Wirtschaft

Angriffe mit Raketen und Drohnen: Nächste Stadt in der Ostukraine vor russischem Ansturm

Soldaten aus Nordkorea im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen – das sei Russlands gutes Recht, lässt der Kreml im UN-Sicherheitsrat ausrichten. Anderen Staaten bereitet das große Sorgen. Derweil gerät die Ukraine durch neue russische Attacken aus der Luft immer mehr unter Druck.
31.10.2024 14:07
Lesezeit: 3 min
Angriffe mit Raketen und Drohnen: Nächste Stadt in der Ostukraine vor russischem Ansturm
Russische Truppen stehen nur noch etwa sieben Kilometer vor der Stadt Pokrowsk. (Foto: dpa) Foto: Evgeniy Maloletka

Für den russischen Vormarsch in der Ostukraine ist die Industriestadt Pokrowsk das nächste wichtige Ziel. Der Feind stehe nur noch knapp sieben Kilometer vor der Stadt im Gebiet Donezk, die vor dem Krieg etwa 50.000 Einwohner hatte, sagte der Leiter der Stadtverwaltung, Serhij Dobrjak. Zurzeit harrten noch etwa 12.000 Menschen in Pokrowsk aus, darunter Kinder, auch wenn die Infrastruktur schon zu etwa 80 Prozent zerstört sei.

Nächste Stadt in der Ostukraine vor russischem Ansturm

Am Frontabschnitt Pokrowsk seien am Mittwoch 28 russische Sturmangriffe gezählt worden, teilte der ukrainische Generalstab in Kiew mit. An der gesamten langen Front im Osten und Süden habe es 134 Gefechte gegeben.

In Washington, New York und Brüssel wird unterdessen darüber beraten, wie mit der Unterstützung der russischen Streitkräfte durch geschätzt 10.000 Soldaten aus Nordkorea umzugehen ist. Das US-Verteidigungsministerium zeigte sich „zunehmend besorgt“ wegen eines möglichen Einsatzes dieser Soldaten im Krieg gegen die Ukraine. Einige der nach Russland entsandten Nordkoreaner seien bereits näher an die Ukraine verlegt worden. Im UN-Sicherheitsrat rechtfertigte der russische Botschafter Wassili Nebensja die militärische Kooperation mit Nordkorea. Diese richte sich nicht gegen Dritte.

Ukrainische Verteidigung im Donbass bröckelt

Die Ukraine wehrt seit mehr als zweieinhalb Jahren eine großangelegte russische Invasion ab, die das Land wieder unter Moskauer Kontrolle bringen soll. Im Süden des Gebietes Donezk haben die ukrainischen Verteidiger in den vergangenen Tagen und Wochen mehrere Städte räumen müssen. Generalmajor Dmytro Martschenko sprach von einem Zusammenbruch der Front.

Pokrowsk wird seit langem beschossen. Die Zufahrt zur bedrohten Stadt sei zwar noch nicht komplett gesperrt, sagte Stadtchef Dobrjak. Doch einzelne Straßen würden abgeriegelt, um Verteidigungsanlagen zu bauen. Nahe Pokrowsk ging den Ukrainern zuletzt die Stadt Selydowe verloren. Damit können Angriffe auf Pokrowsk auch von Süden erfolgen.

Ebenso viel Druck üben die russischen Truppen nach ukrainischen Angaben am Frontabschnitt der Stadt Kurachowe aus. Auch dort habe es 28 Sturmangriffe gegeben, teilte das Militär mit. Es berichtete immer noch von Kämpfen um den vorgelagerten Ort Kurachiwka. Ukrainische Militärblogs sehen den Ort aber bereits unter russischer Kontrolle.

EU fordert Kursumkehr Nordkoreas

EU-Chefdiplomat Josep Borrell forderte von Nordkorea einen Stopp der Unterstützung für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Die Anwesenheit von mehreren Tausend Soldaten, die mit dem russischen Militär zusammenarbeiten, stellt einen eklatanten Verstoß gegen die UN-Charta und mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrates dar“, sagte Borrell in Brüssel. Es sei ein einseitiger, feindlicher Akt Nordkoreas mit schwerwiegenden Folgen für den Frieden und die Sicherheit in Europa und weltweit. Borrell kündigte eine „angemessene Reaktion“ an. Er werde diese Woche zu Konsultationen mit Japan und Südkorea reisen.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte in Washington, er sei zunehmend besorgt, dass der Kreml die Nordkoreaner zur Unterstützung seiner Truppen in der Region Kursk an der Grenze zur Ukraine einsetzen wolle. „Wir sehen, dass sie russische Uniformen tragen und mit russischer Ausrüstung ausgestattet sind“, sagte er.

Russlands Präsident Wladimir Putin bestreitet die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten nicht. Er verweist darauf, dass auch die Ukraine auf Personal aus Nato-Staaten zurückgreife. Moskau beabsichtige, die Kooperation mit Nordkorea „in Zukunft weiterzuentwickeln, und niemand kann uns daran hindern“, sagte UN-Botschafter Nebensja in New York.

Russische Luftangriffe mit Raketen, Bomben und Drohnen

Seit den Abendstunden am Mittwoch greift Russland die Ukraine erneut aus der Luft an – mit Raketen, Gleitbomben und Kampfdrohnen. Allein auf die Hafenstadt Odessa und ihr Umland wurden nach regionalen Behördenangaben etwa zehn Raketen abgeschossen. Explosionen waren zu hören. Dies sei aber außerhalb der Stadt gewesen, sagte Bürgermeister Hennadij Truchanow. Über Odessa und seine Nachbarhäfen laufen die Getreideexporte der Ukraine. Deshalb wird die Küste immer wieder von Russland attackiert.

In der ostukrainischen Großstadt Charkiw schlugen nach Medienberichten Gleitbomben ein und verletzten 17 Menschen. Mit Tagesanbruch des Donnerstags herrschte in vielen Teilen der Nord- und Zentralukraine Alarm wegen russischer Drohnen in der Luft.

Ukraine will Tomahawks zur Abschreckung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte einen Bericht der „New York Times“, wonach er die USA um Marschflugkörper vom Typ Tomahawk zur künftigen Abschreckung Russlands gebeten habe. So stehe es im geheimen Anhang seines „Siegesplans“, den er jüngst in Washington präsentiert hatte, sagte er vor Journalisten in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Zu seinem Plan gehört eine Aufrüstung der Ukraine, um Russland von Aggressionen abzuschrecken.

Selenskyj zeigte sich enttäuscht und wertete das Durchsickern der Informationen als Vertrauensbruch. „Wie soll man diese Nachricht verstehen? Das heißt also, dass es zwischen Partnern keine vertraulichen Informationen gibt“, stellte er fest. Tomahawks haben eine maximale Reichweite von gut 2.400 Kilometern und können damit theoretisch von ukrainischem Boden aus russische Großstädte wie St. Petersburg, Moskau und sogar Jekaterinburg im Ural erreichen.

Die Ukraine rechne bald mit einem weiteren Treffen ihrer militärischen Unterstützerländer in der sogenannten Ramstein-Gruppe, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Details oder ein Datum nannte er nicht. Ein Treffen auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz hätte eigentlich Mitte Oktober als Gipfel mit dem US-Präsidenten stattfinden sollen. Joe Biden sagte aber wegen eines Wirbelsturms in den USA ab. Später holte er zwar seinen Besuch in Deutschland nach, nicht aber das Ramstein-Treffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....