Während das Ampel-Aus noch nachhallt und sich alle fragen, wie es denn jetzt weitergeht, dreht die Welt sich weiter. Dazu gehört auch der Wahlsieg Trumps, den viele als Signal sehen, jetzt aber endlich mal ranzuklotzen in vielen dringenden Fragen - von europäischer Verteidigung über Reanimationsmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft bis hin zu neuen Handelsbeziehungen. Ob und wie das gelingen kann, hängt davon, wie gut die Politik jetzt in die Pötte kommt. Aktuell scheint erstmal alles auf eine klassische Hängepartie bis zu den Neuwahlen im Januar oder März hinzudeuten. Kann Deutschland sich das leisten? Stimmen aus der Wirtschaft und Wissenschaft dazu klingen wenig verheißungsvoll.
Zölle und Protektionismus: Deutsche Industrie vor Herausforderungen
„Flächendeckende Zölle von zehn oder gar 20 Prozent auf alle Importe und von 60 Prozent auf Einfuhren aus China würden nicht nur Deutschland und der EU, sondern auch der US-Wirtschaft massiv schaden“, teilte etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit. Die Industrie sieht einen „Epochenwechsel“. „Zu befürchten ist, dass der Ton rauer, der protektionistische Kurs konsequent fortgeführt werden wird“, teilte der BDI weieter mit. Die Branche sieht einen Weckruf für Deutschland und Europa. Sie müssten ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Verteidigungsfähigkeit schneller weiterentwickeln. Die chemische Industrie hält dabei auch Freihandelsabkommen und Partnerschaften mit anderen Weltregionen für notwendig. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hingegen warb: „Unsere Unternehmen bieten die erforderlichen Produkte an, um die von Donald Trump angestrebte Re-Industrialisierung der USA umzusetzen. Der Gesamtausblick des VDMA auf den amerikanischen Markt bleibt daher positiv.“ Das wirkt wie ein etwas bemühter Optimismus. Generell ist die Stimmung düster.
Exportmarkt USA: Wichtige Partnerbeziehungen auf der Kippe
„Der Rückgang der Industrieproduktion und der Exporte sind in Anbetracht des Sieges von Donald Trump eine Mahnung. Mehr US-Protektionismus heißt für das industrielastige Deutschland nichts Gutes“, prognostiziert der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Viele Ökonomen rechnen damit, dass Trump im nächsten Jahr zunächst nur selektive, schlagzeilenträchtige Zölle verhängen und weitere Maßnahmen androhen könnte. „Für sich genommen könnte eine solche Eskalation der Handelsspannungen dazu führen, dass wir unsere Wachstumsprognose für 2025 für Deutschland (derzeit 0,5 Prozent) um etwa 0,2 Prozentpunkte und unsere Prognosen für andere europäische Länder um etwa 0,1 Prozentpunkte senken“, teilten die Volkswirte der Berenberg-Bank mit. Würden die USA tatsächlich einen Zoll von zehn Prozent auf alle Importe aus Europa erheben, könnte der Schaden demnach noch größer ausfallen.
Auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, erklärte: „Die Zölle verteuern nicht nur deutsche Waren in den USA, sondern dürften auch zu Gegenzöllen der EU führen, was den Außenhandel weiter belasten würde. Wirtschaftsvertreter fordern, den Industriestandort Deutschland rasch zu stärken, zum Beispiel durch den Abbau von Bürokratie.“ Doch der Bruch der Ampel-Koalition macht rasche Entscheidungen unwahrscheinlicher, wie Krämer zusammenfasst: „Deutschland steht vor einem schwierigen Winterhalbjahr, ohne dass es bereits politische Mehrheiten für notwendige Wirtschaftsreformen gäbe.“
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, wertete den Trump-Sieg ebenfalls als negativ. Damit „beginnt der ökonomisch schwierigste Moment in der Geschichte der Bundesrepublik, weil zur inneren Strukturkrise nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen auf uns zukommen, auf die wir nicht vorbereitet sind.“
Enormer wirtschaftlicher Schaden
Der wirtschaftspolitische Kurs von Donald Trump wird Deutschland und die Europäische Union nach Ansicht des ifo Instituts vor erhebliche Probleme stellen. „Trump verfolgt eine ausgeprägt protektionistische Agenda, die auf höhere Importzölle und stärkere Beschränkungen des internationalen Handels setzt, insbesondere gegenüber China und potenziell auch gegenüber Europa“, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest und empfiehlt, dafür Vorkehrungen zu treffen. Denn deutsche Exporteure, für die die USA der größte Absatzmarkt außerhalb der EU sind, müssen mit empfindlichen Einbußen rechnen, sollte Trump seine Drohung wahrmachen und Basiszölle von 20 Prozent auf US-Importe aus der EU und 60 Prozent auf Importe aus China erheben. Diese Maßnahmen des erneut gewählten US-Präsidenten würden allein in Deutschland einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro bedeuten. Das ifo Institut schätzt, dass die deutschen Exporte in die USA damit um etwa 15 Prozent zurückgehen könnten. Zusätzlich würden die Ausfuhren nach China um 10 Prozent sinken, weil Chinas Exporte in die USA massiv zurückgehen würden.
