Politik

BRICS-Alternative zu SWIFT vorerst auf Eis gelegt: Differenzen bremsen Fortschritt

Lesezeit: 5 min
07.10.2024 16:03
Die BRICS-Währung bleibt vorerst ein Fernziel. Doch der wachsende Handel in nationalen Währungen und das Interesse neuer Länder wie der Türkei zeigen: Eine alternative Finanzordnung formiert sich. Bleibt spannend!
BRICS-Alternative zu SWIFT vorerst auf Eis gelegt: Differenzen bremsen Fortschritt
„Von einer einheitlichen Währung im strengen Sinne zu sprechen, ist heute noch etwas verfrüht", sagt der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow. (Foto: istockphoto/Bet_Noire)
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Die Idee einer BRICS-Währung als Alternative zum US-Dollar-dominierten SWIFT-System ist zunehmend Thema internationaler Diskussionen. Doch jüngste Aussagen des stellvertretenden russischen Außenministers Sergej Rjabkow dämpfen die Erwartungen. Laut Rjabkow sei es „verfrüht“, über die Schaffung einer einheitlichen BRICS-Währung zu sprechen. Grund dafür sind erhebliche Unterschiede in den Ansätzen der Mitgliedsländer zur Verwaltung ihrer Zahlungsbilanzen und nationalen Finanzmärkte, schreibt russische Nachrichtenagentur Interfax.

„Von einer einheitlichen Währung im strengen Sinne zu sprechen, ist heute noch etwas verfrüht. Der Grund dafür ist, dass unsere Länder erhebliche Unterschiede in den Ansätzen zur Regulierung der Zahlungsbilanz, der nationalen Finanzmärkte und der Inflationssteuerung aufweisen“, so Rjabkow.

Der Traum von einer neuen, globalen Währung, die das westlich dominierte SWIFT-System umgehen könnte, schien mit dem Aufstieg des BRICS-Bündnisses zunehmend greifbar. Mit der Erweiterung der Gruppe um neue Mitglieder wie Saudi-Arabien, Ägypten und Iran schien die wirtschaftliche und geopolitische Schlagkraft der BRICS weiter zu wachsen. Doch die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass tiefgreifende strukturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern die Realisierung dieses Projekts behindern.

Rjabkow betonte, dass es zwar Fortschritte bei der Erhöhung des Handelsvolumens in nationalen Währungen gegeben habe. Derzeit werden rund 65 Prozent der Exporte und Importe Russlands mit BRICS-Ländern in nationalen Währungen abgewickelt. Allerdings sei dies noch weit entfernt von der Schaffung eines kohärenten und unabhängigen Zahlungssystems, das eine einheitliche Währung ermöglichen würde.

„Wir sollten uns keine Illusionen machen und keine künstlich überhöhten Erwartungen haben. Die Frage der Schaffung unabhängiger Zahlungssysteme ist äußerst komplex und erfordert einen sorgfältig abgestimmten Ansatz“, betonte Rjabkow.

Unterschiedliche Wirtschaftsstrategien erschweren Fortschritt

Der Knackpunkt liegt in den erheblichen Unterschieden in den wirtschaftlichen und monetären Politiken der BRICS-Staaten. Diese 10 Länder – Russland, Brasilien, Indien, China, Südafrika, Iran, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ägypten, Äthiopien – verfolgen unterschiedliche Ansätze zur Inflationsteuerung, Wechselkursstabilität und Finanzmarktregulierung. Diese Differenzen erschweren die Schaffung eines einheitlichen, stabilen Zahlungssystems.

Die Unterschiede sind nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene präsent, sondern auch geopolitisch. BRICS-Mitglieder wie Indien und China stehen sich in einigen Bereichen der internationalen Politik kritisch gegenüber, was die Zusammenarbeit in sensiblen Fragen wie der Währungs- und Finanzpolitik weiter verkompliziert.

