Die Kraft des positiven Denkens als Erfolgsrezept
Was Wim Ouboter antreibt, bezeichnet er selbst als „The Power of Positive Thinking“, die Kraft des positiven Denkens. „Es geht bergauf, aber eben auch bergab in Unternehmen,“ so Ouboter. „Wenn ich etwas nicht mehr ändern kann, will ich keine Sekunde mehr verlieren, darüber zu diskutieren.“ Umso wichtiger ist der Blick nach vorne: „Was kann ich aus dem Fehler lernen und für die Zukunft verbessern?“ Und genau das tut Wim Ouboter: Er will das Thema Mobilität neu denken.
Die Entstehung des Micro-Scooters und der Aufstieg zum globalen Erfolg
Die Geschichte seines Unternehmens Micro Mobility Systems AG beginnt 1997 in Küsnacht bei Zürich. Weil Ouboter der Gang zur Imbissbude zu Fuß zu weit und mit dem Auto zu nah ist, versieht der gelernte Bankkaufmann den altgedienten Tretroller mit schnelleren Reifen, einem kürzeren Trittbrett und leichterem Rahmen – fertig ist der Micro-Scooter. Zuerst sind es die Kinder aus der Nachbarschaft, die auf das Gefährt aufspringen. Schon bald rollt die ganze Welt auf dem Micro-Scooter. Bis zu 80.000 Scooter und Kickboards täglich verkauft Ouboter in Spitzenzeiten, 30 Millionen allein im ersten Jahr.
Es dauert nicht einmal ein Jahr, da überschwemmt die Konkurrenz aus China den Markt mit Plagiaten aus 500 Produktionsstätten. Wim Ouboter fühlt sich eher geschmeichelt als geschlagen: „Wenn man das Original erfunden hat und China es kopiert, ist das eine Ehre.“ Er investiert in Innovationen, verbessert die Qualität seiner Produkte und ändert seine Strategie nach dem „Blue Oceans-Prinzip“: „Schwimmen in deinem Becken zu viele Haie, suche dir einen neuen Ozean.“
Er kooperiert mit Mercedes, BMW, Mazda und Peugeot, baut einen Tretroller mit integriertem Koffer für Samsonite und stattet die Schweizer Armee mit einem Transportwägelchen für Gepäck aus. Rund 50 verschiedene Produkte für Kinder und Erwachsene vertreibt Micro Mobility heute in 80 Ländern.
Von der Idee zum Microlino: Ein neues Kapitel urbaner Mobilität
Das Thema Mobilität ist für Wim Ouboter damit noch lange nicht zu Ende gedacht. Im Jahr 2015 entwickelt er eine Vision von urbaner Mobilität, die zunächst nur als PR-Gag für den Micro-Scooter gedacht ist. Als Vorlage für das Design dient die legendäre BMW Isetta, im Volksmund „Knutschkugel“ aufgrund ihrer runden Form genannt. Es ist die Geburtsstunde des Microlino. So niedlich wie der Name ist auch die Optik: In der fast kugelrunden Karosserie öffnet sich eine große Tür inklusive Lenkrad und Armaturenbrett nach vorne.
Auf der Spielwarenmesse TOY 2016 in Nürnberg soll der Microlino als Werbe-Maskottchen für den Micro-Scooter Premiere feiern. Doch während des Transports in Zürich fällt der Prototyp vom Gabelstapler. Wim Ouboter besinnt sich wieder mal auf die Kraft des positiven Denkens: Er stellt den Microlino trotz Schadens aus. Und nur wenige Monate später präsentiert er sein Elektroauto auf dem Genfer Automobil-Salon. Am Ende der Messe liegen 500 Vorbestellungen vor.
Der Microlino ist ein batteriebetriebener Zweisitzer der Kategorie Leichtfahrzeug L7e, der dank seiner Länge von 2 Metern 52 auch quer in der Parklücke stehen kann. Erhältlich ist er ab 19.990 Euro. Der Akku mit der größten Kapazität hat laut Hersteller eine Reichweite von 228 Kilometern. „Der Microlino ist für eine Strecke von 50 bis 80 Kilometern geeignet. Das ist Mikromobilität“, erklärt Wim Ouboter.
Designanspruch und die Zusammenarbeit mit der nächsten Generation
Die Herausforderung liegt im Design eines kleines Autos: „Es muss cool und nicht peinlich sein, aus einem kleinen Auto auszusteigen. In Italien nennt man es ,Bella Figura’. Nicht umsonst war unser erster Kunde in Italien der CEO von Gucci. Uns ist es gelungen, ein kleines Auto cool aussehen zu lassen.“ Und so verwundert es auch nicht, dass der Microlino in der eigenen Fabrik im Herzen der italienischen Automobilindustrie in Turin produziert wird.