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die USA weiter von einer offenen, globalen Zusammenarbeit entfernen“, warnt auch Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft. „Deutschland und die EU müssen nun ihre Position durch eigene Maßnahmen stärken. Dazu gehören eine tiefere Integration des EU-Dienstleistungsmarktes und glaubwürdige Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA“, so ihre Empfehlung. So könnte beispielsweise das von der EU neu geschaffene Anti-Coercion-Instrument genutzt werden. Es sieht neben Zöllen weitere Gegenmaßnahmen bei wirtschaftlichem Zwang vor. Außerdem könnten Deutschland und die EU die Zusammenarbeit mit einzelnen US-Bundesstaaten verstärken.
Deutschland international nicht mehr wettbewerbsfähig
„Die Welt braucht weniger und nicht mehr Handelsbeschränkungen“, hob etwa der Außenhandelsverband BGA hervor. Exportschwäche und rückläufige Produktion bringen die deutsche Wirtschaft in politisch unruhigen Zeiten in schwieriges Fahrwasser. Deutschland sei als Außenhandelsnation international nicht mehr wettbewerbsfähig, kommentiert der Präsident des BGA, Dirk Jandura. Europas größte Volkswirtschaft brauche nach dem Bruch der Ampel-Koalition schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung – auch angesichts der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und damit drohenden Importzöllen im wichtigsten Absatzmarkt für Waren „Made in Germany“, mahnte Jandura: „Deutschland braucht eine Wirtschaftswende. Wir müssen das Ruder herumreißen, bevor die Wellen zu hoch werden. Die USA seien Deutschlands wichtigster Handelspartner und wichtigster Verbündeter in einer Zeit globaler Umbrüche. „Wir setzen auf eine Fortsetzung der traditionell guten transatlantischen Beziehungen.“ Der Digitalverband Bitkom bemerkte: „Die USA werden auch künftig Europas wichtigster Partner sein, unser großer Bruder, der in jeder Beziehung seine schützende Hand über uns hält, sind sie aber nicht mehr.“
Sorge um den deutschen Mittelstand
Marc Tenbieg, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes (DMB), warnt ebenfalls: „Mit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus werden die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen voraussichtlich nicht enger werden, ganz im Gegenteil. Das ist bedauernswert, zumal unter Joe Biden Risse aus der ersten Präsidentschaft Donald Trumps wieder gekittet wurden. Wie verschiedene Studien im Vorfeld der Wahl gezeigt haben, ist davon auszugehen, dass eine zweite Amtszeit Trumps vielfältige Herausforderungen für den deutschen Mittelstand mit sich bringen wird.“ Die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner, in kein anderes Land exportiert Deutschland derzeit so viele Produkte. „Vor diesem Hintergrund betrachten wir die Ankündigung Trumps, Zölle auf Importe auch aus Deutschland zu erhöhen, mit Sorge. Protektionistische Maßnahmen wie diese werden das Exportgeschäft vieler Mittelständler beeinträchtigen“, sagt Tenbieg.
Darüber hinaus hat Trump angekündigt, die Unternehmensbesteuerung in den USA weiter zu senken. „Dies könnte dazu führen, dass amerikanische Firmen im internationalen Wettbewerb begünstigt werden, was unseren Mittelstand weiter unter Druck setzen würde“, führt Tenbieg weiter aus. Auch für die ökologische Transformation der Weltwirtschaft werde die Wiederwahl Trumps Konsequenzen haben. Schon in seiner ersten Amtszeit kündigte Trump das Pariser Klimaabkommen auf, dem sich die EU verpflichtet hat. Trump will noch stärker auf fossile Energieträger setzen, nachdem unter seinem Vorgänger Joe Biden die Öl- und Gasförderer in den USA bereits Rekordumsätze erwirtschaftet haben. Diese Agenda stehe im Widerspruch zu den Klimazielen Deutschlands und der EU und berge zusätzlichen politischen Strengstoff, sagt Tenbieg.
