Politik

Kriegsrecht: Südkoreas Präsident erklärt Ausnahmezustand – was das genau heißt

In einer überraschenden Ansprache hat Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht ausgerufen. In einer live übertragenen Rede beschuldigte Yoon die Opposition des Landes, mit Nordkorea zu sympathisieren, und erklärte, dass das Kriegsrecht notwendig sei, um Südkorea „vor den Bedrohungen durch nordkoreanische kommunistische Kräfte“ zu schützen und „pro-nordkoreanische antistaatliche Kräfte auszurotten“.
03.12.2024 16:58
Aktualisiert: 03.12.2024 16:58
Lesezeit: 4 min
Kriegsrecht: Südkoreas Präsident erklärt Ausnahmezustand – was das genau heißt
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol spricht während einer Pressekonferenz im Präsidialamt. Der Präsident Südkoreas hat das Kriegsrecht ausgerufen (Foto: dpa). Foto: Uncredited

Das südkoreanische Parlament verlangte wenig später die Aufhebung der Maßnahme. Die anwesenden Abgeordneten hätten für eine entsprechende Resolution gestimmt, berichteten südkoreanische Sender. Yoon müsse gemäß der Verfassung den Ausnahmezustand aufheben, wenn das Parlament mehrheitlich dafür stimme, hieß es.

Südkorea ruft Kriegsrecht aus: Das sind die weitreichenden Konsequenzen

Der Ausnahmezustand hat bereits weitreichende Konsequenzen für das politische und gesellschaftliche Leben in Südkorea. Das Kriegsrecht, das Präsident Yoon nun ausgerufen hat, bedeutet eine vorübergehende Übernahme der staatlichen Kontrolle durch das Militär, wenn zivilen Institutionen aufgrund von Krisen oder Bedrohungen die Fähigkeit zur Funktionsfähigkeit abgesprochen wird. In diesem Fall wird das Militär die Aufgaben der zivilen Regierung übernehmen und durch eine Reihe von Maßnahmen versuchen, die Bedrohung zu beseitigen. Laut Yoon richtet sich der Ausnahmezustand speziell gegen „pro-nordkoreanische Kräfte“, die er als gefährlich für die Demokratie und die verfassungsmäßige Ordnung Südkoreas ansieht.

Die Details zu den spezifischen Maßnahmen des Kriegsrechts sind bislang unklar. Berichten zufolge wurden bereits politische Aktivitäten, einschließlich der Arbeit des Parlaments, verboten, und der Zugang zur Nationalversammlung in Seoul blockiert. Proteste und Versammlungen sind untersagt, während auch die Medien und Verlage einer strengen Kontrolle unterzogen werden. Es wird erwartet, dass das Militär in den kommenden Tagen und Wochen eine größere Kontrolle über das öffentliche Leben übernimmt.

Der Hintergrund: Warum wird jetzt das Kriegsrecht ausgerufen?

Südkorea und Nordkorea befinden sich seit dem Ende des Korea-Krieges im Jahr 1953 weiterhin im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag wurde nie abgeschlossen, lediglich ein Waffenstillstand sicherte eine fragile Ruhe. In den letzten Jahren sind die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel wieder gestiegen, vor allem durch die militärischen Aktivitäten und provokativen Raketentests Nordkoreas. Seit dem Amtsantritt von Yoon Suk Yeol im Jahr 2022 haben sich diese Spannungen weiter verschärft, insbesondere durch eine Reihe von militärischen Provokationen und Drohungen aus Pjöngjang.

Im Inland sind die Spannungen zwischen der regierenden People Power Party (PPP) und der Opposition der Democratic Party (DP) ebenfalls gewachsen. Yoon steht angesichts zunehmender politischer Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen gegen ihn und seine Familie, sowie der Diskussion um das Haushaltsgesetz, unter erheblichem innenpolitischen Druck. Die Opposition kritisierte den Schritt des Präsidenten als unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Die Reaktionen aus der Opposition und der Regierung

Die Opposition hat das Kriegsrecht umgehend scharf verurteilt. Der Vorsitzende der DP, Lee Jae Myung, bezeichnete den Schritt als „verfassungswidrig“ und warnte davor, dass Panzer und Soldaten bald das Land kontrollieren würden. In seiner Sicht stelle das Kriegsrecht eine massive Übergriffe auf die demokratische Ordnung Südkoreas dar. Auch aus der eigenen Regierungspartei kam Kritik: Der Vorsitzende der PPP, Han Dong Hoon, bezeichnete die Maßnahmen als „falsch“ und kündigte an, diese „gemeinsam mit dem Volk zu stoppen“.

