenheit
Nach Erkenntnissen der Wahlforscher profitierte die FPÖ enorm von der großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Österreich steckt tief in einer Wirtschaftsflaute, die Arbeitslosigkeit wächst. Zudem gehörte die Alpenrepublik in den vergangenen Jahren zu den Ländern in der EU mit besonders hoher Inflation. Außerdem gilt der strikte Anti-Migrationskurs der FPÖ als populär.
Die Grünen kommen laut dem vorläufigen Endergebnis zufolge auf 8 Prozent (minus 5,9 Prozentpunkte), die liberalen Neos auf 9 Prozent. Vor allem die Neos positionierten sich bereits im Wahlkampf als reformwillige Kraft und hoffen auf eine Dreier-Koalition mit ÖVP und SPÖ. „Wir sind bereit. Ohne uns wird sich nichts ändern“, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Insgesamt waren knapp 6,4 Millionen Bürger aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Zuletzt wurde das Land von einer Koalition aus ÖVP und Grünen regiert.