Es waren Ouboters Söhne Oliver (30) und Merlin (28), die ihren Vater von der Serienproduktion überzeugen konnten. „Das war eine Steilvorlage für mich mit meinen 64 Jahren, endlich ein Projekt mit meinen beiden Söhnen umzusetzen. Es ist die schönste Zeit in meinem Berufsleben.“ Oliver konnte sein Studium an der Universität St. Gallen noch zu Ende bringen, Merlin hat sein BWL- und Designmanagement-Studium in Luzern zugunsten der Firma aufgegeben. Wim Ouboter weiß um die Bedeutung seiner Söhne für das Familienunternehmen: „Ohne die beiden wäre der Microlino nie in Serie gegangen.“
Mit diesem Projekt hat Wim Ouboter auch die Frage der Unternehmensnachfolge geklärt: „Wir haben mit dem Microlino gemeinsam ein Start-up gegründet und entwickelt. Das ist etwas anderes, als ein bestehendes Unternehmen weiterzuführen.“ Ouboter hat Oliver und Merlin schon im frühen Kindesalter geschickt in das Unternehmen mit eingebunden: „Meine Söhne waren Versuchskaninchen für den Micro-Scooter“, erzählt Ouboter. Sie durften die Roller testen und über das Verpackungsdesign entscheiden.
Heute kümmert sich Merlin um Sales und Marketing, Oliver um Finanzen und Supply Chain, Produktion und Entwicklung. Für die Arbeit mit seinen Söhnen gilt dasselbe wie für den Umgang mit Mitarbeitern: „Man sollte nicht als Patron auftreten, sondern ein Teamplayer sein. Zuhören, welche Ideen die nachfolgende Generation hat und ihnen die Gelegenheit geben, diese Ideen umzusetzen“, sagt Wim Ouboter. „Auch wenn die Ideen manchmal verrückt sind“, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. „Viel Freiheit und Eigenverantwortung zu geben hat sich bewährt.“
Wim Ouboter und die Mobilitätswende: Ein Appell für kleine Fahrzeuge
Wim Ouboter will mit seinem Microlino einen entscheidenden Beitrag zur Mobilitätswende leisten, allem voran dem Klimaschutz Vorschub leisten. Seiner Meinung nach braucht es klare Regelungen: „Alle reden vom Klimaschutz. Aber die Mehrheit hat eben nur eine Riesenklappe“, ärgert sich Wim Ouboter. „Klimaschutz geht nicht freiwillig“, ist er sich sicher und zieht einen Vergleich zur Steuerpflicht: „Würde jeder freiwillig Steuern zahlen, wären wir vermutlich bei nicht einmal zehn Prozent der jetzigen Steuereinnahmen.“
Laut Wim Ouboter muss ein Umdenken in der Automobilindustrie stattfinden: „Wir dürfen nicht noch länger große Autos produzieren. Das sind halbe Panzer. Das Wettrüsten, wer den stärkeren SUV hat, muss aufhören!“ Ouboter spricht sich für eine deutlich höhere Besteuerung großer Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß aus: „Die durchschnittliche Besetzung dieser Fahrzeuge sind 1,2 Personen, die durchschnittliche Strecke pro Tag 35 Kilometer und die Durchschnittsgeschwindigkeit 30 km/h“, so Ouboter. „Dafür reicht ein kleines Auto.“
Die Automobilindustrie sollte sich daher auf die Herstellung kleiner Fahrzeuge konzentrieren, die auch im Unterhalt günstiger sind. „Wir brauchen eine Förderung der kleinen und günstigen E-Autos für Menschen, deren Portemonnaie nicht so groß ist und für die vor allem der Preis eine Rolle spielt.“ Denn bei gleichem Preis von Elektro-Auto und Verbrenner falle die Entscheidung stets zugunsten des Verbrenners aus, da das Elektroauto zu viel an Wert verliere beim Wiederverkauf.
Nicht alle Elektrofahrzeuge seien eine Lösung für weniger CO2-Ausstoß. Beispiel Tesla. „Es ist wichtig, dass Elon Musk das Thema Elektromobilität angestoßen hat“, findet Wim Ouboter. „Aber ein Auto, das erst nach 200.000 Kilometern weniger CO2 ausstößt als ein Verbrenner, hat mit Umweltschutz wenig zu tun.“ Der Microlino beansprucht 60 Prozent weniger CO2-Ausstoß für Herstellung und Nutzung als ein durchschnittliches Elektrofahrzeug für sich.
So lange es keine staatliche Förderung gibt, sieht Wim Ouboter wenig Chancen, sich gegenüber der preisgünstigen Konkurrenz aus China zu behaupten. Jüngstes Beispiel ist der Leapmotor T03 mit einem Neupreis von 18.900 Euro. „Wir bekommen für den Microlino keinen Cent Subvention“, erklärt Wim Ouboter. „Ich habe weit über 50 Millionen Franken selbst finanziert statt mir Dividenden auszubezahlen. Es ist Zeit, dass Regierungen in Europa die Unternehmen unterstützen.“ Er sieht in einer Anlaufunterstützung durch den Staat für die ersten fünf bis sechs Jahre eine Lösung: „Es ist eine Chance, kleine Autos hierzulande statt in China zu produzieren.“
Wim Ouboter fehlt sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland die Anerkennung für Unternehmer: „Es herrscht eine Neidkultur. Das Verständnis fehlt, dass man ein hohes Risiko eingeht als Unternehmer, aber deshalb auch mehr verdient. Wenn wir in Europa weltweit bestehen wollen, müssen wir mit Unternehmertum achtsamer umgehen. Wir müssen dankbar sein, wenn es Menschen gibt, die bereit sind, das unternehmerische Risiko auf sich zu nehmen.“
Als Unternehmer hat Wim Ouboter eine Vision: „Wir wollen in den Haushalten den zweiten Langstreckenwagen durch den Microlino ersetzen. Mehr CO2 kann man mit einem Auto nicht einsparen.“