Kein Anlass für Konflikte – Zusammenarbeit bleibt Priorität

Trotz dieser Rückschläge sollte dies jedoch nicht als Spaltungsgrund zwischen den BRICS-Staaten missverstanden werden. Rjabkow machte deutlich, dass die Länder weiterhin intensiv an der Stärkung ihrer wirtschaftlichen Autonomie und Souveränität arbeiten. Die Entwicklung resilienter Zahlungssysteme, die gegenüber externen Risiken weniger anfällig sind, bleibe ein zentrales Ziel. Dies spiegelt sich auch in der stetigen Zunahme der Handelsgeschäfte in nationalen Währungen wider, ein Zeichen für den wachsenden Wunsch der BRICS-Staaten, sich von westlichen Finanzstrukturen zu lösen.

„Der Schwerpunkt unserer Zusammenarbeit liegt seit einiger Zeit auf der Stärkung der Autonomie und des finanziellen Souveränität der Mitgliedsländer des Bündnisses sowie auf der Entwicklung von gegen externe Risiken widerstandsfähigen Abrechnungs- und Zahlungssystemen, die das reibungslose Funktionieren und die Weiterentwicklung des Handels zwischen den BRICS-Ländern gewährleisten könnten“, so der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow.

Ein weiteres Beispiel für die fortgesetzte Zusammenarbeit innerhalb des BRICS-Bündnisses ist die Stärkung des Neuen Entwicklungsbank (NDB). Mit einem Kreditportfolio von über 32 Milliarden US-Dollar hat die Bank bereits eine bedeutende Rolle in der Finanzierung von Projekten in Entwicklungsländern gespielt. Die BRICS-Staaten arbeiten daran, den Einfluss der NDB weiter auszubauen, insbesondere durch die Förderung von Krediten in Währungen jenseits des US-Dollars. Ziel ist es, das Risiko von Sanktionen und Abhängigkeiten zu verringern.

Ein langsamer, aber sicherer Weg zur Unabhängigkeit

Die Schaffung einer BRICS-Währung ist kurzfristig nicht realisierbar, aber es gibt Fortschritte bei der Nutzung nationaler Währungen und institutionellen Entwicklungen. Die BRICS-Länder sind entschlossen, ihre Kooperation weiter zu vertiefen. Ein neues Forum der Steuerbehörden wurde etabliert, und die Schaffung eines ständigen Sekretariats wird diskutiert. Diese Maßnahmen könnten in Zukunft ein gemeinsames Zahlungssystem ermöglichen, das weniger abhängig von westlichen Finanzmechanismen ist.

„Die Unterzeichnung dieser Vereinbarung [über die Zusammenarbeit der BRICS-Mitglieder zur Verbesserung der Steuerverwaltung] wird eine neue Phase der Entwicklung unserer Zusammenarbeit einleiten. Sie legt die Grundlagen für ein regelmäßiges Management gemeinsamer Projekte zur Erzielung praktischer Ergebnisse. Die Erfahrungen dieses Jahres und der vorhergehenden Jahre zeigen, dass die steuerliche Zusammenarbeit der BRICS einen hohen Entwicklungsspielraum hat, und wir können uns neue, ehrgeizige Ziele setzen“, wird in der Mitteilung die Aussage des Leiters des russischen Steuerdienstes, Daniil Egorov, zitiert von Interfax.

So bleibt die BRICS-Alternative zu SWIFT ein langfristiges Ziel, das derzeit durch strukturelle Differenzen gebremst wird. Doch statt als Scheitern interpretiert zu werden, signalisiert die anhaltende Zusammenarbeit, dass die BRICS-Länder bereit sind, neue Wege der Kooperation zu erkunden.

Türkei will zu BRICS – Frust über EU-Mitgliedschaft abgeladen?

