Bundeskanzler Olaf Scholz will schärfere Einwanderungsregeln durchsetzen. Er muss auch mit Widerstand aus den Fraktionen der Regierungsparteien rechnen.
Sicherheitspaket wird zur Zerreißprobe für die Koalition
Union und FDP gehen die härteren Regeln für Asylbewerber und die Ausweitung der Befugnisse für Ermittler nicht weit genug. In den Fraktionen von SPD und Grünen wiederum gibt es Kritik unter anderem an Verschärfungen im Migrationsbereich. Es wird namentlich abgestimmt, Nein-Stimmen und Enthaltungen werden damit öffentlich. Nach dem Bundestag soll sich heute auch der Bundesrat mit dem Paket befassen.
Was sich ändern soll
Asylbewerber, für deren Schutzersuchen nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes europäisches Land die Verantwortung trägt, sollen von staatlichen Leistungen ausgeschlossen werden – wenn die Ausreise für sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Ausnahmen soll es hier geben, wenn Kinder betroffen sind. Auch sollen sich Heimreisen anerkannt Schutzberechtigter nicht auf ihren Schutzstatus auswirken, wenn sie „sittlich zwingend geboten“ sind.
Außerdem soll das Waffenrecht verschärft werden. So wird nun deutlich gemacht, dass das Verbot, Waffen bei Volksfesten oder Sportveranstaltungen mitzuführen, auch für Messer gilt, die an dieser Stelle im Waffengesetz künftig ausdrücklich erwähnt werden sollen. Es soll aber Ausnahmen geben, zum Beispiel für bestimmte Berufsgruppen.
Die Sicherheitsbehörden sollen die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen biometrische Daten im Internet abgleichen zu können. Die Suche nach Gesichtern und Stimmen mittels einer automatisierten Anwendung sollen aber nur dann erlaubt sein, wenn dies der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) oder seine Vertretung von einem Gericht genehmigen lässt. Bei Gefahr im Verzug kann der BKA-Chef oder einer der drei Vize selbst die Anordnung für eine Dauer von maximal drei Tagen treffen.
Der Auslöser
Der mutmaßlich islamistisch motivierte Messeranschlag auf einem Stadtfest am 23. August in Solingen löste eine heftige Debatte aus. Drei Menschen wurden getötet, acht weitere verletzt. Der tatverdächtige Syrer hätte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.
Nach dem Anschlag verständigte sich die Bundesregierung auf Verschärfungen im Migrations- und Waffenrecht sowie auf mehr Befugnisse für Ermittler. Nach einer Expertenanhörung machten die Koalitionäre Abstriche an den Plänen. Hinter dem nun im Bundestag abzustimmenden Paket stehen die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP – jedenfalls mehr oder weniger.
Wie viele Stimmen gibt es von SPD und Grünen?
Bei SPD und Grünen gibt es Bedenken, dass das Vorhaben zu weit geht. Die drei Ampel-Fraktionen stellen zusammen 415 von 733 Abgeordneten. Sie haben also 48 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit. Bei einer Probeabstimmung in der SPD-Fraktion am Dienstag gab es nach Angaben von Teilnehmern 20 bis 25 Gegenstimmen. Kanzler Olaf Scholz hatte dabei die Abgeordneten in der Sitzung zur Zustimmung ermahnt.
Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zeigt sich dennoch zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass die sehr große Mehrheit für das Sicherheitspaket stimmt“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Einlassungen von Scholz seien keine Drohung, sondern ein Appell gewesen. „Unsere Geschäftsordnung legt fest: Wenn die Mehrheit der Abgeordneten in einer Fraktionssitzung für eine Entscheidung stimmen, dann haben sich im Bundestag alle daran zu halten“, machte Miersch deutlich.
FDP stimmt zu und will mehr
FDP-Fraktionschef Christian Dürr geht nach eigener Aussage fest davon aus, dass das Paket im Bundestag eine Mehrheit für bekommt. „Das Gesetz leistet einen wichtigen Beitrag dazu, Ordnung in die Migrationspolitik zu bringen. Es müssen aber noch mehr Schritte folgen“, sagte Dürr der „Stuttgarter Zeitung“. Die FDP-Fraktion hatte unlängst ein weitergehendes Neun-Punkte-Papier zur Migrationspolitik beschlossen. Dürr schlug zudem vor, dass die Partei- und Fraktionschefs von Koalition und Union über weitere Maßnahmen sprechen.
Union lehnt ab und will mehr
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat den Abgeordneten seiner Fraktion die Ablehnung des Ampel-Pakets empfohlen. Der CSU-Rechtsexperte Volker Ullrich sprach von einem „Sicherheitspäckchen“. Einige Maßnahmen wie das Messerverbot seien bloße Symbolpolitik. Andere wirksame Maßnahmen, wie Zurückweisungen an den Grenzen, fehlten, kritisierte Ullrich in den Funke-Zeitungen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bemängelte, das „Sicherheitspaket“ der Koalition reiche längst nicht aus. „Es verdient seinen Namen nicht“, sagte Wüst der „Rheinischen Post“. Er verwies auf Vorschläge von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein unter anderem zu effektiveren Regeln für Rückführungen in Europa. In allen drei Ländern regieren CDU und Grüne gemeinsam.