Yoon selbst stellte in seiner Rede klar, dass das Kriegsrecht notwendig sei, um die demokratische Ordnung zu schützen und die nationalen Sicherheitsinteressen zu wahren. Die Entscheidung, das Kriegsrecht auszurufen, wurde vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen sowohl mit der Opposition als auch mit Nordkorea getroffen.

Die Auswirkungen des Kriegsrechts auf die Wirtschaft

Der Ausruf des Kriegsrechts hat bereits Auswirkungen auf die südkoreanische Wirtschaft. Finanzinstitutionen im Land haben schnell reagiert. Der Gouverneur der südkoreanischen Zentralbank kündigte an, dass man umfassende Maßnahmen ergreifen würde, um den Finanzmarkt zu stabilisieren. Das Finanzministerium plante, umgehend mit führenden Wirtschaftsvertretern zusammenzutreffen, um die aktuelle Situation zu besprechen. Trotz der angespannten politischen Lage bleibt die südkoreanische Börse zunächst geöffnet, und die Regierung gibt an, die wirtschaftlichen Aktivitäten so gut wie möglich aufrechtzuerhalten.

Obwohl Yoons Entscheidung vorrangig als Reaktion auf innenpolitische Herausforderungen verstanden wird, hat sie auch internationale Auswirkungen. Besonders Nordkorea dürfte den Schritt als eine weitere Provokation empfinden, da das Land die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verstärkt hat. Erst kürzlich hatte Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un erklärt, dass „Krieg nicht das Problem eines anderen“ sei und er ein militärisches Engagement in der Ukraine nicht ausschließt. Auch die Militärübungen, die Südkorea zusammen mit den USA durchführt, haben die Spannungen weiter angeheizt.

In diesem Kontext könnte der Ausbruch des Kriegsrechts in Südkorea die geopolitischen Spannungen weiter verschärfen und die ohnehin angespannten Beziehungen zu Nordkorea weiter belasten. Es bleibt abzuwarten, wie Pjöngjang auf diesen Schritt reagieren wird und welche militärischen und diplomatischen Maßnahmen sich daraus ergeben.

Der Weg nach vorn: Was bedeutet das Kriegsrecht für Südkorea?

Für Südkorea und die politische Landschaft des Landes stellt der Ausruf des Kriegsrechts eine tiefgreifende Veränderung dar. Die Opposition wird weiterhin versuchen, das Kriegsrecht auf verfassungsrechtlichem Wege anzufechten, was zu weiteren politischen Spannungen führen dürfte. Auch die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklung mit Sorge, da ein weiterer Anstieg der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel nicht nur Auswirkungen auf die Region, sondern auf die weltweiten geopolitischen Beziehungen haben könnte.

Yoon Suk Yeol wird sich nun mit der Herausforderung konfrontiert sehen, wie er das Kriegsrecht aufrechterhalten und gleichzeitig die demokratische Ordnung sowie die Stabilität des Landes sichern kann. Die nächste Zeit wird für Südkorea von entscheidender Bedeutung sein, um zu zeigen, wie das Land mit dieser außergewöhnlichen Situation umgeht und wie es mit den Spannungen sowohl innenpolitisch als auch gegenüber Nordkorea umgehen wird.

Die Bedeutung des Kriegsrechts

Das Kriegsrecht in Südkorea stellt einen dramatischen Schritt dar, der nicht nur die politische Landschaft des Landes beeinflusst, sondern auch Auswirkungen auf die internationale Sicherheit hat. Der Schritt, das Kriegsrecht auszurufen, zielt darauf ab, das Land vor der Bedrohung durch Nordkorea und pro-nordkoreanische Kräfte zu schützen. Ob die Maßnahmen des Präsidenten rechtlich gerechtfertigt sind oder nicht, wird die Zukunft zeigen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung auf die politische und wirtschaftliche Stabilität Südkoreas auswirken wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street: Wie die Märkte alle Warnsignale ignorieren
07.11.2025

Die Wall Street kennt derzeit nur eine Richtung – nach oben. Während geopolitische Krisen, Schuldenstreit und Konjunkturrisiken...

DWN
Politik
Politik Donald Trump: Warum die Wahlsiege der Demokraten kein Wendepunkt sind
07.11.2025

Vier Wahlsiege der Demokraten in Folge, und doch kein politisches Erdbeben: Donald Trump bleibt erstaunlich unerschüttert. Während die...

DWN
Politik
Politik Pistorius will mehr Mut und neue Führungskultur in der Bundeswehr
07.11.2025

Angesichts russischer Bedrohungen und interner Bürokratie fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius tiefgreifende Reformen in der...

DWN
Panorama
Panorama Mehr Mobbing in Schule, Beruf und Netz – Studie warnt vor zunehmender Schikane
07.11.2025

Mobbing ist längst kein Problem von gestern: Eine aktuelle Studie zeigt, dass immer mehr Menschen sowohl am Arbeitsplatz als auch online...