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Blauer Wasserstoff: Herstellung und Nutzen

Blauer Wasserstoff gilt als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Aber was verbirgt sich dahinter? Hier erfahren Sie, wie blauer Wasserstoff hergestellt wird, welche Rolle Politik und Industrie ihm zuschreiben und wie er sich von grünem Wasserstoff unterscheidet.
30.12.2024 16:08
Aktualisiert: 01.01.2030 15:44
Lesezeit: 4 min
Blauer Wasserstoff: Herstellung und Nutzen
Blauer Wasserstoff: Energieträger der Zukunft, reiner Hype, Energiespeicher - was ist dran? (Foto: pexels / Dana Tentis)

„Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist“, schrieb Jules Verne schon vor 150 Jahren in seinem Roman "Die geheimnisvolle Insel". Heute wird Wasserstoff als Wundermittel im Kampf gegen den Klimawandel gefeiert. Warum eigentlich? Und was hat es mit dem mysteriösen "blauen Wasserstoff" auf sich?

Wasserstoff (H) ist das häufigste Element im Universum. Das geruchslose, unsichtbare und ungiftige Gas ist als Energieträger in Reinform äußerst vielversprechend, kommt jedoch in freier Wildbahn nicht pur, sondern nur in chemischen Verbindungen vor. Bei der Erzeugung von Wasserstoff muss dieser also aus seinen Molekülketten gelöst werden - ob aus Wasser (H2O) oder anderen Verbindungen. Das aber kostet Energie. Und lohnt sich nur in manchen Fällen.

Viele Industrien sehen in Wasserstoff eine hervorragende Übergangslösung für die Energiewende. Denn aktuelle Technologien und Infrastrukturen könnten damit im Grunde erstmal fast weiter wie bisher betrieben werden. In der Automobilbranche hofft man beispielsweise, mit sogenannten "e-Fuels" (synthetischen Kraftstoffen) aus dem Rohstoff Wasserstoff die Zukunft des Verbrennungsmotors zu sichern. Auch die Immobilienwirtschaft träumt davon, weniger zu dämmen und dafür mit Wasserstoff Häuser zu beheizen. Die Gasindustrie wiederum hofft, ihr Geschäftsmodell mittels Wasserstoff und seiner Herstellung weiter am Laufen halten zu können - denn aktuell noch spielt Erdgas eine essentielle Rolle bei der Herstellung von Wasserstoff.

Die Farben des Wasserstoffs: Blauer vs. grüner Wasserstoff

Und welche Farbe hat Wasserstoff nun? Das Gas selbst ist ja farblos. Die Begriffe „grüner“ und „blauer“ Wasserstoff beziehen sich auf seine Herstellung. Bei der Wasserstoffelektrolyse wird Wasser (H₂O) mit Strom in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) gespalten. Diese Elektrolyse beruht auf den gleichen elektrochemischen Prozessen wie die Brennstoffzelle, wobei die Elektrolyse elektrische Energie verbraucht und die Brennstoffzelle sie abgibt. Der Wirkungsgrad der Elektrolyse liegt etwa bei 75 Prozent. Es wäre möglich, die Abwärme der Wasserstoffproduktion in Wärmenetze einzuspeisen und so die Verluste zu minimieren.

Blauer Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen. Dabei entsteht CO₂, das mithilfe der „Carbon Capture and Storage“-Technologie (CCS) aufgefangen und im Boden gespeichert wird. Diese Methode birgt allerdings Risiken, da CO₂-Leckagen zu Umweltschäden führen können, und die Langzeiteffekte der Speicherung sind noch unklar. Zudem werden die verbleibenden CO₂- und Methan-Emissionen oft unterschätzt. Grauer Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas gewonnen, allerdings ohne CO₂-Abscheidung. Diese Technologie ist besonders für Länder und Unternehmen interessant, die vom Handel mit Erdgas profitieren. Sie könnten ihr Geschäftsmodell auch in der Klimakrise weiterführen und ihre fossile Infrastruktur weiter nutzen. Doch für das Klima ist diese Technologie problematisch, da auch hier große Mengen klimaschädlicher Gase freigesetzt werden.

Grüner Wasserstoff gilt als klimaneutral, wenn er mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Bei dieser Methode entstehen lediglich Sauerstoff und keine schädlichen Nebenprodukte. Grüner Wasserstoff ist also umweltfreundlicher als blauer Wasserstoff, da bei seiner Herstellung keine schädlichen Emissionen freigesetzt werden. Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist somit klimaneutral. Blauer Wasserstoff hingegen wird aus Erdgas erzeugt, dessen Förderung und Nutzung mit Emissionen verbunden sind. Unklar ist jedoch, ob es in naher Zukunft genügend erneuerbare Energien geben wird, um den riesigen Bedarf an Wasserstoff in Deutschland zu decken. Derzeit wird ein Großteil des genutzten Wasserstoffs noch aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas gewonnen.

Wasserstoff: Wie wird er genutzt?

