Politik

Scholz in Kiew: Bundeskanzler besucht überraschend die Ukraine - und sagt neue Waffenlieferungen zu

Ein Telefonat mit Putin und die Ablehnung der Taurus-Lieferung: Die Ukraine-Politik von Kanzler Olaf Scholz sorgt in Kiew weiterhin für Unmut. Nun hat er die Gelegenheit, seine Position vor Ort zu erläutern.
02.12.2024 08:01
Aktualisiert: 02.12.2024 08:31
Lesezeit: 2 min

Scholz in Kiew: Erste Reise seit zweieinhalb Jahren

Bundeskanzler Olaf Scholz ist erstmals seit Juni 2022 wieder in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Der SPD-Politiker kündigte bei seiner Ankunft per Zug neue Waffenlieferungen an. Noch im Dezember sollen Rüstungsgüter im Wert von 650 Millionen Euro bereitgestellt werden. "Ich möchte hier in Kiew verdeutlichen, dass Deutschland der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa bleibt", betonte er. Scholz erklärte weiter, sein Besuch sei ein Signal der Solidarität mit der Ukraine, die seit über 1000 Tagen "heldenhaft" gegen die russische Invasion kämpfe. "Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen. Wir tun, was wir sagen, und sagen, was wir tun", bekräftigte der Kanzler.

Deutschland ist nach den USA der wichtigste Waffenlieferant für die Ukraine. Seit Beginn der russischen Aggression im Februar 2022 wurden deutsche Waffen im Wert von rund 28 Milliarden Euro geliefert oder zugesagt, darunter auch die angekündigten Lieferungen für Dezember. "Deutschland liefert dieses Jahr mehr als Großbritannien und Frankreich zusammen", hatte Scholz am Wochenende hervorgehoben.

Treffen mit Selenskyj und brisante Themen

In Kiew plant Scholz ein Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. Der Besuch wurde aus Sicherheitsgründen vorher nicht öffentlich gemacht. Die Hauptstadt ist immer wieder Ziel russischer Drohnenangriffe.

Bereits 2022 hatte Scholz Kiew besucht: Einmal kurz vor der russischen Invasion im Februar und erneut im Juni, gemeinsam mit Frankreichs Präsident Macron und Italiens damaligem Regierungschef Draghi. Die drei Politiker unterstützten damals die EU-Kandidatur der Ukraine.

Die Ukraine drängt weiterhin auf eine Nato-Einladung, doch diese bleibt bislang aus. Angesichts russischer Geländegewinne verschärft Selenskyj nun den Druck. "Eine Nato-Einladung ist für unser Überleben notwendig", sagte er am Sonntag in Kiew. Er hofft auf Beschlüsse beim Nato-Außenministertreffen, hält diese jedoch für unwahrscheinlich. Besonders die USA, Deutschland und Ungarn bremsen weiterhin. Beim Treffen mit Scholz wird Selenskyj das Thema sicherlich ansprechen. Länder an der Nato-Ostflanke, wie Polen und die baltischen Staaten, unterstützen Kiews Forderung vehement. Doch Deutschland und die USA zeigen sich zurückhaltend.

Scholz: Ukraine-Politik im Wahlkampf

Der Besuch fällt in den beginnenden Bundestagswahlkampf. Scholz hebt dabei seine Strategie hervor: einerseits weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, andererseits die Vermeidung direkter Nato-Beteiligung am Krieg.

Daher lehnt Scholz weiterhin die Lieferung der von Kiew gewünschten Taurus-Marschflugkörper ab. Diese könnten Ziele in Russland erreichen, was der Kanzler aus Sicherheitsgründen strikt ablehnt. Eine Ausnahme bleibt die Region Charkiw, wo deutsche Raketenwerfer mit einer Reichweite von 84 Kilometern eingesetzt werden dürfen. Nicht nur Scholz' Ablehnung der Taurus-Lieferung, sondern auch ein kürzliches Telefonat mit Wladimir Putin stößt in der Ukraine auf Kritik. Selenskyj sagte, Scholz habe damit "die Büchse der Pandora" geöffnet. Auch der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, äußerte sich skeptisch: "Russland versteht nur harte Fakten."

Auf dem Schlachtfeld verzeichnet Russland derzeit Geländegewinne, und Kiew sieht dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar mit Sorge entgegen. Es bleibt unklar, ob der ehemalige US-Präsident die Militärhilfe fortsetzen wird. Europa wäre kaum in der Lage, die Lücke zu schließen. Die Sicherheitslage in Kiew bleibt angespannt. Fast jede Nacht heulen die Luftsirenen wegen russischer Drohnenangriffe. Trotz erfolgreicher Abwehr durch die Flugabwehr kommt es immer wieder zu Schäden und vereinzelt zu Opfern. Zudem intensivierte Russland zuletzt seine Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Wärmewende: Heizen ist teurer geworden - mal wieder
03.12.2025

Wer seine Wohnung schön warm haben wollte, musste in den Jahren 2022 und 2023 besonders tief in die Tasche greifen. Nun haben Experten die...

DWN
Politik
Politik Putin versucht in Europa, was nicht einmal Stalin gelang
03.12.2025

Europa steht vor einer sicherheitspolitischen Zäsur. Neue Enthüllungen über Washingtons Verhandlungen, interne Machtkämpfe in Kiew und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD-Prognose: Zölle bremsen Wachstum bis 2027
03.12.2025

Die OECD sieht für Deutschland ab 2025 einen zögerlichen Aufschwung, der jedoch im internationalen Vergleich blass bleibt. Niedrige...

DWN
Politik
Politik Russland im Fokus: Finnlands Ex-Präsident warnt vor schnellem Ukraine-Frieden
03.12.2025

Finnlands früherer Präsident Sauli Niinistö verfolgt den Krieg in der Ukraine mit wachsender Sorge und warnt vor trügerischen...

DWN
Technologie
Technologie Jeder Sechste sorgt sich wegen KI um eigenen Arbeitsplatz
02.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt rasant. Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland fürchtet, dass sein Job bedroht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russische Wirtschaft unter Spannung: Industrie, Konsum und Haushalt schwächeln
02.12.2025

Die wirtschaftliche Lage in Russland wird spürbar fragiler, da strukturelle Schwächen und geopolitische Belastungen zunehmen. Damit...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehreinheit der Bundespolizei in Dienst gestellt
02.12.2025

Die Bundespolizei verstärkt ihre Drohnenabwehr erheblich. Mit 130 Spezialkräften, KI-gestützten Störsystemen und automatischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple XRP News: Digitale Zahlungen im Asien-Pazifik-Raum wachsen stark
02.12.2025

XRP, die Kryptowährung von Ripple, könnte sich bald von Bitcoin abkoppeln. In Singapur erhält das Unternehmen eine erweiterte Lizenz, um...