Politik

Herbstbelebung am Arbeitsmarkt fällt aus, mehr Kurzarbeit und weniger offene Stellen

Die Folgen der schwachen Konjunktur machen sich immer deutlicher auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Im Oktober ist die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat nur ganz leicht gesunken. Wie ist der weitere Ausblick?
30.10.2024 17:39
Lesezeit: 2 min
Herbstbelebung am Arbeitsmarkt fällt aus, mehr Kurzarbeit und weniger offene Stellen
Die Arbeitslosigkeit nimmt in Deutschland seit über zwei Jahren zu, bewegt sich im langfristigen Vergleich jedoch auf eher niedrigem Niveau. (Foto: dpa) Foto: Schulz

Steigende Arbeitslosigkeit, mehr Kurzarbeit und viele junge Menschen ohne Ausbildungsstelle - die Folgen der schwachen Konjunktur machen sich immer deutlicher auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Im Oktober ist die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat minimal um 16.000 auf 2,791 Millionen gesunken - nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ein so geringer Rückgang in einem Oktober wie seit 20 Jahren nicht mehr.

„Die Herbstbelebung am Arbeitsmarkt fällt in diesem Jahr weitgehend aus“, sagte die Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles in Nürnberg. Bereits im September hatten Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung kaum abgenommen. Im Oktober nahm die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt sogar um 27.000 zu. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei sechs Prozent.

Mehr Kurzarbeit, weniger offene Stellen

Noch deutlicher zeigt der Vorjahresvergleich die Entwicklung: Damals waren 183.000 Menschen weniger ohne Job, die Zahl der offenen Stellen lag um 60.000 höher. Die Arbeitslosigkeit nehme in Deutschland seit über zwei Jahren zu, fasste Nahles zusammen. Im langfristigen Vergleich bewegt sich diese jedoch auf eher niedrigem Niveau. Für ihre Oktober-Statistik griff die Bundesagentur auf Datenmaterial zurück, das bis zum 14. Oktober vorlag.

Auch die Kurzarbeit nehme zu, erläuterte Nahles. Vom 1. bis 24. Oktober zeigten Unternehmen für 67.000 Beschäftigte konjunkturelle Kurzarbeit an. Bis zum Ende des Monats werde diese Zahl aber noch steigen und voraussichtlich das Niveau des Vormonats von 92.000 Anzeigen erreichen. Die Zahl der Anzeigen gilt als Frühindikator für die weitere Entwicklung, auch wenn sich noch nicht absehen lässt, wie viele Betriebe tatsächlich Kurzarbeit in Anspruch nehmen.

Gute Nachrichten gibt es laut dem Bundesarbeitsministerium allerdings bei den Geflüchteten aus der Ukraine. Im Oktober nahmen knapp 8.000 eine Beschäftigung, eine Ausbildung oder eine selbstständige Tätigkeit auf. Das sei eine Verdopplung des Vorjahreswerts, hieß es. 221.000 Ukrainerinnen und Ukrainer haben demnach (Stand: August 2024) bisher eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.

Herausforderung Ausbildungsmarkt

Auf dem Ausbildungsmarkt sei es zunehmend herausfordernder, junge Leute und Betriebe zusammenzubringen, sagte Nahles. Die Lücke zwischen den 432.000 Bewerberinnen und Bewerbern und den 519.000 angebotenen Stellen sei zwar kleiner geworden. Dennoch seien am 30. September noch 31.000 junge Leute ohne einen Ausbildungsplatz gewesen - mehr als in den vergangenen 16 Jahren. Gleichzeitig seien 69.000 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben.

„Auch der Ausbildungsmarkt ist vor konjunkturellen Schwankungen nicht gefeit“, sagte Nahles. Es gebe aber auch strukturelle Gründe dafür, dass von Oktober 2023 bis September 26.000 Ausbildungsstellen weniger als im Vorjahreszeitraum angeboten worden seien. Wenn ein Bäcker zum Beispiel seit Jahren keine Auszubildende mehr gefunden habe, melde er diese Stelle irgendwann auch nicht mehr.

"Viel ungenutztes Potenzial"

Es seien Kompromisse auf beiden Seiten nötig, betonte Nahles. Junge Menschen müssten auch Alternativen zu ihrem Traumberuf in Erwägung ziehen und Unternehmen sich für Auszubildende öffnen, die anfangs vielleicht nicht die perfekten Kandidatinnen oder Kandidaten seien. Die Angebote der Arbeitsagenturen, um Auszubildende und Betriebe zu unterstützen, müssten deshalb bekannter und vereinfacht werden. „Es gibt noch viel ungenutztes Potenzial“, sagte Nahles. Angesichts des demografischen Wandels könne aber auf keine Arbeitskraft verzichtet werden.

Das verstärkte Anwerben von Fachkräften in Indien, wie die Bundesregierung sie plant, sieht Nahles dennoch kritisch. Die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten der Bundesagentur seien erreicht, betonte sie. Steigende Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen belasteten deren Haushalt.

Am Ende dieses Jahres rechnet Nahles mit einer "roten Null". Im kommenden Jahr werde ein deutliches Minus erreicht, sagte sie. Das liege auch daran, dass die Bundesagentur dann die Finanzierung von Weiterbildung oder Reha-Maßnahmen über die Jobcenter übernehmen werde, was allein mit 900 Millionen Euro zu Buche schlage.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Star-Investorin: „Wir erleben eine neue Generation von KI-Gründern“
06.06.2025

US-Chaos, Trump und Kapitalflucht: Europas KI-Talente kehren dem Silicon Valley den Rücken – und bauen die Tech-Giganten der Zukunft vor...