In der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau hat die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu eine beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte auf die Präsidentschaftswahl angeprangert. Kriminelle Gruppen hätten in Zusammenarbeit mit einer ausländischen Macht versucht, die Situation in Moldau zu destabilisieren. Die an einem EU-Beitritt interessierte Führung des verarmten Agrarstaates sieht Russland als größte Bedrohung für die Stabilität der Republik.
Parallel zur Wahl fand ein Referendum über die EU-Ambitionen des Landes statt, bei dem der Staatsführung eine herbe Niederlage drohte, die Moskau sicher begrüßen wird. Die Auszählung deutete am Morgen auf ein extrem knappes Ergebnis hin.
Sandu kandidiert bei der Präsidentschaftswahl für eine zweite Amtszeit. Nach der Auszählung von mehr als 96 Prozent der Stimmen verfehlte sie mit rund 41 Prozent die absolute Mehrheit und muss daher in zwei Wochen in eine Stichwahl gehen. Ihr wahrscheinlichster Gegner ist der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo, der etwa 27 Prozent der Stimmen erhielt und für die traditionell starke Sozialistische Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon antritt. Insgesamt traten elf Bewerber zur Wahl an, darunter auch einige, die sich für enge Beziehungen zu Russland einsetzen.
Es gebe Hinweise darauf, dass 300.000 Stimmen gekauft worden seien, erklärte Sandu in einer nächtlichen Ansprache in der Hauptstadt Chisinau. Dutzende Millionen Euro seien ausgegeben worden, um Lügen und Propaganda zu verbreiten. "Wir stehen vor einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie in unserem Land", wurde Sandu von lokalen Medien zitiert. Sie wolle das Endergebnis abwarten und dann Entscheidungen treffen.
Prorussische Wählerbestechung aufgedeckt
Details nannte die 52-Jährige nicht. Allerdings hatten moldauische Sicherheitskräfte schon vor der Wahl Wählerbestechung und prorussische Desinformation in dem Land mit etwa 2,5 Millionen Einwohnern aufgedeckt, das zwischen der von Russland angegriffenen Ukraine und dem EU-Mitglied Rumänien liegt.
EU-Referendum: Entscheidung gegen Verfassungsänderung?
Eines der Hauptziele Sandus ist es, den EU-Kurs des Landes unwiderruflich als strategisches Ziel in der Verfassung festzulegen. Beim Referendum über diese Frage deutete die Auszählung von knapp 97 Prozent darauf hin, dass sich das Volk mit hauchdünner Mehrheit gegen die Verfassungsänderung ausgesprochen hatte. Umfragen hatten eher das Gegenteil erwartet.
Russland als einflussreicher Akteur
Ein einflussreicher Akteur in der moldauischen Politik ist neben Russland der ins Ausland geflüchtete moskautreue Oligarch Ilan Shor, der in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Betrug in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde und zur Fahndung ausgeschrieben ist. Russischen Staatsmedien zufolge warf Shor seiner Rivalin Sandu vor, bei der Wahl gescheitert zu sein - Moldau benötige die EU nicht.
Russland wirft der Europäischen Union vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördermitteln in Aussicht gestellt. Diese Finanzspritze soll vor allem das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen und Infrastruktur verbessern.
Kritik an der Verbindung von Wahl und Referendum
Am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentschaftswahl und das EU-Referendum miteinander verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das Referendum und bezeichneten den Prozess als rechtswidrig. "Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgeführt werden, doch die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft sollte erst nach Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind", sagte Ex-Präsident Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.
Unzufriedenheit mit Sandus Politik
In der russischen Hauptstadt Moskau bildeten sich vor der moldauischen Botschaft lange Schlangen für die Stimmabgabe. Gleichzeitig gab es Beschwerden, dass die Zahl der Wahllokale in Russland absichtlich klein gehalten worden sei und nicht genügend Stimmzettel vorhanden gewesen seien. Das Außenministerium in Chisinau bezeichnete die Schlangen laut moldauischen Medien als inszeniert.
Das Bewerberfeld war auch deshalb so groß, weil viele Menschen mit Sandus Politik unzufrieden sind und seit ihrer Wahl 2020 zu wenig Fortschritte sehen - insbesondere im immer wieder proklamierten Kampf gegen Korruption. Damals erreichte Sandu im ersten Wahlgang 36,2 Prozent und im zweiten Wahlgang 57,7 Prozent der Stimmen. Da sie einen Verzicht auf russisches Gas durchsetzte, stiegen die Energiepreise, was viele Verbraucher ärgert.
Um Reformen umzusetzen, ist Sandu auf eine Mehrheit im Parlament angewiesen, die sie derzeit noch hat. Der politische Machtkampf in Moldau könnte seinen Höhepunkt bei der Parlamentswahl im kommenden Sommer erreichen. "Für eine starke, politikgestaltende Rolle als Präsidentin sind ein loyaler Premierminister und eine Mehrheit im Parlament notwendig", sagte Expertin Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau der Deutschen Presse-Agentur. Sie erwartet nicht, dass Russlands Einflussnahme in Moldau nachlassen wird.
Russland fordert Beweise für Wahlmanipulation in Moldau
Russland hat die prowestliche moldauische Präsidentin Maia Sandu aufgefordert, Beweise für die von ihr beklagte Wahlmanipulation aus dem Ausland vorzulegen. Es handle sich um ernsthafte Anschuldigungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge.
"Wenn sie sagt, dass sie wegen irgendwelcher krimineller Banden zu wenig Stimmen bekommen hat, sollte sie die Beweise vorlegen", sagte Peskow. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen vielmehr, dass viele Menschen in der Ex-Sowjetrepublik mit Sandus Politik unzufrieden sind.
Kremlsprecher Peskow warf Sandus Regierung einen unfreien Wahlkampf vor, da der prorussischen Opposition die Möglichkeiten zur Agitation entzogen worden seien. In dem Land wurden mehrere russischsprachige Medien blockiert. Trotz Verbote und der Verfolgung von russlandfreundlichen Kräften habe sich gezeigt, dass viele Moldauer Sandus Politik nicht unterstützen, sagte Peskow. "Das ist bemerkenswert." Die Ex-Sowjetrepublik, die als EU-Beitrittskandidat gilt, ist traditionell zwischen Russland und dem Westen hin- und hergerissen.