Politik

Scheitert die Ampel? Votum über umstrittenes „Sicherheitspaket“ – Union und FDP wollen mehr

Knapp zwei Monate nach der Messerattacke von Solingen steht das sogenannte Sicherheitspaket der Ampel-Koalition heute zur Abstimmung im Bundestag. SPD, Grüne und FDP hatten das Vorhaben nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag mit drei Toten auf den Weg gebracht. Die CSU spricht von einem „Sicherheitspäckchen“, was zur Zerreißprobe für die Koalition werden könnte.
18.10.2024 10:49
Aktualisiert: 18.10.2024 10:49
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Scheitert die Ampel? Votum über umstrittenes „Sicherheitspaket“ – Union und FDP wollen mehr
Bundeskanzler Scholz – hier bei einer Bundestagsdebatte in der vergangenen Woche – hat sich in Asylfragen auf die Seite der Hardliner geschlagen. (Foto: dpa) Foto: Michael Kappeler

Bundeskanzler Olaf Scholz will schärfere Einwanderungsregeln durchsetzen. Er muss auch mit Widerstand aus den Fraktionen der Regierungsparteien rechnen.

Sicherheitspaket wird zur Zerreißprobe für die Koalition

Union und FDP gehen die härteren Regeln für Asylbewerber und die Ausweitung der Befugnisse für Ermittler nicht weit genug. In den Fraktionen von SPD und Grünen wiederum gibt es Kritik unter anderem an Verschärfungen im Migrationsbereich. Es wird namentlich abgestimmt, Nein-Stimmen und Enthaltungen werden damit öffentlich. Nach dem Bundestag soll sich heute auch der Bundesrat mit dem Paket befassen.

Was sich ändern soll

Asylbewerber, für deren Schutzersuchen nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes europäisches Land die Verantwortung trägt, sollen von staatlichen Leistungen ausgeschlossen werden – wenn die Ausreise für sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Ausnahmen soll es hier geben, wenn Kinder betroffen sind. Auch sollen sich Heimreisen anerkannt Schutzberechtigter nicht auf ihren Schutzstatus auswirken, wenn sie „sittlich zwingend geboten“ sind.

Außerdem soll das Waffenrecht verschärft werden. So wird nun deutlich gemacht, dass das Verbot, Waffen bei Volksfesten oder Sportveranstaltungen mitzuführen, auch für Messer gilt, die an dieser Stelle im Waffengesetz künftig ausdrücklich erwähnt werden sollen. Es soll aber Ausnahmen geben, zum Beispiel für bestimmte Berufsgruppen.

Die Sicherheitsbehörden sollen die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen biometrische Daten im Internet abgleichen zu können. Die Suche nach Gesichtern und Stimmen mittels einer automatisierten Anwendung sollen aber nur dann erlaubt sein, wenn dies der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) oder seine Vertretung von einem Gericht genehmigen lässt. Bei Gefahr im Verzug kann der BKA-Chef oder einer der drei Vize selbst die Anordnung für eine Dauer von maximal drei Tagen treffen.

Der Auslöser

Der mutmaßlich islamistisch motivierte Messeranschlag auf einem Stadtfest am 23. August in Solingen löste eine heftige Debatte aus. Drei Menschen wurden getötet, acht weitere verletzt. Der tatverdächtige Syrer hätte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.

Nach dem Anschlag verständigte sich die Bundesregierung auf Verschärfungen im Migrations- und Waffenrecht sowie auf mehr Befugnisse für Ermittler. Nach einer Expertenanhörung machten die Koalitionäre Abstriche an den Plänen. Hinter dem nun im Bundestag abzustimmenden Paket stehen die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP – jedenfalls mehr oder weniger.

Wie viele Stimmen gibt es von SPD und Grünen?

Bei SPD und Grünen gibt es Bedenken, dass das Vorhaben zu weit geht. Die drei Ampel-Fraktionen stellen zusammen 415 von 733 Abgeordneten. Sie haben also 48 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit. Bei einer Probeabstimmung in der SPD-Fraktion am Dienstag gab es nach Angaben von Teilnehmern 20 bis 25 Gegenstimmen. Kanzler Olaf Scholz hatte dabei die Abgeordneten in der Sitzung zur Zustimmung ermahnt.

Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zeigt sich dennoch zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass die sehr große Mehrheit für das Sicherheitspaket stimmt“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Einlassungen von Scholz seien keine Drohung, sondern ein Appell gewesen. „Unsere Geschäftsordnung legt fest: Wenn die Mehrheit der Abgeordneten in einer Fraktionssitzung für eine Entscheidung stimmen, dann haben sich im Bundestag alle daran zu halten“, machte Miersch deutlich.

FDP stimmt zu und will mehr

FDP-Fraktionschef Christian Dürr geht nach eigener Aussage fest davon aus, dass das Paket im Bundestag eine Mehrheit für bekommt. „Das Gesetz leistet einen wichtigen Beitrag dazu, Ordnung in die Migrationspolitik zu bringen. Es müssen aber noch mehr Schritte folgen“, sagte Dürr der „Stuttgarter Zeitung“. Die FDP-Fraktion hatte unlängst ein weitergehendes Neun-Punkte-Papier zur Migrationspolitik beschlossen. Dürr schlug zudem vor, dass die Partei- und Fraktionschefs von Koalition und Union über weitere Maßnahmen sprechen.

Union lehnt ab und will mehr

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat den Abgeordneten seiner Fraktion die Ablehnung des Ampel-Pakets empfohlen. Der CSU-Rechtsexperte Volker Ullrich sprach von einem „Sicherheitspäckchen“. Einige Maßnahmen wie das Messerverbot seien bloße Symbolpolitik. Andere wirksame Maßnahmen, wie Zurückweisungen an den Grenzen, fehlten, kritisierte Ullrich in den Funke-Zeitungen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bemängelte, das „Sicherheitspaket“ der Koalition reiche längst nicht aus. „Es verdient seinen Namen nicht“, sagte Wüst der „Rheinischen Post“. Er verwies auf Vorschläge von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein unter anderem zu effektiveren Regeln für Rückführungen in Europa. In allen drei Ländern regieren CDU und Grüne gemeinsam.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russland stört GPS-Systeme in der Ostsee: Experten warnen vor wachsenden Risiken
05.09.2025

Russland intensiviert GPS-Störungen in der Ostsee. Experten warnen: Spoofing und Störsender gefährden nicht nur Militär, sondern auch...

DWN
Politik
Politik Kriegsministerium statt Verteidigungsministerium: Trumps Plan für das Pentagon
05.09.2025

Donald Trump will das Pentagon umbenennen, es soll künftig "Kriegsministerium" heißen. Mit dieser Umbenennung sendet er ein Signal an...

DWN
Politik
Politik Bürgergeld-Reform: Zwischen Koalitionsvertrag und Streit ums Sparziel
05.09.2025

Die geplante Bürgergeld-Reform sorgt in Berlin für hitzige Diskussionen. Während Kanzleramtschef Thorsten Frei Tempo fordert, stellt...

DWN
Politik
Politik Streit um Neutralität: Warum die US-Arbeitsmarktzahlen plötzlich in der Kritik stehen
05.09.2025

Die neuesten US-Arbeitsmarktzahlen sorgen für Diskussionen. Während offizielle Stellen von Stabilität sprechen, zweifeln Kritiker an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in China? Mehrheit der Deutschen lehnt E-Autos aus China ab
05.09.2025

Der europäische Automarkt steht vor einer entscheidenden Frage: Können E-Autos aus China die Skepsis deutscher Käufer überwinden? Eine...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Debatte über Sicherheitsgarantien für Ukraine spitzt sich zu
05.09.2025

Die Diskussion über Sicherheitsgarantien für Ukraine sorgt weltweit für Spannung. Präsident Selenskyj drängt auf konkrete Maßnahmen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Lohnunterschiede in Deutschland: Ostdeutsche verdienen deutlich weniger als der Westdeutsche
05.09.2025

Gleiche Lebensverhältnisse für Ost und West – von diesem Ziel ist Deutschland auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung noch weit...

DWN
Politik
Politik Umsatzsteuersenkung: Steuerentlastung für Gastronomen auf den Weg gebracht
05.09.2025

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD Steuerentlastungen für Gastwirte und Pendler angekündigt. Sie werden nun umgesetzt.