Wasserstoff wird bereits in vielen Bereichen Brenn-, Kraft- und Rohstoff genutzt, etwa in der Stahlindustrie, der chemischen Industrie, im Luft- und Schiffsverkehr sowie in Teilen des Schwerlastverkehrs. In manchen Sektoren ist Wasserstoff jedoch weniger geeignet als Endenergieträger. Im Luftverkehr hat Wasserstoff beispielsweise aufgrund seiner niedrigen Energiedichte eine zu geringe Reichweite. Hier wird langfristig vermutlich auch weiterhin Kerosin benötigt. Doch könnte Wasserstoff als Sekundärenergieträger genutzt werden, oder als Rohstoff für die Herstellung von Kohlenwasserstoffen genutzt werden. Dabei wird Wasserstoff aus Wasser und Kohlenstoff aus der Luft gewonnen und dann zu Benzin, Diesel oder Kerosin weiter verarbeitet. Wasserstoff sollte im Verkehr idealerweise aus Effiziengründen nur dort eingesetzt werden, wo eine direkte Nutzung von erneuerbarem Strom nicht möglich ist. Dies betrifft vor allem Bereiche mit hohem Energiebedarf oder großen Reichweitenanforderungen, wie eben den Seeverkehr, den Luftverkehr oder gegebenenfalls den Straßengüterfernverkehr.

Wasserstoff als Energiespeicher

Wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreitet, könnte Wasserstoff eine zentrale Rolle in Gaskraftwerken spielen, um die Stromversorgung stabil zu halten und die schwankende Energieproduktion aus Wind- und Solarenergie auszugleichen. Statt einer Batterie könnte Wasserstoff in komprimierter oder flüssiger Form im Tank gelagert werden. Ein Vorteil von Wasserstoff als Energiespeicher ist die wartungsarme Technik. Erste Anbieter liefern bereits Anlagen, die sich einfach mit Photovoltaikanlagen verbinden lassen, um überschüssigen Solarstrom in Wasserstoff umzuwandeln und zu speichern. Allerdings geht bei der mehrfachen Umwandlung ein Teil der Energie verloren. Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und später wieder von Wasserstoff in Strom und Wärme gehen derzeit rund 60 Prozent der Energie flöten. Das bedeutet: Von einer Kilowattstunde, die eine Photovoltaikanlage erzeugt, können Sie später nur etwa 0,4 Kilowattstunden nutzen. Langfristig lässt sich Wasserstoff jedoch gut speichern. Überschüssiger Strom im Sommer kann so im Winter genutzt werden, um die geringere Solarstromproduktion auszugleichen. Das stellt einen Vorteil gegenüber modernen Batteriespeichern dar, die mit einem Wirkungsgrad von über 75 Prozent zwar effizienter arbeiten, aber in ihrer Kapazität begrenzter sind.

Deutschland Wasserstoffstrategie

Deutschland verfolgt mit seiner "Nationalen Wasserstoffstrategie" (NSW) das Ziel, bis 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von fünf Gigawatt (GW) zu installieren. Davon sollen zwei GW in die Herstellung konventioneller Kraftstoffe integriert werden. Dies bedeutet, dass bis 2030 etwa 14 TWh Wasserstoff bereitgestellt werden sollen, was rund 20 bis 25 Prozent des aktuellen Bedarfs abdecken würde. Bis 2035, spätestens jedoch 2040, soll die Elektrolyseleistung auf fünf GW ausgebaut werden. Die europäische Wasserstoffstrategie strebt bis 2030 eine Elektrolysekapazität von 40 GW für Europa an. Insgesamt sollen in Deutschland für die Förderung der Erzeugung, für den Aufbau der notwendigen Infrastruktur und die Nutzung von Wasserstoff mehrere Milliarden Euro aus Mitteln der Bundesregierung und der Länder zur Verfügung gestellt werden. So soll Versorgungssicherheit gewährleistet werden, und zudem sollen neue Industriezweige mit zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und Exportchancen entstehen. Viele deutsche Unternehmen, darunter auch Start-ups und mittelständische Unternehmen, haben laut BMWK bei Wasserstofftechnologien heute schon einen Platz in der internationalen Spitzengruppe, etwa bei Elektrolyseuren für die Herstellung von Wasserstoff und bei der Produktion von Brennstoffzellen, mit denen aus Wasserstoff Strom gewonnen wird. Die NWS soll somit auch dazu beitragen, dass der Industriestandort Deutschland seine starke Position bei Wasserstofftechnologien behält und weiter ausbaut.

Fazit: Chancen und Herausforderungen für Wasserstoff

Auf den Einsatz von Wasserstoff als Energiespeicher und Rohstoff ruhen große Hoffnungen. Das Gas ist vielseitig einsetzbar, und bei seiner Verbrennung entsteht nur Wasser als Abfall. Dennoch wird klimafreundlicher Wasserstoff, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, zunächst knapp bleiben. Aktuell stammt ein Großteil des verwendeten Wasserstoffs noch aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas und Kohle. Der Einsatz von grünem und blauem Wasserstoff kann als Brückentechnologie in bestimmten Bereichen und als Speichermedium sehr sinnvoll sein. Grundsätzlich ist es jedoch energieeffizienter, Strom und Wärme direkt zu nutzen – ohne den Umweg über Wasserstoff.

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Maximilian Modler

                                                                            ***

Maximilian Modler berichtet über spannende Entwicklungen aus den Bereichen Energie, Technologie - und über alles, was sonst noch für die deutsche Wirtschaft relevant ist. Er hat BWL, Soziologie und Germanistik in Freiburg, London und Göteborg studiert. Als freier Journalist war er u.a. für die Deutsche Welle, den RBB, die Stiftung Warentest, Spiegel Online und Verbraucherblick tätig.

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