Somit dürften die kommenden vier Jahre - wieder mal - eine ernste Belastungsprobe für das deutsch-amerikanische Verhältnis werden. "Mut macht die Tatsache, dass es uns schon einmal gelungen ist, mit dem „Dealmaker“ Trump zusammenzuarbeiten, ohne allzu großen Schaden für den deutschen Mittelstand anzurichten. Es wird aber auch nicht einfach werden, gegenüber einer „America First“-Politik Standfestigkeit zu beweisen", so Tenbieg. Es sei entscheidend, den Dialog aufrechtzuerhalten. "Denn Amerika bleibt wirtschafts- und sicherheitspolitisch unser wichtigster Partner – auch unter einem Präsidenten Trump.“
Wird Deutschland zwischen den USA und China zerrieben?
Sorgen grassieren, dass Deutschland in einem Handelskrieg – geschweige denn einem Krieg mit Waffengewalt – zwischen den beiden Riesenmächten USA und China zerrieben würde. DIHK-Präsident Peter Adrian sagt: „Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für unsere Unternehmen und 2024 lösen die Vereinigten Staaten voraussichtlich China als wichtigsten Handelspartner Deutschlands ab. Falls Trump einen generellen Importzoll einführt, wäre dies ein herber Rückschlag für die deutsche Wirtschaft – in einer ohnehin bereits angespannten Situation. Viele Unternehmen machen sich zudem Sorgen wegen des verschärften Umgangs der USA mit China. Ein scharfer Handelskonflikt zwischen Deutschlands wichtigsten Handelspartnern wäre eine weitere Belastung im internationalen Geschäft.“
Die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer sieht Adrian weniger tragisch: „Sie wäre ein positiver Impuls für die US-Wirtschaft und könnte auch für deutsche Unternehmen neue Aufträge bedeuten. Steigende Importzölle und Local-Content-Vorschriften verstärken allerdings auch den Druck, mehr vor Ort zu produzieren – möglicherweise zulasten deutscher Standorte.“
Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Michael Hüther warnt: „Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten: Mit der Wahl Donald Trumps steht die deutsche Wirtschaft vor der nächsten Krise in einer an Rückschlägen reichen Zeit. Schon heute können sich Unternehmen auf einen teuren Handelskrieg einstellen, der nach IW-Berechnungen über die kommenden vier Jahre 180 Milliarden Euro kostet. Was noch auf die Wirtschaft zukommt, weiß bei der Wundertüte Trump niemand, nur klar ist: Es wird nicht bei der einen Hiobsbotschaft bleiben, mit positiven Überraschungen rechnet niemand.“ Deutschland müsse in den kommenden Jahren mehr denn je lernen, auf eigenen Beinen zu stehen – im Geopolitischen genauso wie in der Wirtschaftspolitik. Welchen besseren Anstoß könne es geben, um endlich etwas für die Standortqualität zu tun? „Und auch die EU muss sich mit dem heutigen Tag bewegen“, fordert Hüther. Es sei schon lange nicht mehr vermittelbar, dass es bei den Handelsabkommen, etwa mit den Mercosur-Staaten, nicht weiterginge. Jetzt sei die Zeit, um alle Befindlichkeiten beiseitezustellen.“
Bye, bye, Intel!
Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Reint Gropp, rechnet nach der US-Wahl nicht mehr mit einer Ansiedlung von Intel in Sachsen-Anhalt. "Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass Intel jetzt noch nach Magdeburg kommt", sagte Gropp. Im Grunde könne Deutschland aber froh sein, dass noch keine Gelder geflossen seien. Die Bundesregierung hatte dem US-Unternehmen für die Ansiedlung rund zehn Milliarden Euro Unterstützung zugesagt. Intel plant bei Magdeburg den Bau mehrerer Großfabriken zur Chip-Herstellung. Wegen Problemen am Markt kündigte Intel zuletzt aber an, die Pläne zwei Jahre aufschieben zu wollen. Der offizielle Baustart war zunächst für das kommende Jahr angekündigt.