Finanzen

DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten dämpfen Zinssenkungshoffnungen – Chinainvestoren jubeln

Es bleiben spannende Zeiten: In den USA dürfte die Zeit der großen Zinsschritte bereits wieder vorbei sein, China könnte die Talsohle seines wirtschaftlichen Abschwungs erreicht haben, und die Rohstoffmärkte reagieren auf die Eskalation im Nahen Osten.
08.10.2024 10:34
Lesezeit: 5 min
DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten dämpfen Zinssenkungshoffnungen – Chinainvestoren jubeln
In der Hoffnung, dass die US-Wirtschaft durch Zinssenkungen eine Rezession vermeiden kann, hat der S&P 500 in diesem Jahr bereits 42 Rekordhochs verzeichnet (Foto: dpa). Foto: Richard Drew

Die globalen Wirtschaftsaussichten haben sich zugunsten eines allgemein positiven Ausblicks stabilisiert, wobei sich die Inflation weiterhin sehr langsam normalisiert. Da mehrere große Volkswirtschaften in einen geldpolitischen Lockerungsmodus übergehen und China ein umfangreiches Konjunkturpaket anbietet, ergibt sich ein günstiges Umfeld für Aktien, Zinsmärkte, und Rohstoffe, vor allem für jene des Metallsektors. Verschiedene andere physische Rohstoffe, zum Beispiel Getreide oder Rohöl, haben zwar weiterhin mit einem Überangebot zu kämpfen, doch auch für sie verbessert sich die Situation.

Mit der Erwartung, dass die US-Wirtschaft mit Zinssenkungen eine Rezession vermeiden kann, hat der S&P 500 in diesem Jahr bislang 42 Rekordhochs erreicht, aktuell konsolidiert der US-Markt auf hohem Niveau, der deutsche Leitindex kämpft derweil mit der 19.000 Punkte-Marke und droht diesen Stabilisierungsbereich nach unten zu durchbrechen.

In Bewegung hält die Märkte derzeit weiterhin die Entwicklung des US-Zinssenkungszyklus. In der vergangenen Woche fanden daher die Erörterungen des Vorsitzenden der US-Notenbank Jerome Powell bezüglich der Wirtschaftsaussichten sowie insbesondere die am Freitag veröffentlichten US-Arbeitsmarktdaten Beachtung. Zudem nehmen die geopolitischen Spannungen zwischen den beiden Erzfeinden Israel und Iran weiterhin zu. Die realistische Möglichkeit eines offenen Krieges, der sich auf die gesamte Region ausweiten könnte, treibt vor allem den Erdölmarkt und stützt die Edelmetalle.

Weiterer 50-Punkte-Zinsschritt wohl vom Tisch

Die schwächere Beschäftigungsentwicklung und der Wiederanstieg der Arbeitslosenquote seit dem zweiten Quartal dieses Jahres waren die Hauptgründe für die Entscheidung der Fed, ihre Lockerungskampagne im letzten Monat mit einem Megazinsschritt zu starten. Von einer Fortsetzung dieser Entwicklung ging auch Jerome Powell aus, der auf einer Veranstaltung in Nashville weitere Zinsschritte andeutete. Unter den Anlegern war die Hoffnung war groß, dass die nächste Sitzung des Offenmarktausschusses, die zwei Tage nach den Präsidentschaftswahlen stattfinden wird, die Senkung vom September um 50 Basispunkte wiederholen würde.

Mit 254.000 neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft, dem höchsten Wert seit vier Monaten, und einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 4,1 % sehen diese Daten nun jedoch viel zu stark aus, um dies zuzulassen. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Jumbo-Senkung wurde unmittelbar nach deren Veröffentlichung bei den Fed Funds Futures auf null heruntergeschraubt und auch die von der Fed für die nächsten zwei Jahre prognostizierten Zinssenkungen deutlich nach unten nachjustiert.

Die unmittelbar auf die Arbeitsmarktdaten folgenden sprunghaften Anstiege der US-Anleiherenditen um, je nach Laufzeit, 10 bis 15 Basispunkte deutet darauf hin, das sich nach der Rezessionsangst vom August nun wieder Sorgen um Überhitzung und Inflation einstellen. Im nun wiederbelebten „No-Landing“-Szenario, bei dem die Wirtschaft weiter wächst und die Fed nur wenig Spielraum für Zinssenkungen hat, bleibt für den nächsten Monat ein 25 Basispunkteschritt ein realistisches Szenario. Am kommenden Donnerstag stehen mit den Verbraucherpreisindizes weitere Inflationsdaten an, dass diese eine Überraschung darstellen könnten, die das Gegenteil von dem bewirken, was gerade bei den Arbeitsmarktberichten herausgekommen ist, ist jedoch schwer vorstellbar.

