Politik

Israel übt Vergeltung gegen den Iran - Wie reagiert Teheran?

Israel holt nach dem iranischen Raketenangriff zum Gegenschlag aus. Teheran ist angeblich bereit zu reagieren. Gerät der Konflikt zwischen den beiden Erzfeinden außer Kontrolle?
26.10.2024 11:23
Lesezeit: 4 min
Israel übt Vergeltung gegen den Iran - Wie reagiert Teheran?
Die von den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) über X zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt nach Angaben der IDF Herzi Halevi (l), Generalstabschef, mit Tomer Bar, Kommandeur der israelischen Luftwaffe. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

Israel hat zu seinem seit Wochen erwarteten Vergeltungsschlag gegen den Iran ausgeholt. Man führe "als Reaktion auf die seit Monaten andauernden Angriffe des iranischen Regimes" auf Israel präzise Angriffe auf militärische Ziele im Iran durch, teilte das Militär in der Nacht mit. Nach etwa fünf Stunden mehrerer Angriffswellen erklärte die Armee den Schlag unter dem Namen "Tage der Umkehr" am Morgen für beendet. Die "Mission" sei erfüllt. Irans Militär ist bereit, zurückzuschlagen. "Es besteht kein Zweifel daran, dass Israel auf jede Aktion eine angemessene Antwort erhalten wird", zitierte die Agentur Tasnim eine Quelle. Tasnim gilt als Sprachrohr der Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht. Israels Luftangriff erfolgte über eine Distanz von etwa 1500 Kilometern.

Es ist der erste bekannte groß angelegte Angriff einer fremden Macht im Iran seit dem ersten Golfkrieg zwischen der Islamischen Republik und dem Irak in den 1980er Jahren. "Wir haben auf präzise Art und Weise Ziele in verschiedenen Regionen im Iran angegriffen", sagte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari am Morgen. Darunter seien Werkstätten zur Herstellung von Raketen. Außerdem habe man Boden-Luft-Raketensysteme sowie Luftabwehrsysteme attackiert. "Jetzt hat Israel mehr Freiheit bei Lufteinsätzen auch im Iran", sagte Hagari. Die angegriffenen Orte seien aus einer Liste von Zielen ausgewählt worden. Sollte es notwendig werden, könne man weitere Ziele von dieser Liste angreifen. Laut Medienberichten wurden insgesamt etwa 20 Ziele im Iran von Israel bombardiert.

Irans Medien melden "begrenzte Schäden"

Die USA hatten Israel als seinen wichtigsten Verbündeten aufgefordert, keine Atomanlagen oder Ölfelder im Iran anzugreifen. Iranische Medien meldeten zunächst "begrenzte Schäden" an Militärstützpunkten im Land. Es gibt bislang keine Berichte über mögliche Opfer. Der Luftraum wurde laut Irans Staatsmedien zunächst gesperrt, sollte aber am Vormittag wieder geöffnet werden. Die Staatsmedien des Landes hatten von Explosionen im Raum der Hauptstadt Teheran berichtet, in der 15 bis 20 Millionen Menschen leben. Am frühen Morgen waren auch Explosionen im Stadtzentrum zu hören und Feuer der Luftabwehr zu sehen. Israels Gegenschlag erfolgte in Reaktion auf die jüngste iranische Raketenattacke.

Israel macht Drohung wahr

Am 1. Oktober hatten die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, rund 200 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert. Der Angriff erfolgte nach einer Reihe von gezielten Tötungen durch Israel, die sich gegen zentrale Akteure in Irans Netzwerk nichtstaatlicher Verbündeter wie der libanesischen Hisbollah-Miliz und der islamistischen Hamas richteten. Israel hatte daraufhin Vergeltung angekündigt. Der Angriff begann während des jüdischen Ruhetags Sabbat. Die hohen jüdischen Feiertage waren am Donnerstagabend zu Ende gegangen. Laut US-Medien waren die amerikanischen Streitkräfte in der Region nicht daran beteiligt.

Schlägt der Iran zurück?

Zunächst hatten die iranischen Staatsmedien den israelischen Angriff als harmlos dargestellt. Der staatliche Rundfunk berichtete, Geräusche von Explosionen im Westen der Hauptstadt Teheran seien durch Luftabwehr ausgelöst worden. Irans Revolutionsgarden hatten in den vergangenen Tagen immer wieder betont, entschieden auf einen Angriff reagieren zu wollen. Israels Armeesprecher Hagari warnte den Iran nach Ende des Schlags vor einer weiteren Eskalation. "Sollte das Regime im Iran den Fehler begehen, eine neue Eskalationsrunde einzuleiten, sind wir verpflichtet, darauf zu reagieren", sagte Hagari am Morgen.

Auch die US-Regierung rief den Iran kurz vor der Präsidentenwahl in den USA auf, den Konflikt nicht weiter zu eskalieren. Ein ranghoher Regierungsbeamter verwies darauf, dass Israel der Empfehlung der US-Regierung gefolgt sei, die Attacke auf militärische Ziele zu begrenzen und Opfer in der Bevölkerung zu vermeiden. US-Präsident Joe Biden und sein Team hätten in den vergangenen Wochen Israel zu einer zielgerichteten und angemessen Antwort auf den iranischen Raketenangriff vom 1. Oktober ermutigt, sagte der Regierungsbeamte dem "Wall Street Journal". Israels Reaktion könnte die Innenpolitik in den USA beeinflussen, sagte der frühere CIA-Direktor John Brennan dem Sender NBC News.