Die Türkei hat offiziell ihr Interesse am Beitritt zu den BRICS-Staaten bekundet – ein deutlicher Schritt, der auf die festgefahrenen Verhandlungen mit der EU hinweist. Türkischer Außenminister Hakan Fidan machte unmissverständlich klar: Der Grund für Ankaras Blick in Richtung BRICS ist das Scheitern der EU-Mitgliedschaft. Seit Jahren warten die Türken vergeblich darauf, Teil der europäischen Gemeinschaft zu werden. Doch die Perspektive auf eine Aufnahme scheint weiter entfernt als je zuvor.

Fidan erklärte, dass die Türkei möglicherweise keine Alternativen wie BRICS in Erwägung gezogen hätte, wenn die EU-Beitrittsgespräche zu einem positiven Ergebnis geführt hätten. Stattdessen sieht Ankara sich zunehmend außen vor gelassen, insbesondere angesichts dessen, wie EU-Führungskräfte ihrer Meinung nach in den letzten Jahren agiert haben. Fidan verglich die Haltung der EU gegenüber der Türkei mit der von rechtsgerichteten Politikern, was das bereits schwierige Verhältnis weiter belastet.

„Wenn die wirtschaftliche Integration der Türkei mit der EU zu ihrer Mitgliedschaft geführt hätte, hätte die Türkei möglicherweise keine anderen Möglichkeiten wie BRICS in Betracht gezogen“, sagte der Minister.

Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf BRICS, ein Bündnis. Für die Türkei könnte der Beitritt eine strategische Neuausrichtung bedeuten – hin zu einer Gruppe von Staaten, die ihre wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit vom Westen betonen.

Doch wie realistisch ist diese Neuausrichtung? BRICS ist ein Zusammenschluss von Ländern mit sehr unterschiedlichen Wirtschafts- und Finanzsystemen. Ein Beitritt der Türkei, einem NATO-Mitglied mit engen Verbindungen zur westlichen Welt, könnte für das Bündnis sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringen. Es bleibt abzuwarten, wie die BRICS-Staaten Ankaras Antrag bewerten werden.

Die Frage ist also, ob die Türkei tatsächlich ein BRICS-Mitglied werden kann oder ob sie damit nur Druck auf die EU ausübt und weiterhin das Ziel verfolgt, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Peter Stano, der Sprecher von EU-Chefdiplomat Josep Borrell, stellte namentlich klar, dass das Bestreben der Türkei, den BRICS-Staaten beizutreten, ihren Status als EU-Beitrittskandidat nicht beeinflusst.

Die Türkei kann den Platz in dem Bündnis einnehmen, der für Argentinien vorgesehen war. Die Union hat das Land eingeladen, Mitglied zu werden, aber Argentinien hat mitgeteilt, dass es keine Pläne für einen BRICS-Beitritt hat. Die argentinische Außenministerin Diana Mondino nannte die Entscheidung teilweise ideologisch. Ihr zufolge will Argentinien den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Beziehungen zu „liberalen Demokratien“ - den USA, Israel, der EU und Kanada - legen. Die BRICS haben ihre Einladung nicht zurückgezogen und sie bleibt in Kraft.Das Thema einer SWIFT-Alternative durch die BRICS-Länder scheint mittlerweile regelmäßig in den Medien aufzutauchen, fast schon wie eine Art Tradition, mindestens einmal pro Quartal diskutiert zu werden. Trotz aller Ambitionen bleibt die Realisierung dieser Idee jedoch in weiter Ferne, da tiefgreifende wirtschaftliche und politische Unterschiede zwischen den BRICS-Staaten bestehen. Die Gespräche allein reichen nicht aus, um das Projekt voranzutreiben, doch die Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses schreitet fort. Immerhin wecken die Fortschritte – sei es durch verstärkten Handel in nationalen Währungen oder den Ausbau der Neuen Entwicklungsbank – das Interesse anderer Länder, wie etwa der Türkei. Es bleibt also spannend zu beobachten, wie sich diese alternative Finanz- und Handelsarchitektur weiterentwickelt.

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Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.


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