China im Rally-Modus

In China blieben die Börsen wegen der Feiertage der „Goldenen Woche“ nach dem Nationalfeiertag am vergangenen Montag geschlossen. Zuvor, und wohl auch aus Angst angesichts der handelsfreien Tage den anfahrenden Zug zu verpassen, vollzogen chinesische Aktien eine der bemerkenswertesten Kehrtwenden in der Geschichte. Angesichts der desaströsen Wirtschaftslage des Landes, die von einer dreijährigen Talfahrt des dortigen Aktienmarkts begleitet wurde, ging die chinesische Regierung in die Vollen indem sie ein umfassendes Paket zur Stützung des angeschlagenen Immobiliensektors vorstellte und vor allem die Kreditzinsen so stark wie nie zuvor senkte. Ganz offenbar brachte dies eine gehörige Portion Vertrauen zurück, Chinas Aktienmarkt verzeichnete den größten Wochenanstieg seit 2008, in den Tagen bis zur feiertagsbedingten Handelspause legte der chinesische Aktienindex CSI 300 um mehr als 26 % zu. Der starke Anstieg der Umsätze an der Börse in Shanghai zwang sogar zu einem vorübergehenden Handelsstopp aufgrund von Problemen bei der Auftragsabwicklung. Nach Angaben von Goldman Sachs investierten Hedge-Fonds in der Vorfeiertagswoche in einem nie dagewesenen Tempo in den chinesischen Aktienmarkt, der weltweit größte Vermögensverwalter selbst hat chinesische Aktien jetzt übergewichtet.

Erdöl steigt angesichts wachsender Risiken

Der Ölmarkt steht ganz im Bann der weiter aus dem Ruder laufenden Lage im Nahen Osten. Noch vor einer Woche handelte die Nordseesorte Brent bei 70 Dollar pro Barrel, das wackelige Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im nächsten Jahr und die in den kommenden Monaten bevorstehende Produktionserhöhung der OPEC+-Gruppe waren die preisbestimmenden Themen. Seitdem haben die Ereignisse im Nahen Osten die Preise in den Bereich von 80 Dollar getrieben, damit verzeichneten die Rohöl-Futures in der vergangenen Woche mit einem Plus von mehr als 13 % den stärksten Anstieg seit fast zwei Jahren. Bemerkenswert ist auch der Blick auf den Optionsmarkt an der New Yorker Terminbörse CME. Dort stieg das Handelsvolumen von Optionen auf die globalen Benchmarkkontrakte Brent und WTI sprunghaft an und erreichte bei Kaufoptionen, mit denen sich Marktteilnehmer gegen das Risiko steigender Preise absichern oder auf ebensolche spekulieren können, jeweils Rekordwerte.

Vor allem das iranische Rohölangebot steht nun buchstäblich im Feuer. Jahrelang hatte die iranische Ölproduktion den US-Sanktionen getrotzt, allein in den in den letzten zwei Jahren stieg sie um ein Drittel auf 3,4 Millionen Barrel pro Tag. Das ist nahezu Vollauslastung und nur ein paar hunderttausend Barrel pro Tag weniger als vor der Wiedereinführung der Sanktionen im Jahr 2018 gefördert wurden.

Sollte der befürchtete israelische Gegenangriff auf die Energieinfrastruktur des Iran abzielen wäre initial mit einer Fortsetzung der laufenden Rally zu rechnen. Ein Großteil der Angst vor einer Unterbrechung der Öllieferungen ist nach der Rally der vergangenen Woche jedoch schon eingepreist, zudem verfügt die OPEC über genügend freie Kapazitäten, um einen vollständigen Ausfall der iranischen Lieferungen zu kompensieren. Die Erzeugergemeinschaft würde aber in Schwierigkeiten geraten, wenn der Iran Vergeltung übt, indem er Anlagen seiner Nachbarländer am Golf angreift. Da daran niemand, einschließlich der USA, Interesse haben dürfte, wird man Israel hinter den Kulissen von einem solchen Schritt eher abraten. Sollte sich die Situation entspannen, oder zumindest andere Ziele gefunden werden, dürfte der Ölmarkt sehr schnell einen gehörigen Teil seiner Risikoprämie verlieren.

Gold mit Verschnaufpause, Silber weiter aussichtsreich

Einiges an Risikoprämie hat auch der Goldpreis aufgebaut, Ende September erreichte das Edelmetall auf Grund der Mischung aus wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheit sein jüngstes Allzeithoch bei 2.685 US-Dollar. Der in den vergangenen Tagen kräftig ansteigende US-Dollar liefert kaum Gegenwind, Gold oszilliert nur wenig unterhalb seines Allzeithochs um die Marke von 2.650 Dollar. Diese Resilienz gegenüber der bremsenden Wirkung des Dollaranstiegs spricht dafür, dass Gold seine überkaufte Situation wahrscheinlich nicht über einen deutlichen Rücksetzer abbauen wird, sondern über einen längeren Verbleib in seiner neuen Konsolidierungszone. Danach dürfte sich die Reise bis in die Nähe von 2.800 Dollar fortsetzen.

Bei Silber überzeugt vor allem die Preisentwicklung, die mit einem Wochenschluss von über 32 Dollar pro Unze weiterhin sehr vielversprechend ist und aus Sicht der technischen Analyse mittelfristige Kursziele von zunächst 36 Dollar, dann 42 Dollar und 48 Dollar in Aussicht stellt. Hinzu kommt eine interessante fundamentale Entwicklung: einem Bericht von Interfax zufolge sieht der Entwurf des russischen Staatshaushalts vor, die Edelmetallstrategie des Landes zu ändern und neben Gold, Platin und Palladium nun erstmals auch Silber in die staatlichen Reserven aufzunehmen. Einzelheiten über die Menge des Silbers, das Russland zu erwerben beabsichtigt, sind nicht bekannt. Die Ankündigung signalisiert jedoch einen möglichen Wandel in der weltweiten Wahrnehmung von Silber als strategischem Vermögenswert, was mit einem erheblichen Nachfrageschub in einem chronisch defizitären Rohstoff verbunden sein könnte.

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Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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