Warnungen an den Iran

Die Website Axios berichtete, Israel habe den Iran vor dem Vergeltungsangriff vor einer Antwort darauf gewarnt. Für den Fall eines iranischen Gegenschlags sei über Mittelsleute eine schwerere Attacke angedroht worden, insbesondere wenn es dabei Opfer in der israelischen Bevölkerung geben sollte, schrieb Axios unter Berufung auf anonyme Quellen.

Irans Militär arbeitete laut einem Medienbericht an mehreren Angriffsszenarien. Die Islamische Republik könnte bis zu 1.000 ballistische Raketen auf den erklärten Erzfeind abfeuern, die Angriffe verbündeter Milizen in der Region noch ausweiten und den Schiffsverkehr im Persischen Golf und der Straße von Hormus stören. Die USA stationierten vor diesem Hintergrund eine Batterie des Raketenabwehrsystems THAAD in Israel. Bereits im vergangenen Jahr hatten die USA eine Batterie des THAAD-Systems in die Region verlegt.

Israel: Haben das Recht zu reagieren

Israels Kabinett hatte den Vergeltungsschlag örtlichen Medienberichten zufolge kurz vor dem Angriff autorisiert. Eine entsprechende Telefonkonferenz mit Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungminister Joav Galant habe am Freitagabend stattgefunden, berichtete die Zeitung "Haaretz". "Wie jedes andere souveräne Land der Welt hat der Staat Israel das Recht und die Pflicht zu reagieren", erklärte das israelische Militär am Morgen.

Israel werde es dem Iran nicht erlauben, "sich weiter hinter seinen Stellvertretern zu verstecken", schrieb Israels UN-Botschafter Danny Danon auf der Plattform X. Israel habe der internationalen Gemeinschaft gegenüber immer wieder deutlich gemacht, "dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen werden, um die Bürger Israels zu schützen".

Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr kommt es immer wieder zu Angriffen der sogenannten "Widerstandsachse" von Verbündeten des Irans auf Israel. Dazu gehören neben der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen auch Milizen im Irak sowie die Huthi-Rebellen im Jemen. Nach Beginn des Vergeltungsschlags gegen den Iran erklärte das israelische Militär am Morgen, die defensiven und offensiven Fähigkeiten seien voll mobilisiert. "Wir werden alles Notwendige tun, um den Staat Israel und das israelische Volk zu verteidigen." Es gebe aber derzeit keine besonderen Anweisungen des Zivilschutzes.

Unterdessen gab es nach Beginn des israelischen Vergeltungsschlags im Norden Israels erneut Raketenalarm. Die israelische Armee teilte mit, in der Küstenstadt Naharija und umliegenden Gebieten heulten die Warnsirenen. Es gab zunächst keine Berichte über mögliche Opfer. Die mit dem Iran verbündete Hisbollah beschießt Israel seit Beginn des Gaza-Krieges vor einem Jahr. Israel antwortete mit massiven Luftangriffen und inzwischen auch einer Bodenoffensive. Derweil geht Israel im Libanon weiter gegen die Hisbollah vor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Donald Trump: Warum die Wahlsiege der Demokraten kein Wendepunkt sind
07.11.2025

Vier Wahlsiege der Demokraten in Folge, und doch kein politisches Erdbeben: Donald Trump bleibt erstaunlich unerschüttert. Während die...

DWN
Politik
Politik Pistorius will mehr Mut und neue Führungskultur in der Bundeswehr
07.11.2025

Angesichts russischer Bedrohungen und interner Bürokratie fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius tiefgreifende Reformen in der...

DWN
Panorama
Panorama Mehr Mobbing in Schule, Beruf und Netz – Studie warnt vor zunehmender Schikane
07.11.2025

Mobbing ist längst kein Problem von gestern: Eine aktuelle Studie zeigt, dass immer mehr Menschen sowohl am Arbeitsplatz als auch online...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rheinmetall startet Satellitenproduktion – Rüstung geht jetzt ins All
07.11.2025

Rheinmetall, bisher vor allem bekannt für Panzer, Haubitzen und Drohnen, wagt den Schritt ins Weltall. Der deutsche Rüstungskonzern hat...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sichtbar mit KI: Wie KMU auf ChatGPT und Gemini gefunden werden
07.11.2025

Nach der Einführung von Googles KI-Übersicht ist der Website-Traffic im Schnitt um sieben Prozent gesunken. Klassisches SEO verliert an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teure Naschzeit: Preise für Schoko-Weihnachtsmänner steigen deutlich
07.11.2025

Süße Klassiker wie Schoko-Weihnachtsmänner, Dominosteine und Lebkuchen gehören für viele zur Adventszeit dazu – doch in diesem Jahr...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krieg entzieht der russischen Wirtschaft die Kraft
07.11.2025

Die russische Wirtschaft gerät unter Druck: hohe Inflation, sinkendes Wachstum, militärische Überlastung und neue US-Sanktionen gegen...

DWN
Politik
Politik Merz am Amazonas – Kanzler setzt Zeichen für internationalen Klimaschutz
07.11.2025

Rund 20 Stunden Flug für gut 21 Stunden Aufenthalt: Bundeskanzler Friedrich Merz reist nach Brasilien, um am Amazonas Präsenz zu zeigen....